Über fotometeo

Fabienne Muriset hat seit 2004 internationale Erfahrungen als Medienmeteorologin bei Wetterdiensten im deutschsprachigen Raum gesammelt und bietet seit 2011 ihre Dienstleistungen als selbstständige Meteorologin und Fotografin auf dem freien Markt an. http://www.fotometeo.ch

Sturm- und Kältevorschau 17.-24.05.2021

Spätwinterlicher Eindruck La Dôle im Waadtländer Jura, 27.05.2013

An den grauslich kalten und trüben Mai 2013 können sich wahrscheinlich die meisten von uns noch erinnern. Der Mai 2021 ist auf bestem Weg, dies in den Schatten zu stellen. Nach den aktuellen Aussichten wird er der kälteste Mai seit exakt 30 Jahren, und da wird es mit der Erinnerung bei einigen schon schwieriger. Noch länger zurück muss man in Sachen kältestes Doppelpack April/Mai zurückblättern, da wäre 1984 zu nennen, auch die 70er-Jahre hatten einige solche Kaliber im Programm. Wenn man zur Monatsmitte bereits mit relativer Sicherheit solche Vergleiche anstellen kann, dann muss die nordhemisphärische Zirkulation ziemlich kaputt und eingefahren sein. In der Tat gibt es aus dem aktuellen Muster so schnell keinen Ausweg. Und wir bekommen erneut nach 2018 vorgeführt, welche Spätfolgen ein Sudden Stratospheric Warming im Spätwinter mit entsprechender Polarwirbelschwächung oder -verschiebung nach sich ziehen kann – diesmal einfach ins andere Extrem.

So präsentiert sich die aktuelle Situation mit der grossräumigen Druck- und Windverteilung:

Wir sehen von Neufundland bis Südosteuropa nur Tiefdruckgebiete. Das Azorenhoch ist an seinem Stammplatz und dazwischen liegt eine stramme Westströmung derart auf die Alpen gerichtet, dass so mancher Herbst- oder Wintermonat vor Neid erblassen könnte. Stand heute und inkl. Prognose für die nächste Woche kommen wir in diesem Monat bereits auf 15 Tage des Grosswettertyps West plus drei Tage Tief Mitteleuropa. Das erstaunt, ist doch der Mai im Jahresverlauf derjenige Monat mit dem geringsten Anteil Westlagen (ca. 15 % in den letzten 30 Jahren). Was also ist die Ursache für diese aussergewöhnliche Zirkulation?

Wie die treue Leserschaft dieses Blogs längst weiss, sind starke Temperaturunterschiede auf kleinem Raum Antreiber für Tiefdruckentwicklungen. Schauen wir uns also mal die Verteilung der Temperaturanomalien des aktuellen Monats bis zum heutigen Tag an:

Es sieht immer noch gleich aus wie im April: Europa ist der nordhemisphärische Kältepol, während von Westrussland über Sibirien bis in die Arktis aussergewöhnliche Wärme vorherrscht, ebenso über dem Kanadischen Archipel. Über einen derart langen Zeitraum sind das bemerkenswerte Anomalien und ein weiteres Beispiel dafür, dass einmal eingefahrene Zirkulationsmuster immer persistenter werden. Erwärmt sich die Arktis, weicht die Kaltluft einfach irgendwo nach Süden aus und fühlt sich dort wohl – über dem Nordmeer wird sie auch nicht so schnell durch die Sonne aufgewärmt wie dies über einer Landmasse der Fall wäre. Folge ist über dem Atlantik und Europa eine nach Süden verschobene Frontalzone, wobei wir im Mai über den Subtropen ja bereits heisse Luftmassen in Hülle und Fülle haben – der Temperaturgegensatz ist gegeben und somit auch der Motor für Tiefdruckgebiete und starke Westwindzirkulation. Zu sehen ist dies am Beispiel einer Tiefdruckentwicklung in den nächsten Tagen über dem westlichen Nordatlantik:

Am Mittwoch liegt das frischgebackene Tief nördlich der Azoren und saugt Polarluft von Grönland her an (blauer Pfeil), während das Azorenhoch subtropische Luftmassen beisteuert (gelber Pfeil). Das Tief verstärkt sich somit weiter und zieht mit dem Jetstream nach Europa. Am Sonntag liegt es bereits über der Nordsee und ist für die spezielle Würze unseres Pfingstwetters zuständig:

Und wir sehen: Auf dem Nordatlantik steht schon das Nachfolgetief bereit, das wiederum Polarluft ansaugt und so weiter und so weiter… Da nützt es nichts, dass über der Sahara Backofenluft bereit steht: Der Tiefdruckkomplex ist zu mächtig und zu südlich, die warmen Luftmassen ziehen südlich der Alpen nach Osten und stützen das Hoch über Russland, das weiterhin Warmluft in die Arktis hochschaufelt: Ein immerwährender Teufelskreis, der noch wochenlang andauern kann, bis die Polarluft dann doch endlich von der Sonne und dem warmen Golfstrom weichgekocht wird.

Langer Rede kurzer Sinn: West- und Nordwestlagen werden uns noch eine Weile begleiten. Dabei ist es bei uns nicht nur kühl und häufig nass, sondern für die Jahreszeit auch aussergewöhnlich windig. Jedes knapp nördlich von uns durchziehende Tief steuert sein Westwindfeld genau über uns hinweg, so auch am Montag:

Die 75 km/h Mittelwind in 1400 m Höhe werden mit Unterstützung von Höhenkaltluft locker als Böen in die Niederungen gemischt, insbesondere in Begleitung von gewittrigen Schauern. Der Begriff „gewittrige Schauer“ wird hier ganz bewusst gewählt, denn von sommerlichen Gewittern sind wir in der kalten Luftmasse weit entfernt. Die Schneefallgrenze sinkt am Montagmorgen gegen 1000 m, Graupel ist auch weiter unten durchaus möglich. In diesem Stil geht das am Dienstag und Mittwoch weiter, wenn auch mit etwas weniger Wind. Bei Höchsttemperaturen von etwa 10-12 Grad am Mittwoch ist das aber auch nicht wirklich angenehmer.

Und dann kommt es: das Zwischenhoch am Donnerstag. Wobei am Morgen zuerst noch die Reste der letzten Kaltfront aus dem Osten der Schweiz verschwinden müssen, während am Nachmittag und Abend aus Westen bereits die Schleierwolken der nächsten Warmfront aufziehen. Dieses kurze Sonnenfenster und vor allem der windschwache Tag ist also mit Verstand zu geniessen. Denn am Freitag zieht zwar mal eine etwas wärmere Luftmasse über uns hinweg, wahrscheinlich ist es aber bereits wieder bedeckt und in der zweiten Tageshälfte setzt neuer Regen ein. Und danach kommt, was wir bereits kennen: West- bis Nordwestwind, Kälte, Regen, Pfingstwetter vom Feinsten eben…

Nein, ein toller Frühling wird das nicht mehr. Gut, dass am 1. Juni der meteorologische Sommer beginnt. Wobei: Dem Wetter wird’s wahrscheinlich egal sein…

Sturm-, Schnee- und Frostvorschau 05.-08.04.2021

Der letzte April-Schneefall ist erst zwei Jahre her: Muri bei Bern am 04.04.2019

Wenn die Klimaerhitzung sicht- und spürbar wird, dann ganz bestimmt an den immer früher auftretenden sehr warmen Witterungsabschnitten im Frühling. Traten die ersten frühsommerlichen Phasen mit Temperaturen über 20 Grad im letzten Jahrhundert meist im letzten April-Drittel auf (im Meteorologenjargon EAW = End-April-Wärme genannt), so haben sie sich in den letzten 15 Jahren immer häufiger nach vorne verschoben (2007, 2009, 2011, 2014, 2018, 2020) und in diesem Jahr war es also bereits Ende März so weit. Doch eines hat sich nicht verändert: Heftige Kälteeinbrüche mit Schnee und Frost kommen im April nach wie vor häufig vor, im Schnitt alle zwei Jahre. Die Vegetation steckte früher solche Spätfröste locker weg, weil sie meist erst danach in die kritische Blühpase eintrat. Mit den immer milderen Wintern und früheren Wärmephasen blüht es aber heute im Schnitt zwei Wochen früher – meist genau dann, wenn sich der obligate Kälteausbruch aus der Arktis zu uns auf den Weg macht. Dies ist auch 2021 wieder der Fall.

Schauen wir uns die grossräumige Druckverteilung und Windströmungen in rund 5000 m Höhe am Ostermontag an:

Zwischen einem kräftigen, meridional ausgerichteten Hoch über dem Nordatlantik und einem umfangreichen Tiefdrucksystem über Skandinavien stellt sich eine starke Nord- bis Nordwestströmung ein, die genau von Grönland nach Mitteleuropa gerichtet ist. Die frühsommerliche Luftmasse wurde bereits am Karfreitag durch gemässigte Polarluft ersetzt, nun folgt als nächste Stufe arktische Kaltluft – die kältestmögliche Luftmasse, die uns zu dieser Jahreszeit erreichen kann. Dies auch, weil die Temperaturen in Grönland in den letzten Tagen aussergewöhnlich tief waren: Mit -63.9 °C wurde an der Station Summit auf dem grönländischen Eisschild in 3200 m Höhe ein neuer Rekord für das letzte Märzdrittel gemessen.

Der Ostermontag beginnt freundlich, trotz zunehmenden Schleierwolken zeigt sich zunächst noch häufig die Sonne. Der Westwind beginnt auf den Bergen bereits am Vormittag anzuziehen, ab Mittag wird er auch im Flachland deutlich spürbar:

Die maximale Böigkeit wird kurz vor dem Eintreffen der Kaltfront am späten Nachmittag erreicht. Da es sich dabei nicht wie gewohnt um Südwest- sondern Westwind handelt, ist durch Kanalisierungseffekte mit den stärksten Böen entlang des Hochrheins bis zum Bodensee zu rechnen, hier dürften vielerorts Böen um 80 km/h erreicht werden. Das gilt natürlich auch für die erhöhten und exponierten Lagen des Mittellands und etwas später für die Engstellen an den Eingängen zu den Alpentälern. Alles in allem kein extremer Sturm, aber für die Jahreszeit doch bemerkenswert.

An der Kaltfront ist die Labiliät wahrscheinlich knapp nicht ausreichend für Gewitter, denn die Höhenkaltluft hinkt der Bodenkaltluft ein wenig hinterher. Ausschliessen kann man vereinzelte Blitze trotzdem nicht, denn die durch Turbulenzen verursachte zusätzliche Hebung kann die fehlende Labilität teilweise wettmachen. Markant wird der Temperatursturz an der Kaltfront von 10-12 Grad innerhalb kurzer Zeit mit dem Windsprung auf Nordwest sein, und damit sinkt die potenzielle Schneefallgrenze am Abend bis in die tiefsten Lagen. Potenziell deshalb, weil es hinter der Front im Flachland rasch trocken wird. Vielleicht fällt noch kurz etwas Schnee, der aber aufgrund der warmen Böden kaum lange liegenbleiben wird. Anders sieht es in leicht erhöhten Lagen im Nordstau der Alpen aus: Hier schneit es bis weit in die Nacht hinein, sodass etwa im Zürcher Oberland, im Entlebuch und Emmental ein paar Zentimeter bis Dienstagmorgen überleben werden, weiter oben an den Voralpen und in den Alpentälern sowieso.

Dienstag und Mittwoch stehen dann ganz im Zeichen spätwinterlichen Rückseitenwetters mit starkem Nordwind in den Bergen, stürmischem Nordföhn auf der Alpensüdseite und immer wieder Schnee- und Graupelschauern bis ganz runter. Auch hier gilt: Tagsüber ist es in den Niederungen zu warm, als dass der Schnee länger liebenbleiben kann, ab etwa 600 m aufwärts ist aber mit stetigem Neuschneezuwachs zu rechnen, der in den Bergen für die Jahreszeit durchaus beträchtlich ausfallen wird. Die kälteste Höhenluft mit unter -40° in 500 hPa erreicht uns am Mittwoch, dann dürfte die Labilität auch für Schnee- und Graupelgewitter ausreichen. Zur Veranschaulichung hier der Weg, den die Luftmasse in diesen Tagen zurücklegt:

In der Nacht auf Donnerstag schiebt sich von Westen her ein Hochdruckkeil zur Alpennordseite und löst die Wolken auf. Mit dem Aufklaren werden derzeit Tiefstwerte im Flachland verbreitet um -2 bis -4 Grad gerechnet, in Muldenlagen dürfte es wohl noch einiges tiefer gehen, in Bodennähe sowieso. Am Donnerstag wird es zwar sonnig, die eingeflossene Kaltluft erwärmt sich aber nur langsam. Erst am Freitag soll aus Westen etwas mildere Luft einfliessen, die Nacht auf Freitag wird aber wahrscheinlich noch mal frostig.

In der Folge soll sich das Temperaturniveau auf etwa jahreszeit-üblichen Werten einpendeln, natürlich mit den entsprechenden Unsicherheiten:

Und zum Schluss noch die Ironie der Geschichte: Wenn die gesamte arktische Kaltluftmasse nach Süden ausbricht, entsteht ein Vakuum, das aufgefüllt werden muss, und das kann am Nordpol nur aus südlicher Richtung geschehen – die Kaltluft wird also durch wärmere Luft ersetzt. Das geschieht von zwei Seiten: In Grönland vom amerikanischen Kontinent her, nördlich von Europa von Südrussland her. Und schon ist es dort oben für die Jahreszeit aussergewöhnlich warm – so warm, dass sogar die Skala gesprengt wird (min. 20 Grad über der Klimanorm):

Das extreme Auf und Ab der Temperaturen ist also nicht nur ein Einzelschicksal Mitteleuropas…

Sturmvorschau 11.-16.03.2021

Sturmopfer auf der Alp Ergeten im Tössbergland, Folge des Sturms „Niklas“ am 31.03.2015

Nach einer aussergewöhnlich ruhigen Wintersturmsaison tut sich jetzt zu einem recht späten Zeitpunkt doch noch was. Zwar sind auch die anstehenden Stürme nicht vergleichbar mit den schadbringenden Expemplaren etwa aus dem Februar 2020, der ungewöhnliche Zeitpunkt und die Entstehungsgeschichte scheinen aber dennoch eine nähere Betrachtung wert. Und es kann auch nicht schaden, diesem Blog nach Wochen bzw. Monaten der Ereignislosigkeit wieder etwas Leben einzuhauchen – und sei es nur um in Erinnerung zu rufen, dass es ihn immer noch gibt 😉

Nach dem üblichen Weihnachtstauwetter und dem Auftreten einer plötzlichen Stratosphärenerwärmung mit erheblicher Störung des Polarwirbels zum Jahreswechsel ging in Sachen Weststüme in Europa gleich gar nichts mehr. Umso erstaunlicher ist, dass jetzt, wo wir auf das statistisch jahreszeitliche Minimum von Westlagen zusteuern, Mitte März noch ein klassischer Wintersturm auftritt. So präsentiert sich die aktuelle Lage mit Druckverteilung und Windströmung in rund 5000 m Höhe:

Ein starkes Westwindband zielt von Nordamerika her über den Atlantik genau auf Mitteleuropa zu und bestimmt unser Wetter in den nächsten fünf Tagen. Nachhaltig ist diese Westlage nicht, denn dazu ist das Zirkulationsmuster gesamthemisphärisch betrachtet zu meridional, was im Frühling auch völlig normal ist. Daher mag es paradox erscheinen, dass ausgerechnet eine meridionale Zirkulationsform späte Weststürme hervorbringt. Rufen wir uns in Erinnerung, was die Tiefdruckentwicklung ankurbelt: Extreme Temperaturdifferenzen auf engem Raum. Verfolgen wir das jetzt uns besuchende Tief bis zu seiner Entstehung zurück, dann finden wir dies:

Am vergangenen Wochende herrschte über den Oststaaten der USA eine stramme Nordlage, die arktische Luftmassen bis nach Florida brachten, wo sie auf den warmen Golfstrom trafen – und prompt entstand dort an der Luftmassengrenze ein kleines Tief, das sich in den letzten Tagen zu unserem Sturmtief über dem Nordatlantik entwickeln konnte. Natürlich braucht es dann auch noch einen einigermassen gesunden Jetstream, der die ganze Geschichte nach Europa transportiert. Fast identisch war übrigens die Wetterlage und Entstehungsgeschichte des Sturms am 31. März 2015, der vor allem in den Voralpen erhebliche Schäden hinterliess. Ganz so schlimm wird es diesmal aber nicht…

Heute nimmt im Warmsektor der Südwest- bis Westwind allmählich zu, lokal kann es im Mittelland bereits zu Sturmböen kommen. Das Maximum ist mit der Kaltfront zu erwarten. Diese erreicht die Nordwestschweiz am späten Nachmittag und rauscht dann bis zum Abend zügig über die gesamte Alpennordseite hinweg. Dabei ist verbreitet im Flachland mit Böen von 60 bis 80 km/h zu rechnen. An etwas erhöhten Stellen sowie an Orten mit Kanalisationseffekten wie z.B. am Hochrhein oder am Jurasüdfuss sowie an den Eingängen zu den Alpentälern sind auch 100 km/h möglich, auf den Jura- und Voralpengipfeln 130 km/h. Dies entspricht einem Sturm, der in dieser Stärke alljährlich auftritt, allerdings selten so spät in der Saison. Begleitet wird er von kräftigen Schauern, die Schneefallgrenze sinkt rasch von 2000 auf 1000 Meter. Auch wenn einzelne Modelle die Möglichkeit anzeigen: Für Blitz und Donner ist die Labilität wahrscheinlich knapp nicht ausreichend, die Höhenkaltluft hängt der Bodenkaltfront etwas hinterher.

Genügend Labilität für Graupelschauer und Gewitter wäre theoretisch am Freitag vorhanden, allerdings scheint die Luft zu trocken – so kommt es wohl nur einzelnen und wenig ergiebigen Schauern mit einer Schneefallgrenze um 700 m. Dazu bleibt es windig.

Die nächste Kaltfront mit Sturm steht am Samstag an:

GFS ist recht zurückhaltend, was das Übergreifen und die Stärke auf der Alpennordseite betrifft. ICON ist da wesentlich progressiver, sodass man zumindest damit rechnen muss, dass der Sturm am Samstag gleich stark oder vielleicht sogar etwas stärker ausfällt als jener vom Donnerstag. Sicher abschätzen kann man das aber erst zeitnah, man beachte diesbezüglich die Kurzwetterberichte auf meteoradar.ch

Sicher ist hingegen, dass diese Kaltfront noch kühlere Luft bringt und die Schneefallgrenze in der Nacht auf Sonntag auf etwa 500 m sinkt. Die kälteste Luftmasse ist dann am Sonntag tagsüber bei uns, mit ordentlich Höhenkaltluft wie noch selten im vergangenen Winter ist mit Schnee- und Graupelschauern zu rechnen, auch Gewitter sind nicht ausgeschlossen. Dabei können auch lokal noch mal Sturmböen auftreten.

ICON zeigt einen weiteren Sturm in der Nacht auf Montag bzw. Montagmorgen, GFS will davon allerdings nichts wissen bzw. zeigt nur gemässigt starken Wind mit Schneefall bis in die Niederungen. Jedenfalls ist im Berufsverkehr mit winterlichen Strassenverhältnissen zu rechnen. Stürmisch wird es am Montag aber mit Sicherheit in den Alpen bzw. auf der Alpensüdseite mit ordentlich Nordföhn.

Die Modelle sind sich bezüglich einer recht kalten Nordlage nächste Woche inzwischen einig, Fragen gibt es allerdings noch bezüglich trocken oder nass. Auf jeden Fall bleiben Frühlingsgefühle bei mässigen Nachtfrösten und Tagestemperaturen nur wenig über dem Gefrierpunkt mal für eine Weile aussen vor…

Sturmvorschau 24.-28.12.2020

So könnte es am 26.12. aussehen – dem möglicherweise kältesten Morgen des Jahres 2020

Zugegeben, es gab schon heftigere Stürme als das, was uns bevorsteht. Doch angesichts der aktuellen Lage und den Plänen vieler Familien, Weihnachten aus bestens bekannten Gründen dieses Jahr im Freien oder sogar im Wald feiern zu wollen, soll doch auf gewisse Risiken aufmerksam gemacht werden. Zudem ist die Wetterlage durchaus interessant, dringt doch zufälligerweise genau zu Weihnachten Kaltluft aus Norden zu uns, in einem Monat, der sonst von südlichen Wetterlagen geprägt ist. So handelt es sich bei diesem Wintereinbruch denn auch nur um ein kurzes Gastspiel.

Wenn die Wetterlage kurzfristig so extrem auf den Kopf gestellt wird, so sind die Gründe dafür doch immer wieder interessant:

Der relativ kleine, aber sehr effektive Kaltluftausbruch direkt vom Nordpol bis zu uns ist nur möglich, weil sich über dem Nordatlantik, wo in den letzten Wochen permanent Tiefdruck herrschte, sich genau jetzt ein kräftiges Hoch aufplustert. Dieses wiederum entsteht als Folge eines anderen scharfen Kaltluftausbruchs aus der kanadischen Arktis in Richtung Neufundland. Das dort aufgrund des markanten Temperaturunterschiedes entstehende Tief führt karibische Warmluft weit nach Norden und schon werden die Druckverhältnisse im Nordatlantik ins Gegenteil verkehrt: Die Grosswetterlage in Europa wechselt abrupt von Südwest auf Nordwest bis Nord. Sobald der Warmluftstrom von der Karibik abreisst und die kanadische Kaltluft über dem Nordatlantik ihren Platz beansprucht, wird die „alte Ordnung“ des Winters 2020/21 wieder hergestellt und der nächste Atlantiktrog wird geboren.

Bereits in der Nacht zum 24. Dezember wird die wärmste derzeit über uns liegende Warmluft verdrängt, mit einer Kaltfront sinkt die Schneefallgrenze schon mal von über 2000 auf etwa 1200 Meter. Dank des kräftigen Südwestwinds bleibt die Abkühlung in den Niederungen aber noch moderat, womit wir beim eigentlichen Thema wären:

Aufgrund der Druckverhältnisse sind die stärksten Böen auf den Jurahöhen am Donnerstagmorgen zu erwarten, während Tageserwärmung und Durchmischung das Durchgreifen von Sturmböen bis in die Niederungen eher erst gegen Mittag den Höhepunkt erreichen dürfte, wenn der Regen mal pausiert. Die Modelle streuen noch stark, die stärkste Variante geht von verbreitet 50-60 km/h Böen in den Niederungen aus, in exponierten und hügeligen Lagen des Mittellands und der Nordschweiz sind bis zu 80 km/h möglich, auf den Jurahöhen etwa 100 km/h. Die gute Nachricht für alle, die am Abend draussen feiern möchten: Zumindest der Wind lässt in der zweiten Tageshälfte deutlich nach. Wetterfest anziehen muss man sich trotzdem, denn in den Abendstunden dreht der Wind auf Nordwest und die Temperatur sinkt spürbar, ebenso die Schneefallgrenze. In den Abendstunden wird der Regen von Nordwesten her oberhalb von 500 Meter in Schneefall übergehen. Bis es nach ganz unten für Schneeflocken reicht, muss man sich wahrscheinlich bis nach Mitternacht gedulden.

Am Morgen des 25. dürfte ausser in den tiefsten Lagen und in den warmen Städten wohl überall ein bisschen Schnee liegen. Die Luft trocknet im Tagesverlauf allmählich ab, im Flachland sind wohl nur noch kurze und eher unergiebige Schneeschauer zu erwarten, während am Alpennordhang bis zum Abend gut und gerne noch mal 10-20 cm Neuschnee zusammenkommen. In den Alpen herrscht jetzt starker Nordwind, der sich mit stürmischen Böen als Nordföhn in den Südtälern bemerkbar macht. Dort wird es denn auch im Lauf des Tages rasch sonniger.

Der 26. Dezember steht unter zunehmendem Zwischenhocheinfluss mit einer Divergenz genau über der Alpennordseite: Im Osten fliesst die Kaltluft nach Osten ab, in der Westschweiz herrscht Bise. Klart es bereits in der Nacht auf, dürfte der Morgen des 26. in den westlichen Landesteilen die Tiefsttemperatur des ganzen Jahres liefern, im Osten ist das wohl erst in der Nacht zum 27. der Fall – vorausgesetzt die Wolken des nächsten Tiefs halten sich in der Nacht noch zurück.

Ab Sonntag stellt sich wieder jene Wetterlage ein, die uns von Anfang Dezember bestens bekannt ist: Ein kräftiges und nahezu stationäres Tief über den Britischen Inseln sorgt für einen Föhnsturm in den Alpen, im Westen und Süden setzt am Abend bereits wieder Niederschlag ein, der sich im Lauf des Montags allmählich auch in die Deutschweiz voran arbeitet. Die um das Tief herumgeholte, vom Atlantik aufgewärmte Polarluft macht immer noch dasselbe wie Anfang Dezember: Es pflotscht in den Niederungen beidseits der Alpen. Am Alpensüdhang ist bis Mittwoch mit mindestens 100 mm Niederschlag zu rechnen, also weit über einen Meter Neuschnee in höheren Lagen. Wie das nördlich des Alpenhauptkamms aussehen wird, muss noch etwas abgewartet werden. Die genaue Position des Tiefs wird darüber bestimmen, wie stark die Föhneffekte sind und wie viel Feuchte aus Süden über die Alpen gelangen kann.

Wir danken für das Interesse im zu Ende gehenden Jahr, wünschen allen trotz den schwierigen Umständen schöne und besinnliche Festtage, guten Rutsch und vor allem: Bleibt gesund!

Gewittervorschau 13.-19.08.2020

Starkes Gewitter nördlich von Bern mit nassem Downburst (97 km/h an der Messstation Zollikofen), am 12.08.2020

Eine Frage drängt sich Mitte August immer auf: Verabschiedet sich der Hochsommer mit Getöse und endgültig, oder schleicht er sich heimlich davon, um dann vielleicht doch durch die Hintertür noch mal vorbeizuschauen, wie in den letzten Jahren öfters vorgekommen? Derzeit macht es den Eindruck, als würde er des Hauses verwiesen, sich aber mit diesem Verdikt nicht zufrieden geben und unter Protest und Krawall noch mal Einlass erzwingen zu wollen. Kurzum: Bis in die nächste Woche und vielleicht noch darüber hinaus bleibt es in der Wetterküche spannend. Die Zutaten für ordentliche Gewitterlagen sind jedenfalls noch lange nicht Mangelware und versprechen noch einige Überraschungen – ob man solche mag oder nicht, sei jedem selbst überlassen.

Die Ausgangslage zeigt die seit Tagen flache Druckverteilung über fast ganz Europa. Was gegenüber den letzten Tagen ändert, ist die Abschwächung und gleichzeitige Verdrängung des Höhenrückens, der noch häufig als Deckel für die Gewitterentwicklung im Flachland gewirkt hat, nach Osten:

Das vor der Biskaya liegende Tief verstärkt sich in den kommenden Tagen nach und nach, womit ein schleichender Umbau der Grosswetterlage stattfindet und wahrscheinlich in eine längere GWL „Südwest zyklonal“ mündet. So lange sich dieses Tief nicht weiter nach Osten bewegt, verbleiben wir im wechselhaften Bereich zwischen sehr warmer Subtropikluft aus südlichen Richtungen und zeitweise westlich und südlich um das Tief herumgeführter, erwärmter Polarluft. Wie so oft bei solchen Lagen können geringe Verschiebungen der Druckzentren darüber entscheiden, ob wir mehr Warm- und Kaltluft abbekommen, entsprechend ist die nachfolgende Prognose eine Momentaufnahme und nicht in Stein gemeisselt – tageweise Verschiebungen der Witterungsabläufe sind einzuplanen.

Für heute Donnerstag kann man noch mal mit einem ähnlichen Verlauf wie am Vortag rechnen: Zwar ist es nicht mehr ganz so heiss, aber nach wie vor schwül. Durch die Abschwächung des Höhenrückens wird die Sonneneinstrahlung durch mehr Wolkenfelder und somit die Erwärmung der bodennahen Luftschicht etwas gebremst, was aber durch etwas kältere Höhenluft wettgemacht wird: Die Labilität ist nach wie vor sehr hoch. Ab Mittag geht es somit wieder los mit ersten, vorerst lokalen Schauern und Gewittern im Bergland. Für den Abend wird aus Westen mehr Aktivität modelliert, wenn auch zeitlich und von der Intensität alles Andere als einheitlich. Ein ähnlicher Ablauf wie gestern ist einzuplanen, es besteht also wieder das Potenzial sehr plötzlich entwickelnder Starkgewitterzellen, die sich je nach sich zufällig ergebenden Bodenkonvergenzen mehr oder weniger gut organisieren können. Hauptgefahr bleibt dabei der Starkregen und lokal auftretende „wet downbursts“, also durch starke Niederschlagsabkühlung sich am Boden vom Gewitter weg ausbreitende Sturmböen. Dichter Hagel ist als Begleiterscheinung möglich, dürfte aber von der Korngrösse her eher im kleineren Bereich bleiben.

In der zweiten Nachthälfte bzw. am Freitagmorgen zieht eine schwache Kaltfront durch und verdrängt die schwül-warme Luft aus dem Mittelland:

Das geht möglicherweise mit etwas flächigerem Regen mit eingelagerten Gewittern einher – dass es dabei aber überall nass wird, ist nicht garantiert. Die rückseitige Labilität sorgt tagsüber noch für einige Schauer, und wo sich inneralpin Warmluftreste halten konnten, ist auch noch mal mit dem einen oder anderen Gewitter zu rechnen. Zum Abend sollte es aber weitgehend trocken werden.

Zum Wochenende wölbt sich der Höhenrücken genau über der Schweiz noch mal etwas auf und sorgt für eine ruhigere Phase:

Die Labilität wäre zwar ausreichend für Gewitter, am Samstag sollte der Deckel aber weitgehend halten. Ein paar Entwicklungen in den Bergen sind zwar möglich, sollten sich aber lokal begrenzen und eher von kurzer Dauer sein. Am Sonntag wird es dann bereits wieder heiss genug, um den Deckel etwas häufiger zu durchbrechen. Vor allem zum Abend hin steigt das Gewitterpotenzial an, das muss man aber zeitnah genauer betrachten.

Am Montag steht die nächste Kaltfront an:

Hier wird die Gewitteraktivität vor allem vom tageszeitlichen Eintreffen abhängen, das auf diese Zeitspanne noch nicht festgelegt werden kann. Kommt die Front in den frühen Morgenstunden, wird es etwa ähnlich harmlos ablaufen wie am Freitag (die beteiligten Luftmassen vor und nach der Front sind dieselben). Sollte es aber eine Verzögerung in den Tag geben, sodass die Sonne vor der Front noch lange genug aufheizen kann, ist Unwetterpotenzial gegeben.

Für Dienstag und Mittwoch wird es unsicher. Das amerikanische Modell lässt das Höhentief genau über die Schweiz ziehen, womit schon fast Aprilwettercharakter auftritt: Kühl, wechselhaft und schaueranfällig, wobei die Höhenkaltluft Labilität für Gewitter liefern könnte. Die anderen Modelle lassen das Tief weiter nördlich ziehen, womit der Alpenraum in höherem Geopotenzial und wärmerer Höhenluft verbleiben würde. Das Resultat wäre spätsommerlich temperiertes Wetter mit wahrscheinlich nur lokalen Schauern und Gewittern. Diese Unsicherheit zeigt sich auch im GFS-Ensemble, wo der Hauptlauf die kälteren Lösungen vertritt – auch was die nachfolgende Erholung betrifft: trocken-kühl oder trocken-warm bis sogar wieder heiss?

Man sieht: Die Frage, ob sich der Hochsommer nächste Woche geschlagen gibt, lässt sich noch nicht beantworten.

Gewittervorschau 31.07.-06.08.2020

Aufziehendes Gewitter am 01.08.2012 über dem Gurten bei Bern

Zwar schauen wir im Rahmen dieses Blogs wie gewohnt auf eine ganze Woche, doch das Hauptaugenmerk richtet sich diesmal auf den Bundesfeiertag. Wenngleich kaum grössere Feiern und Feuerwerke stattfinden, so ist doch mit vielen Zuhausegebliebenen das Interesse am Wetter während der zahlreichen privaten Aktivitäten gross. Wir können es vorweg nehmen: Die privaten Feuerwerke werden wahrscheinlich vielerorts Konkurrenz von oben bekommen. Die Lage ist allerdings synoptisch komplex und derart vertrackt, dass die Modelle vogelwild herumrechnen. Daraus eine konkrete Prognose zu basteln, ist nicht ganz einfach…

Doch gehen wir Reihe nach. Die Ausgangslage zeigt eine schwaches Hoch über Mitteleuropa, das sich am Samstag allmählich verabschiedet und zunehmend einem Trog über Westeuropa den Einfluss überlässt:

Am Freitag liegt der Höhenrücken genau über der Schweiz und deckelt daher die meisten Entwicklungen. Lokale Auslöse ist nur orgraphisch unterstützt dort möglich, wo die Bodenheizfläche sehr hoch liegt, also in den Alpen. Die Gewitter werden allerdings nicht so gehäuft und kräftig auftreten wie noch am Donnerstagabend – manche Modelle lassen es sogar gänzlich trocken, woran die Erfahrung aus früheren Jahren mit sehr heissen Tagen jedoch zweifeln lässt. Feuchte und Energie ist dort jedenfalls genug vorhanden, das zeigten die Wolkenfelder heute Morgen an. Wahrscheinlich entstehen verstreut einige kurzlebige Schauer, von denen auch mal der Eine oder Andere elektrisch werden kann. Allerdings ist auch nicht völlig ausgeschlossen, dass irgendwo durch zufällige Konvergenzen der Deckel durchbrochen wird und ein einzelnes, kräftiges Gewitter entsteht.

Kommen wir nun zur Komplexität der Wetterlage am 1. August 2020. Die vorhandene Luftmasse ist heiss und sehr energiereich, zudem wird sie in mittleren Höhen bereits im Lauf des Morgens stark angefeuchtet. Die Modelle sind diesbezüglich noch stumm, aber bei solchen Voraussetzungen braucht es für Morgenkonvektion nur wenig – es sei hier vorsichtshalber einfach erwähnt. (Nachtrag: Doch, der neueste Cosmo-Lauf deutet jetzt etwas an). Jedenfalls sollte man sich von den tagelang geschürten Vorstellungen eines sonnigen, heissen und trockenen 1. August verabschieden – übrig bleibt davon nur: heiss. Hinzu kommt: schwül. Einen angenehmen Sommertag stellt man sich gemeinhin anders vor…

Nun müssen wir also mal wieder abwarten, was am Morgen geschieht, denn das wird Auswirkungen auf den ganzen Rest des Tages haben. Sollten bereits am Morgen Gewitter durchs Mittelland und über den Jura ziehen, hat man dort zumindest bis zum späten Nachmittag mal Ruhe. Ist es am Morgen trocken und kann die Sonne voll einheizen, so geschieht das, was einige Modelle zeigen: Bereits ab Mittag können über dem Jura kräftige Gewitter entstehen. Sie ziehen mit dem südwestlichen Höhenwind auf der klassischen Juraschiene. Gegen diese Variante spricht allerdings das Bodentrögli nördlich von uns:

Tiefer Luftdruck über Deutschland und hoher über Frankreich hat unweigerlich zur Folge, dass der Wind in den unteren Luftschichten auf Nordwest dreht und bodennah trockenere Luft einfliessen lässt. Jetzt fragt sich nur: Zu welchem Zeitpunkt geschieht dies? Würgt dies die Gewitter in der Nordwestschweiz und im Jura gleich gänzlich ab oder geschieht die Entwicklung abgekoppelt von der Grundschicht einfach aus der feuchteren mittleren Schicht? Das wäre bei dieser Hitze brandgefährlich hinsichtlich heftiger Downbursts. Es ist jedenfalls angebracht, die Entwicklung sehr gut im Auge zu behalten und bei Anzeichen eines sich nähernden Gewitters alles reinzuräumen, was nicht niet- und nagelfest ist.

Gegen Abend dreht dann auch der Wind in den mittleren Luftschichten auf West bis Nordwest, somit verlagert sich der Schwerpunkt der Gewitter an den Alpennordhang. Dieser Punkt ist derjenige, der noch am sichersten zu prognostizieren ist. Heftige, allmählich verclusternde Gewitter am Alpennordhang und inneralpin mit Starkregen und allenfalls dichtem, kleinkörnigem Hagel zeigen fast alle Modelle für den Abend. Worüber sich die Modelle allerdings überhaupt nicht einig sind, ist die Verlagerungsrichtung dieser Cluster, weil der steuernde Höhenwind nicht einheitlich berechnet wird. Manche Modelle belassen ihn auf Südwest, wodurch die Gewitter auch aus den Voralpen ins benachbarte Mittelland ziehen können (es gibt sogar Varianten, welche die Gewitter nach Norden ziehen lassen). Wiederum andere sehen eine frühere Drehung auf West bis Nordwest, was die Cluster mehr in die Alpen hineintreibt, in diesem Fall hätte das Mittelland nur noch allfällige Entwicklungen aus dem Jura (die am Abend wegen den oben geschilderten Umständen unwahrscheinlicher werden) zu befürchten. Alles in allem also Chaos pur in der Modellwelt und daher reine Nowcasting-Sache. Wir werden so gut wie möglich im Kurzwetterbericht unter dem Radar die kurzfristigen Entwicklungen und daraus resultierende Aussichten aktualisieren.

Am Sonntag zieht aus Nordwesten eine Kaltfront auf:

Da steht ein mehrheitlich stark bewölkter und regnerischer Tag an. Die Reste der schwül-heissen Luft lagern noch in den Alpentälern und werden durch den Nordwestwind angehoben, hier und vor allem an der Alpensüdseite ist daher mit weiteren kräftigen und niederschlagsreichen Gewittern zu rechnen. Im Lauf des Nachmittags stabilisiert es von Nordwesten, im Flachland wird es somit bald trocken, während die Hauptaktivität in den Alpen und im Süden am Abend zu erwarten ist.

Am Montag bekommen wir klassisches Rückseitenwetter mit labilisierender Höhenkaltluft. Ob daraus nur Schauer oder doch Gewitter resultieren, hängt hauptsächlich davon ab, wie gut sich bodennah vor allem in den Alpen noch Reste der schwülen Luft halten konnten. Unwetterartige Entwicklungen sind aber kaum noch zu erwarten. Im Tessin wird es mit zunehmendem Nordföhn trocken.

Dienstag ist dann Durchlüften angesagt. Zunehmender Hochdruckeinfluss aus Westen lässt es abgesehen von ein paar schwachen Schauern in den Ostalpen trocken bleiben, die Temperaturen bleiben deutlich unter 25 Grad. Am Morgen kann es – abhängig davon, ob es in der Nacht zuvor bereits aufklart, sogar recht frisch werden.

Der Mittwoch scheint der stabilste Tag der Woche zu werden. Ein neues Hoch baut sich auf und trocknet alle Restfeuchte von oben ab. Die Temperaturen steigen wieder in den normalen sommerlichen Bereich etwas über 25 Grad.

Die weitere Entwicklung ist noch nicht ganz klar. Einige Modelle zeigen seit Tagen ein stabiles Hoch über West- bis Mitteleuropa, das mit Luftmassen aus Süden die nächste Hitzewelle einleitet, die dann auch etwas länger anhalten könnte. Wir haben allerdings einen Westlagen-Sommer und der Siebenschläfer-Zeitraum ist noch nicht vorüber. Es würde daher nicht erstaunen, wenn jene Modelle Recht behalten, welche eher eine antizyklonale Westlage sehen. Auch diese bringt heisse Tage, aber weniger stabil und anfällig für zumindest vom Bergland ausgehende Gewitter.

Gewittervorschau 21.-27.07.2020

Aus Westen nichts Neues: So kann man kurz die Lage in diesem Hochsommer zusammenfassen. Die recht verlässliche Siebenschläfer-Regel, wonach sich die Anfang Juli etablierte grossräumige Zirkulation mehrere Wochen (es müssen nicht exakt sieben sein) hält, ist auch in diesem Jahr wieder eine Macht. Die spannende Frage während einer solchen Phase ist die, wie viele Anteile von Nordwest oder Südwest sich zwischendurch reinmischen. Letzte Woche war Nordwest dran, diese Woche ist es eher Südwest (wenn auch nur wenig), was sofort einen völlig anderen Witterungscharakter zur Folge hat, weil energiereichere Luftmassen ins Spiel kommen. Für alle, die es bisher vermisst haben: Endlich stellt sich eine mehrere Tage anhaltende potenzielle Gewitterlage ein. Diese kann sich allerdings jeden Tag ein wenig anders präsentieren.

Betrachten wir die grossräumige Ausgangslage mit den steuernden Druckgebieten und den Windströmungen in rund 5500 m Höhe, so sehen wir eine recht stramme Westströmung, die den gesamten Raum vom Nordatlantik bis weit nach Europa hinein dominiert:

Schaut man genau hin, so sieht man eine nordwestliche Höhenströmung von Grönland über Island und die Nordsee bis ins nördliche Mitteleuropa; sie bringt bereits seit Wochen mit nur kurzen Unterbrechungen sehr kühle Polarluft. Auf der anderen Seite zielt dank eines abgetropften Höhentiefs bei Portugal eine warme südwestliche Strömung in Richtung Alpen. Über Süddeutschland treffen diese unterschiedlichen Luftmassen in einer scharfen Grenze aufeinander, allerdings unter relativ hohem Luftdruck:

Die parallel zur Höhenströmung schleifende Bodenkaltfront ist nur wenig aktiv, verharrt bis Donnerstag mehr oder weniger in dieser Position, womit die Schweiz in der subtropischen Luftmasse verbleibt. Wozu eine solche fähig ist, haben wir bereits heute Morgen in weiten Teilen des Mittellands erleben dürfen: Kleinräumige, in den Modellkarten kaum erkennbare Kurwellentröge reichen aus, um diese schwüle Suppe auch ohne Sonneneinstrahlung hochkochen zu lassen. Wenn also in den Lokalmodellen in den frühen Morgenstunden schwache Niederschlagssignale auftauchen, so kann man fast mit Sicherheit davon ausgehen, dass sie sich wie heute früh als ausgewachsene Gewitter entpuppen werden. Wenn Modelle etwas nicht können, dann ist es Morgenkonvektion. Wäre schön, wenn die Modellentwickler da mal dran arbeiten würden…

Hat sich die Energie am Morgen mal entladen, hat man für eine gewisse Zeit Ruhe. Die Restwolken müssen sich erst mal verziehen und der Sonne Gelegenheit geben, die am Boden liegende Feuchte wieder hochzuziehen. Schauer und Gewitter am frühen Nachmittag gehen somit in erster Linie dort nieder, wo es am Vormittag trocken war. Die am Morgen bedienten Gebiete werden dann am Abend und der folgenden Nacht wieder beglückt. So in etwa sieht der jeweilige Tagesablauf der kommenden drei Tage aus – man muss also vom Wetter am Morgen auf den weiteren Verlauf schliessen. Dank der zügigen Höhenströmung bewegen sich die Gewitter sehr rasch, es kommt also nur selten zu stundenlangem Starkregen, die Überflutungsgefahr ist eher gering. Hagel ist eher kleinkörnig ein Thema, weil zwar eine starke Geschwindigkeitsscherung, aber keine Richtungsscherung herrscht (am Boden in etwa gleiche Windrichtung wie in der Höhe). Der Höhenwind kann in Begleitung von Gewittern mal in tiefe Lagen runtergemischt werden, mehr als „normale“ stürmische Böen sind allerdings bei den wenig organisierten Gewittern die Ausnahme.

Am Freitag ändert die Lage etwas, denn westlich von uns etabliert sich ein Zwischenhoch und drückt somit die kühlere Luftmasse aus Nordwesten gegen die Alpen:

Kaltfrontgewitter sind somit bereits Donnerstagnacht zu erwarten – wie aktiv, hängt wie oben erläutert von den Bedingungen tagsüber ab. Jedenfalls verlagert sich die Aktivität am Freitag an den Alpennordhang und in die Alpen: Länger anhaltender, zu Beginn noch gewittrig durchsetzter Stauregen ist zu erwarten. Gut möglich, dass der Schub aus Nordwesten zu schwach ist, um die Warmluftnester in den Alpentälern auszuräumen, dann sind inneralpin noch ganztags kräftige Gewitter möglich.

Am Wochenende und zu Beginn der neuen Woche wird es abenteuerlich, da die Abfolge der kurzwelligen Hochs und Tiefs in den Modellen zeitlich verschoben gerechnet wird. Möglich ist ein schwach wirksames Zwischenhoch am Samstag, das bereits am Sonntag von der nächsten Kaltfront verdrängt wird. Es gibt aber auch Rechungen, die es zwei bis drei Tage stabiler und hochsommerlich warm wollen, wie schon aktuell aber mit einer drohenden Luftmassengrenze knapp nördlich von uns. Mit dem daraus resultierenden Überraschungspotenzial müssen wir wohl oder übel noch längere Zeit leben müssen…

Gewittervorschau 10.-16.07.2020

Denjenigen, die das Wetter nicht nur mittels Blick aus dem Fenster, sondern auch auf Wetter- und Modellkarten verfolgen, erzähle ich hiermit wohl nichts Neues: Dieser Sommer ist ein typischer Westlagen-Sommer. Dabei verläuft der Jetstream mehr oder weniger glatt vom Nordatlantik bis Europa und mäandert nur wenig. Für unsere Witterung massgeblich ist bei solchen Lagen das Verhalten des Azorenhochs. Dieses liegt wie ein grosser, fetter Wal auf dem Nordatlantik. Atmet es ein, bläht es sich auf und wirkt bis in den Alpenraum. Atmet es aus, schrumpft es und wenn die Windrichtung stimmt, trifft uns gelegentlich der Wasserstrahl aus seinem Atemloch. Die letzten drei Tage hat der Wal tief eingeatmet: Wir hatten Hochdruckwetter. Freitag/Samstag atmet er aus, Sonntag/Montag atmet er ein, Dienstag/Mittwoch atmet er aus… die Fortsetzung kann sich jeder selbst denken.

Blicken wir auf die Karte mit den steuernden Hoch- und Tiefdruckgebieten und den Windströmungen in rund 5500 m, so sehen wir am Freitag das sich in die linke untere Schmollecke zurückgezogene Azorenhoch und ein umfangreiches Tiefdrucksystem über Nordeuropa mit mehreren Randtiefs. Eines davon ist für uns besonders interessant, es steuert nämlich in der Nacht auf Samstag eine Kaltfront zu uns: das kleine Tief über der Nordsee bzw. in der Bodendruckkarte heute noch über England:

Die Besonderheit hierbei: Es handelt sich um den ehemaligen Tropensturm „Edouard“ – aussergewöhnlich früh in der Saison hat er einen neuen Rekord aufgestellt: Noch nie wurden vor dem 10. Juli fünf Tropenstürme verzeichnet (sie waren allerdings allesamt schwach). Die dafür spezialisierten Wetterdienste prognostizieren eine sehr aktive Hurrikan-Saison, wir können uns also noch auf etwas gefasst machen – bringen diese ex-Tropentiefs doch regelmässig unser Wetter durcheinander. Betrachten wir die Trajektorien der Luftmasse für den Zeitpunkt Freitagabend auf dem Jungfraujoch, sehen wir einen lehrbuchhaften Weg, an dem sich das Verhalten von Luftpaketen in Hochs und Tiefs ablesen lässt:

Richten wir das Augenmerk auf die rote Linie, die sich am Freitagabend ungefähr auf Höhe des Jungfraujochs befinden soll (700 hPa = ca. 3200 m), so sehen wir, dass es sich hierbei um eine Luftmasse tropischen Ursprungs handelt, die im Schlepptau von „Edouard“ über den Atlantik zu uns gelangt. Heute Donnerstag ist sie im Hoch abgesunken und befindet sich knapp westlich der Schweiz, das ist die Luftmasse, die uns den heutigen Hitzetag beschert hat. Man sieht auch sehr schön, wie dieses Luftpaket im Verlauf des Freitags unter Tiefdruckeinfluss angehoben wird, unterstützend wirkt sicher auch die Hebung an den Alpen bei westlicher Anströmung. Alleine diese Luftmasse würde uns keine Gewitter bringen, denn durch das gestrige und heutige Absinken im Hoch ist sie völlig ausgetrocknet worden. Betrachten wir aber den Weg der Luftmassen in etwas höheren Schichten (600 und 500 hPa, grüne und blaue Linie), so sehen wir, dass da die Herkunft eine andere ist, nämlich rund um die Iberische Halbinsel, und dass diese schon länger wieder auf dem aufsteigenden Ast ist – sie ist entsprechend auch feuchter. Das Benzin für die Freitagsgewitter wird also nicht vom Boden, sondern in der Höhe geliefert.

Der Freitag beginnt noch sonnig, wenn auch mit den obligaten hohen Wolkenfeldern (welche die Anfeuchtung in der Höhe sichtbar machen), und es wird zunehmend schwül. Etwa um die Mittagszeit bilden sich die ersten Schauer und Gewitter in den Alpen (ja, wir haben Hochsommer, die bremsende Schneebedeckung fällt weg) und ziehen unter Verclusterung nach Nordosten. Es dürfte daher wohl Mitte Nachmittag werden, bis es auch an den Voralpen auslöst, und im Verlauf des Abends frisst sich die Entwicklung allmählich ins Mittelland. Grund dafür ist die bodennahe Winddrehung auf Nordwest, was eine Konvergenz mit dem Outflow aus den Alpen erzeugt:

Solche Konstellationen riechen schwer danach, dass die Nordwestschweiz, der Jura sowie die nördlichen und westlichen Teile des Mittellands weitgehend gewitterfrei ausgehen, während es vor allem den Voralpen entlang und im angrenzenden Hügelland zu Unwettern mit Starkregen, Hagel bis mittlerer Grösse und lokalen Sturmböen kommt. Die zuvor leer ausgegangenen Gebiete können in der Nacht eventuell noch etwas Regen von der nachrückenden Kaltfront erhalten, die Modelle sind hierbei aber recht widersprüchlich – was wohl auf einen Kompromiss mit nicht allzu ergiebigen und womöglich auch nicht flächendeckem Niederschlag hinausläuft. Also wohl wieder ein windiger Kaltfrontdurchgang wie schon letzten Montag mit örtlich stürmischen Böen vor allem vom Jurasüdfuss (Joran) bis zum Bodensee.

Am Samstagmorgen regnet es am Alpennordhang wohl noch verbreitet mit allmählich nachlassender Intensität. Tagsüber kommt es noch zu spärlichen Schauern, im Flachland lockert es bereits wieder auf.

Und am Sonntag atmet der Wal wieder tief ein… Es bildet sich eine Hochdruckbrücke knapp nördlich von uns, sodass Bise aufkommt. Bis inklusive Montag bedeutet das wieder ruhiges und mässig warmes Hochdruckwetter. Erst am Dienstagabend oder sogar erst am Mittwoch erreicht uns eine nächste Störung, deren Intensität aber wohl deutlich schwächer ausfällt – ob es da für Gewitter reicht oder ob die ganze Sache erneut weitgehend trocken abläuft, ist noch offen. Jedenfalls geht das Auf und Ab der Temperaturen in die nächste Runde. Man darf gespannt sein, was uns dieser Sommer noch so bringt… extreme Ausreisser von der Klimanorm sind weiterhin nicht in Sicht:

Gewittervorschau 26.06.-02.07.2020

Bern, 24.06.2016

Es gibt zum Glück immer noch einige zuverlässige Regeln im mitteleuropäischen Wetterkalender. Dazu gehört, dass uns im letzten Junidrittel der Hochsommer einen ersten Besuch abstattet, egal wie doof sich der Monat zuvor angestellt hat. Mit Hochsommer sind nicht nur Temperaturen deutlich über 25 Grad gemeint, sondern auch energiereiche Luftmassen, die mehr als nur die frühsommerlichen Schwachstromgewitter produzieren können, die sich hauptsächlich von der Labilität durch Höhenkaltluft ernähren. Es ist diese aktuelle Kombination aus Wärme und Feuchte, welche den Unterschied zu einer „normalen“ Gewitterlage ausmacht. Das Mehr an Wassergehalt einer Luftsäule und der stärkere Auftrieb bodennaher sehr warmer Luft sind nicht nur für extreme Starkregenereignisse und Hagel, sondern auch für deutlich blitzintensivere Gewitter verantwortlich.

Das wird sofort deutlich, wenn wir uns die aktuelle Luftmassenkarte von Europa anschauen:

Die grünen und gelben Flächen von vor zwei Wochen haben sich fast vollständig aus dem Kontinent verabschiedet. Mitteleuropa liegt zwischen einem sich abschwächenden Hoch über Osteuropa und einem Tief vor den westeuropäischen Küsten in einer südlichen Anströmung. Nicht zu sehen in dieser Karte ist ein kleines Höhentief im Grenzgebiet DE/AT/CZ, dessen Einfluss heute Morgen bis in die Ostschweiz reichte und für die kräftigen Gewitter in der Bodenseeregion verantwortlich war. Mit der Ostverlagerung dieses Höhentiefs verliert sich dessen Einfluss und es hat sich ein schwacher Höhenrücken positioniert, der jetzt zur Mittagszeit die Gewitter im Uhrzeigersinn bogenförmig nördlich um die Schweiz herumführt. Mit dessen Ostverlagerung im weiteren Tagesverlauf geraten wir aber in die vorderseitige schwüle Südwestströmung des Tiefs im Westen. Darin eingelagert sind mehrere Kurzwellentröge, die erste Gewitterstörung liegt bereits vor den Toren Genfs und zieht im Lauf des Nachmittags durchs Schweizer Mittelland. Fraglich dabei ist, wie vital die bereits existierende Gewitterlinie bleibt. In den gestrigen Abendmodellen wurde sie als sturmbringende Druckwelle durchs Mittelland gerechnet, derzeit stehen die Zeichen eher auf Abschwächung, aber mit Neuentwicklungen im Lauf des Nachmittags über dem Jura und den Voralpen. Wie so oft bei solchen Lagen ist das Überraschungspotenzial hoch und zuverlässige Prognosen sind erst im Nowcast-Bereich, also wenige Stunden vor Eintreffen eines Unwetters, möglich. Klar ist: Wärme, Feuchte und Labilität sind ausreichend für heftige Entwicklungen, zusätzlich sorgt eine Divergenz in der Höhe für weiteren Auftrieb. Aufgrund der Windscherung (Windzunahme mit der Höhe und Drehen des Höhenwindes auf Südwest, am Boden eher West) ist auch mittelgrosser Hagel wahrscheinlich. Noch nicht ganz klar ist, wie gut sich die Gewitter organisieren, und somit ob als Begleiterscheinung eher kleinräumige Sturmböen oder doch eine breitere Böenfront auftritt.

Nach den aktuellen Unterlagen zieht ein weiteres Paket am frühen Samstagmorgen unter Abschwächung durch. Das würde bedeuten, dass es dann tagsüber eine Zeitlang eher ruhig bleibt und neue Entwicklungen erst gegen Abend auftreten. Die Modelle sind diesbezüglich noch sehr zurückhaltend, die Ruhe könnte aber trügerisch sein. Wer also etwas plant, sollte am Samstag nach Updates der Wetterberichte Ausschau halten – der Kurzwetterbericht unter dem meteoradar-Loop wird bei solch unsicheren Lagen bei Bedarf auch mehrmals täglich aktualisiert.

Der Sonntag steht dann im Zeichen einer Kaltfront:

Wie lange es zuvor noch sonnig und trocken bleibt, wird wohl auch kurzfristig mit der Geschwindigkeit der Front entschieden. Derzeit sieht es so aus, als ob man spätestens ab Mittag mit kräftigem Regen, Gewittern und möglicherweise auch stürmischen Böen rechnen muss. Da es sich um eine zusammenhängende Front handelt, wird es bis zum Abend im ganzen Land nass und am Alpennordhang regnet es sich in der Folge eine zeitlang ein. Am Montag folgt wechselhaftes Rückseitenwetter mit Schauern, die im Mittelland wohl eher spärlich, am Alpennordhang häufiger auftreten.

Nach derzeitigem Fahrplan soll am Dienstag unter Hochdruckeinfluss wieder deutlich wärmere Luft einfliessen, dabei bleibt es (wenn überhaupt) wohl bei einzelnen kurzlebigen Gewittern in den Bergen. Am Mittwoch und Donnerstag feuchtet es wieder an und es ist mit einer Zunahme der Gewitterneigung zu rechnen. Die Modelle sind sich hierbei aber über die Grosswetterlage (eher West oder Südwest, mehr oder weniger Hochdruckeinfluss) noch nicht einig, daher ist es müssig, bereits jetzt über Details zu spekulieren.

Gewittervorschau 12.-18.06.2020

Es ist noch nicht allzu lange her, da schwebte noch das Gespenst eines weiteren Dürre- und Hitzesommers über Mitteleuropa. In Anbetracht der letzten zwei Jahre und des trockenen Bisenfrühlings gar nicht so weit hergeholt. Nun haben sich jedoch die Druckverhältnisse über Europa zwar geringfügig, aber für das Wetter im Alpenraum entscheidend verschoben. Die Luftmassen kommen zwar zum grössten Teil immer noch aus derselben Richtung wie während den vergangenen zwei Monaten, liegen aber jetzt hauptsächlich unter Tiefdruckeinfluss – und schon ist der Witterungscharakter ein völlig anderer. Angesichts der Neigung zur Persistenz dürfte uns auch bald diese Wetterlage buchstäblich bis zum Hals stehen.

Der Titelkarte mit den grossräumigen Windströmungen und Druckgebilden können wir entnehmen: Noch immer sitzt ein fettes Hoch über dem zentralen Nordatlantik und ist massgeblich für das meridionale Zirkulationsmuster über Europa verantwortlich. Zwischen ihm und einem zweiten Hoch über Skandinavien wie auch am östlichen Rand desselben fliesst immer wieder Polarluft in Richtung Kontinent, wo sich Tröge und abgetropfte Tiefdruckgebiete gleich als Grossfamilie gemütlich einrichten. Sie schubsen sich gegenseitig – wie bei Kleinkindern üblich – ein bisschen umher und gestalten die Detailprognosen für die einzelnen Regionen zum bildlich gesprochenen Roulette, an der Grosswetterlage ändert sich aber auf absehbare Zeit nichts. Und so dürfen wir uns wohl noch eine ganze Weile an diesem Chaos erfreuen…

Chaos ist das richtige Stichwort, denn unter dieser, im Alpenraum der Höhenkarte zu entnehmenden klaren Südostströmung, spielt sich in Bodennähe an diesem Wochenende Interessantes ab. Durch Erwärmung und Streckung der Luftsäule im Lee der Alpen bildet sich eine langgezogene, von den Alpen bis nach Nordwestdeutschland reichende Tiefdruckrinne:

Während also in der Höhe immer noch warme und feuchte Mittelmeerluft über die Alpen nach Norden strömt, stellt sich auf der Rückseite der Tiefdruckrinne bodennah eine Nordwestströmung ein, unterstützt durch ein kleines Zwischenhoch über Ostfrankreich. Die perfekte Gegenstromlage ist geboren, wie der von Nordwest nach Südost verlaufende Vertikalschnitt durch die Schweiz zeigt:

Am Samstagabend erreicht kühlere Luft aus Nordwesten die Alpennordseite und wird durch die Topographie angehoben, quetscht die Warmluftreste an den Voralpen aus und drückt sie in die Höhe, wo sie mit der feuchten Luftmasse aus Süden konvergiert. Vor dem Eintreffen der Kaltluft ist es noch lange sonnig, die Grundschicht heizt sich unter der stechenden Junisonne auf und es entstehen dort, wo der Föhn keinen grossen Einfluss hat (also in der westlichen Landeshälfte der Schweiz) im Lauf des Nachmittags erste kräftige Gewitter. Diese können Sturmböen weit voraus durchs Mittelland schicken, und am Jurasüdfuss kommt wahrscheinlich auch noch der Joran ins Spiel. Nach der üblichen Formel des Labilitätsindexes (Differenz 850 zu 500 hPa lediglich 25 Grad Differenz), wäre bald mal Schluss mit Gewittern, doch aufgrund der oben geschilderten Prozesse gleicht die starke Hebung die abnehmende Labilisierung aus. Das reicht zwar nicht mehr für schwere Hagelgewitter, aber noch lange für sich nur langsam verlagernden, gewittrigen Starkregen. Dieser zieht im Lauf des Abends und der Nacht zum Sonntag langsam von den westlichen und zentralen Landesteilen in die Nordostschweiz und dürfte wohl recht flächig werden. Lokale, vielleicht auch grössere Überschwemmungen dürften dabei nicht ausbleiben. Am Sonntagmorgen zieht dieser Starkregencluster dann allmählich unter Abschwächung über den Bodensee weiter nach Bayern.

Das war’s dann vorerst auch wieder mit dem Sommerintermezzo. Was folgt, ist eine unbeständige Woche mit Temperaturen in der Höhe, die ungefähr dem langjährigen Mittel entsprechen:

Der Montag scheint unter leichtem Zwischenhocheinfluss noch am ehesten trocken verlaufen zu können, danach beginnt das Quengeltiefdruckroulette von vorne. An welchen Tagen in welchen Regionen eher die sonnigen oder die bewölkten Abschnitte überwiegen und wo es zu Schauern und Gewittern kommt, kann höchstens von Tag zu Tag bestimmt werden – wenn überhaupt. Am besten rechnet man einfach mit allem, was ein unbeständiger Juni so hergibt: Damit kann man kaum falsch liegen. Jedenfalls ist für Feuchtenachschub in der Höhe aus dem Mittelmeerraum und in den unteren Luftschichten vom Atlantik bzw. der Nordsee her gesorgt, sodass sich in Mitteleuropa wirklich niemand mehr über Trockenheit beklagen kann. Diese Niederschlagssummenkarten sind zwar nur als grobe Tendenz zu verstehen, in dieser Eindeutigkeit ist die vorgegebene Richtung allerdings klar: