Denjenigen, die das Wetter nicht nur mittels Blick aus dem Fenster, sondern auch auf Wetter- und Modellkarten verfolgen, erzähle ich hiermit wohl nichts Neues: Dieser Sommer ist ein typischer Westlagen-Sommer. Dabei verläuft der Jetstream mehr oder weniger glatt vom Nordatlantik bis Europa und mäandert nur wenig. Für unsere Witterung massgeblich ist bei solchen Lagen das Verhalten des Azorenhochs. Dieses liegt wie ein grosser, fetter Wal auf dem Nordatlantik. Atmet es ein, bläht es sich auf und wirkt bis in den Alpenraum. Atmet es aus, schrumpft es und wenn die Windrichtung stimmt, trifft uns gelegentlich der Wasserstrahl aus seinem Atemloch. Die letzten drei Tage hat der Wal tief eingeatmet: Wir hatten Hochdruckwetter. Freitag/Samstag atmet er aus, Sonntag/Montag atmet er ein, Dienstag/Mittwoch atmet er aus… die Fortsetzung kann sich jeder selbst denken.
Blicken wir auf die Karte mit den steuernden Hoch- und Tiefdruckgebieten und den Windströmungen in rund 5500 m, so sehen wir am Freitag das sich in die linke untere Schmollecke zurückgezogene Azorenhoch und ein umfangreiches Tiefdrucksystem über Nordeuropa mit mehreren Randtiefs. Eines davon ist für uns besonders interessant, es steuert nämlich in der Nacht auf Samstag eine Kaltfront zu uns: das kleine Tief über der Nordsee bzw. in der Bodendruckkarte heute noch über England:
Die Besonderheit hierbei: Es handelt sich um den ehemaligen Tropensturm „Edouard“ – aussergewöhnlich früh in der Saison hat er einen neuen Rekord aufgestellt: Noch nie wurden vor dem 10. Juli fünf Tropenstürme verzeichnet (sie waren allerdings allesamt schwach). Die dafür spezialisierten Wetterdienste prognostizieren eine sehr aktive Hurrikan-Saison, wir können uns also noch auf etwas gefasst machen – bringen diese ex-Tropentiefs doch regelmässig unser Wetter durcheinander. Betrachten wir die Trajektorien der Luftmasse für den Zeitpunkt Freitagabend auf dem Jungfraujoch, sehen wir einen lehrbuchhaften Weg, an dem sich das Verhalten von Luftpaketen in Hochs und Tiefs ablesen lässt:
Richten wir das Augenmerk auf die rote Linie, die sich am Freitagabend ungefähr auf Höhe des Jungfraujochs befinden soll (700 hPa = ca. 3200 m), so sehen wir, dass es sich hierbei um eine Luftmasse tropischen Ursprungs handelt, die im Schlepptau von „Edouard“ über den Atlantik zu uns gelangt. Heute Donnerstag ist sie im Hoch abgesunken und befindet sich knapp westlich der Schweiz, das ist die Luftmasse, die uns den heutigen Hitzetag beschert hat. Man sieht auch sehr schön, wie dieses Luftpaket im Verlauf des Freitags unter Tiefdruckeinfluss angehoben wird, unterstützend wirkt sicher auch die Hebung an den Alpen bei westlicher Anströmung. Alleine diese Luftmasse würde uns keine Gewitter bringen, denn durch das gestrige und heutige Absinken im Hoch ist sie völlig ausgetrocknet worden. Betrachten wir aber den Weg der Luftmassen in etwas höheren Schichten (600 und 500 hPa, grüne und blaue Linie), so sehen wir, dass da die Herkunft eine andere ist, nämlich rund um die Iberische Halbinsel, und dass diese schon länger wieder auf dem aufsteigenden Ast ist – sie ist entsprechend auch feuchter. Das Benzin für die Freitagsgewitter wird also nicht vom Boden, sondern in der Höhe geliefert.
Der Freitag beginnt noch sonnig, wenn auch mit den obligaten hohen Wolkenfeldern (welche die Anfeuchtung in der Höhe sichtbar machen), und es wird zunehmend schwül. Etwa um die Mittagszeit bilden sich die ersten Schauer und Gewitter in den Alpen (ja, wir haben Hochsommer, die bremsende Schneebedeckung fällt weg) und ziehen unter Verclusterung nach Nordosten. Es dürfte daher wohl Mitte Nachmittag werden, bis es auch an den Voralpen auslöst, und im Verlauf des Abends frisst sich die Entwicklung allmählich ins Mittelland. Grund dafür ist die bodennahe Winddrehung auf Nordwest, was eine Konvergenz mit dem Outflow aus den Alpen erzeugt:
Solche Konstellationen riechen schwer danach, dass die Nordwestschweiz, der Jura sowie die nördlichen und westlichen Teile des Mittellands weitgehend gewitterfrei ausgehen, während es vor allem den Voralpen entlang und im angrenzenden Hügelland zu Unwettern mit Starkregen, Hagel bis mittlerer Grösse und lokalen Sturmböen kommt. Die zuvor leer ausgegangenen Gebiete können in der Nacht eventuell noch etwas Regen von der nachrückenden Kaltfront erhalten, die Modelle sind hierbei aber recht widersprüchlich – was wohl auf einen Kompromiss mit nicht allzu ergiebigen und womöglich auch nicht flächendeckem Niederschlag hinausläuft. Also wohl wieder ein windiger Kaltfrontdurchgang wie schon letzten Montag mit örtlich stürmischen Böen vor allem vom Jurasüdfuss (Joran) bis zum Bodensee.
Am Samstagmorgen regnet es am Alpennordhang wohl noch verbreitet mit allmählich nachlassender Intensität. Tagsüber kommt es noch zu spärlichen Schauern, im Flachland lockert es bereits wieder auf.
Und am Sonntag atmet der Wal wieder tief ein… Es bildet sich eine Hochdruckbrücke knapp nördlich von uns, sodass Bise aufkommt. Bis inklusive Montag bedeutet das wieder ruhiges und mässig warmes Hochdruckwetter. Erst am Dienstagabend oder sogar erst am Mittwoch erreicht uns eine nächste Störung, deren Intensität aber wohl deutlich schwächer ausfällt – ob es da für Gewitter reicht oder ob die ganze Sache erneut weitgehend trocken abläuft, ist noch offen. Jedenfalls geht das Auf und Ab der Temperaturen in die nächste Runde. Man darf gespannt sein, was uns dieser Sommer noch so bringt… extreme Ausreisser von der Klimanorm sind weiterhin nicht in Sicht: