Sturmvorschau 11.-16.03.2021

Sturmopfer auf der Alp Ergeten im Tössbergland, Folge des Sturms „Niklas“ am 31.03.2015

Nach einer aussergewöhnlich ruhigen Wintersturmsaison tut sich jetzt zu einem recht späten Zeitpunkt doch noch was. Zwar sind auch die anstehenden Stürme nicht vergleichbar mit den schadbringenden Expemplaren etwa aus dem Februar 2020, der ungewöhnliche Zeitpunkt und die Entstehungsgeschichte scheinen aber dennoch eine nähere Betrachtung wert. Und es kann auch nicht schaden, diesem Blog nach Wochen bzw. Monaten der Ereignislosigkeit wieder etwas Leben einzuhauchen – und sei es nur um in Erinnerung zu rufen, dass es ihn immer noch gibt 😉

Nach dem üblichen Weihnachtstauwetter und dem Auftreten einer plötzlichen Stratosphärenerwärmung mit erheblicher Störung des Polarwirbels zum Jahreswechsel ging in Sachen Weststüme in Europa gleich gar nichts mehr. Umso erstaunlicher ist, dass jetzt, wo wir auf das statistisch jahreszeitliche Minimum von Westlagen zusteuern, Mitte März noch ein klassischer Wintersturm auftritt. So präsentiert sich die aktuelle Lage mit Druckverteilung und Windströmung in rund 5000 m Höhe:

Ein starkes Westwindband zielt von Nordamerika her über den Atlantik genau auf Mitteleuropa zu und bestimmt unser Wetter in den nächsten fünf Tagen. Nachhaltig ist diese Westlage nicht, denn dazu ist das Zirkulationsmuster gesamthemisphärisch betrachtet zu meridional, was im Frühling auch völlig normal ist. Daher mag es paradox erscheinen, dass ausgerechnet eine meridionale Zirkulationsform späte Weststürme hervorbringt. Rufen wir uns in Erinnerung, was die Tiefdruckentwicklung ankurbelt: Extreme Temperaturdifferenzen auf engem Raum. Verfolgen wir das jetzt uns besuchende Tief bis zu seiner Entstehung zurück, dann finden wir dies:

Am vergangenen Wochende herrschte über den Oststaaten der USA eine stramme Nordlage, die arktische Luftmassen bis nach Florida brachten, wo sie auf den warmen Golfstrom trafen – und prompt entstand dort an der Luftmassengrenze ein kleines Tief, das sich in den letzten Tagen zu unserem Sturmtief über dem Nordatlantik entwickeln konnte. Natürlich braucht es dann auch noch einen einigermassen gesunden Jetstream, der die ganze Geschichte nach Europa transportiert. Fast identisch war übrigens die Wetterlage und Entstehungsgeschichte des Sturms am 31. März 2015, der vor allem in den Voralpen erhebliche Schäden hinterliess. Ganz so schlimm wird es diesmal aber nicht…

Heute nimmt im Warmsektor der Südwest- bis Westwind allmählich zu, lokal kann es im Mittelland bereits zu Sturmböen kommen. Das Maximum ist mit der Kaltfront zu erwarten. Diese erreicht die Nordwestschweiz am späten Nachmittag und rauscht dann bis zum Abend zügig über die gesamte Alpennordseite hinweg. Dabei ist verbreitet im Flachland mit Böen von 60 bis 80 km/h zu rechnen. An etwas erhöhten Stellen sowie an Orten mit Kanalisationseffekten wie z.B. am Hochrhein oder am Jurasüdfuss sowie an den Eingängen zu den Alpentälern sind auch 100 km/h möglich, auf den Jura- und Voralpengipfeln 130 km/h. Dies entspricht einem Sturm, der in dieser Stärke alljährlich auftritt, allerdings selten so spät in der Saison. Begleitet wird er von kräftigen Schauern, die Schneefallgrenze sinkt rasch von 2000 auf 1000 Meter. Auch wenn einzelne Modelle die Möglichkeit anzeigen: Für Blitz und Donner ist die Labilität wahrscheinlich knapp nicht ausreichend, die Höhenkaltluft hängt der Bodenkaltfront etwas hinterher.

Genügend Labilität für Graupelschauer und Gewitter wäre theoretisch am Freitag vorhanden, allerdings scheint die Luft zu trocken – so kommt es wohl nur einzelnen und wenig ergiebigen Schauern mit einer Schneefallgrenze um 700 m. Dazu bleibt es windig.

Die nächste Kaltfront mit Sturm steht am Samstag an:

GFS ist recht zurückhaltend, was das Übergreifen und die Stärke auf der Alpennordseite betrifft. ICON ist da wesentlich progressiver, sodass man zumindest damit rechnen muss, dass der Sturm am Samstag gleich stark oder vielleicht sogar etwas stärker ausfällt als jener vom Donnerstag. Sicher abschätzen kann man das aber erst zeitnah, man beachte diesbezüglich die Kurzwetterberichte auf meteoradar.ch

Sicher ist hingegen, dass diese Kaltfront noch kühlere Luft bringt und die Schneefallgrenze in der Nacht auf Sonntag auf etwa 500 m sinkt. Die kälteste Luftmasse ist dann am Sonntag tagsüber bei uns, mit ordentlich Höhenkaltluft wie noch selten im vergangenen Winter ist mit Schnee- und Graupelschauern zu rechnen, auch Gewitter sind nicht ausgeschlossen. Dabei können auch lokal noch mal Sturmböen auftreten.

ICON zeigt einen weiteren Sturm in der Nacht auf Montag bzw. Montagmorgen, GFS will davon allerdings nichts wissen bzw. zeigt nur gemässigt starken Wind mit Schneefall bis in die Niederungen. Jedenfalls ist im Berufsverkehr mit winterlichen Strassenverhältnissen zu rechnen. Stürmisch wird es am Montag aber mit Sicherheit in den Alpen bzw. auf der Alpensüdseite mit ordentlich Nordföhn.

Die Modelle sind sich bezüglich einer recht kalten Nordlage nächste Woche inzwischen einig, Fragen gibt es allerdings noch bezüglich trocken oder nass. Auf jeden Fall bleiben Frühlingsgefühle bei mässigen Nachtfrösten und Tagestemperaturen nur wenig über dem Gefrierpunkt mal für eine Weile aussen vor…

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