Nach zwei Wochen im täglichen vielleicht-passiert-heute-etwas-aber-wahrscheinlich-nichts-dramatisches-Modus kommt grossräumig endlich etwas Schwung in die Wetterlage. Das Spekulieren über „Wo geht heute ein Pupfi hoch?“ hat somit ein Ende und wir können uns wieder einmal über etwas unterhalten, das Hände und Füsse hat: nämlich Tröge und Fronten. Diese hatten es in den letzten Tagen schwer: Ein subtropischer Hochdruckrücken über Mitteleuropa hat alles plattgewalzt, was auch nur in die Nähe der Alpen kam. Die Folgen dessen haben wir inzwischen zur Genüge kennengelernt: Hitze mit neuen saisonalen Rekorden, Trockenheit und zunehmende Waldbrandgefahr. Ob eine solch verfrühte Hochsommerphase nur das Amuse-Bouche für einen ganz grossen Sommer war oder ob dieser nun bereits sein Pulver verschossen hat, wird Gegenstand der Untersuchung im inzwischen traditionellen Siebenschläfer-Ausblick des fotometeo-Blogs sein, hier soll es nun erst mal um die spannende Entwicklung der nächsten Tage gehen.
Heute ziehen wir für den Überblick zur Grosswetterlage die Jetstream-Karte zu Rate:
Wir erkennen den Jetstream in bereits hochsommerlicher Position über Nordeuropa mit nur wenigen Mäandern, wobei der ausgeprägteste davon über dem zentralen Nordatlantik liegt. Dieser war für unser stabiles Wetter der letzten Wochen verantwortlich, doch nähert er sich in den kommenden Tagen allmählich Westeuropa und stellt somit die Wetterlage mittelfristig grundlegend um. Aus der aktuellen GWL West antizyklonal wird Trog Westeuropa und in der Folge – aber da scheiden sich noch die Geister bzw. die Modelle – Trog Mitteleuropa. In der Kurzfrist sollten wir aber das Augenmerk auf das kleine blau-türkisige Würmchen richten, das in der Nacht zum Sonntag von den Pyrenäen zu den Alpen kriecht. Es markiert das Starkwindfeld in der Höhe vor einem Randtrog, und das weisse Kreuz über der Schweiz steht ausnahmsweise nicht für unsere Landesflagge, sondern signalisiert uns, dass die Luft in 9-10 km Höhe stark auseinanderfliesst, was die Hebung der darunter liegenden Luftmassen bewirkt.
Und auf genau diese Hebung wird es ankommen, denn obwohl wir den ganzen Samstag direkt unter einer Kaltfront liegen…
… passiert erst mal gar nichts. Wie die Isobaren zeigen, herrscht am Boden westlich von uns bereits wieder Hochdruck, was eine typische Begleiterscheinung flach einfliessender kühler Luftmassen ist. Da wir tagsüber noch unter dem Höhenrücken liegen, ist die Schichtung auf der Alpennordseite mit -10 über +12 Grad in 500/850 hPa zu stabil für Gewitterbildung. Einzig in den Alpentälern und im Süden, wo die bodennah kühlere Luft noch nicht hingelangt, kann es zur Auslöse kommen. Erst am späten Abend nähert sich aus Westen Höhenkaltluft, womit die Differenz zwischen 500 und 850 hPa auf 26-27 Grad ansteigt:
Diese grenzwertige Labilität würde tagsüber gerade mal für kurzlebige Gewitter ausreichen, in der Nacht ohne Sonneneinstrahlung kommt es normalerweise unter solchen Bedingungen nur zu schauerartig verstärktem Regen. Doch die oben erwähnte Hebung, ausgelöst durch die Höhendivergenz, wird das bis dahin lauwarme Süppchen so richtig zum kochen bringen, sodass wir entgegen dem normalen Tagesgang wahrscheinlich die Geburt einer Gewitterlinie irgendwo in unserer Nähe mitten in der Nacht mitverfolgen können. Über die genaue Position der Entstehung sind sich die Modelle noch nicht ganz einig. Zwischen Ostfrankreich/Jura und Zentralalpen ist alles möglich, somit steht fest: Je weiter östlich, umso grösser ist die Gewitterwahrscheinlichkeit. Diese neu geborene Front wird am Sonntagmorgen rasch weiterziehen und unseren östlichen Nachbarn ordentlich den Sonntag verschiffen, wobei man auch dort vielorts auf das kostbare Nass wartet. Hierzulande hingegen wird es im Verlauf des Sonntags immer sonniger, und dies bei erst noch erträglichen Höchsttemperaturen um 25 Grad. Also ordentlich durchlüften denn…
… am Montag regeneriert sich unser Höhenrücken noch mal und der nächste Warmluftschub aus Südwesten zieht ins Land, will heissen: sonnig, heiss, lokale Hitzegewitter am Abend vor allem über den Bergen – wir kennen es ja bereits. Am Dienstag dasselbe nochmal in Rot, denn die Höhenströmung dreht auf Südwest bis Süd und es kommt wohl allmählich der Föhn ins Spiel – immerhin mal was Neues auf der Menükarte dieses Sommers. Wie stark die Gewitterneigung zunimmt, wird davon abhängen, wie rasch uns der Trog im Westen auf die Pelle rückt und wie stark die Luftmasse angefeuchtet wird. Hier gibt es also noch einige Unsicherheiten, die man aber mit Spannung in der Kurzfrist verfolgen sollte, denn solche Lagen bergen besonders in der westlichen Landeshälfte Unwetterpotenzial.
Damit ist auch bereits einleitend vorgewarnt, dass ab Mittwoch so ziemlich alles offen ist, denn über das Vorankommen des westeuropäischen Troges und somit kühlerer Luftmassen nach Osten sind naturgemäss noch viele Fragen offen. Bleibt der Trog im Westen hängen, könnten wir es mit einer markanten Luftmassengrenze irgendwo in unserer Nähe zu tun bekommen, wobei im Osten Österreichs neue Hitzerekorde im Bereich des Möglichen liegen, während man gleichzeitig in Genf bereits die Herbstsachen hervorkramt. Aber vielleicht entschliesst sich ja der Trog für einen raschen Durchmarsch, wir gelangen auf die kühle Rückseite und die Sache beruhigt sich schon bald. Dass es auch noch ein Mittelding gibt, nämlich dass wir tagelang in eine kalt-feuchte Nordströmung gelangen, blenden manche von uns – die Autorin eingeschlossen – vielleicht lieber noch aus…