Sturm-, Schnee- und Frostvorschau 05.-08.04.2021

Der letzte April-Schneefall ist erst zwei Jahre her: Muri bei Bern am 04.04.2019

Wenn die Klimaerhitzung sicht- und spürbar wird, dann ganz bestimmt an den immer früher auftretenden sehr warmen Witterungsabschnitten im Frühling. Traten die ersten frühsommerlichen Phasen mit Temperaturen über 20 Grad im letzten Jahrhundert meist im letzten April-Drittel auf (im Meteorologenjargon EAW = End-April-Wärme genannt), so haben sie sich in den letzten 15 Jahren immer häufiger nach vorne verschoben (2007, 2009, 2011, 2014, 2018, 2020) und in diesem Jahr war es also bereits Ende März so weit. Doch eines hat sich nicht verändert: Heftige Kälteeinbrüche mit Schnee und Frost kommen im April nach wie vor häufig vor, im Schnitt alle zwei Jahre. Die Vegetation steckte früher solche Spätfröste locker weg, weil sie meist erst danach in die kritische Blühpase eintrat. Mit den immer milderen Wintern und früheren Wärmephasen blüht es aber heute im Schnitt zwei Wochen früher – meist genau dann, wenn sich der obligate Kälteausbruch aus der Arktis zu uns auf den Weg macht. Dies ist auch 2021 wieder der Fall.

Schauen wir uns die grossräumige Druckverteilung und Windströmungen in rund 5000 m Höhe am Ostermontag an:

Zwischen einem kräftigen, meridional ausgerichteten Hoch über dem Nordatlantik und einem umfangreichen Tiefdrucksystem über Skandinavien stellt sich eine starke Nord- bis Nordwestströmung ein, die genau von Grönland nach Mitteleuropa gerichtet ist. Die frühsommerliche Luftmasse wurde bereits am Karfreitag durch gemässigte Polarluft ersetzt, nun folgt als nächste Stufe arktische Kaltluft – die kältestmögliche Luftmasse, die uns zu dieser Jahreszeit erreichen kann. Dies auch, weil die Temperaturen in Grönland in den letzten Tagen aussergewöhnlich tief waren: Mit -63.9 °C wurde an der Station Summit auf dem grönländischen Eisschild in 3200 m Höhe ein neuer Rekord für das letzte Märzdrittel gemessen.

Der Ostermontag beginnt freundlich, trotz zunehmenden Schleierwolken zeigt sich zunächst noch häufig die Sonne. Der Westwind beginnt auf den Bergen bereits am Vormittag anzuziehen, ab Mittag wird er auch im Flachland deutlich spürbar:

Die maximale Böigkeit wird kurz vor dem Eintreffen der Kaltfront am späten Nachmittag erreicht. Da es sich dabei nicht wie gewohnt um Südwest- sondern Westwind handelt, ist durch Kanalisierungseffekte mit den stärksten Böen entlang des Hochrheins bis zum Bodensee zu rechnen, hier dürften vielerorts Böen um 80 km/h erreicht werden. Das gilt natürlich auch für die erhöhten und exponierten Lagen des Mittellands und etwas später für die Engstellen an den Eingängen zu den Alpentälern. Alles in allem kein extremer Sturm, aber für die Jahreszeit doch bemerkenswert.

An der Kaltfront ist die Labiliät wahrscheinlich knapp nicht ausreichend für Gewitter, denn die Höhenkaltluft hinkt der Bodenkaltluft ein wenig hinterher. Ausschliessen kann man vereinzelte Blitze trotzdem nicht, denn die durch Turbulenzen verursachte zusätzliche Hebung kann die fehlende Labilität teilweise wettmachen. Markant wird der Temperatursturz an der Kaltfront von 10-12 Grad innerhalb kurzer Zeit mit dem Windsprung auf Nordwest sein, und damit sinkt die potenzielle Schneefallgrenze am Abend bis in die tiefsten Lagen. Potenziell deshalb, weil es hinter der Front im Flachland rasch trocken wird. Vielleicht fällt noch kurz etwas Schnee, der aber aufgrund der warmen Böden kaum lange liegenbleiben wird. Anders sieht es in leicht erhöhten Lagen im Nordstau der Alpen aus: Hier schneit es bis weit in die Nacht hinein, sodass etwa im Zürcher Oberland, im Entlebuch und Emmental ein paar Zentimeter bis Dienstagmorgen überleben werden, weiter oben an den Voralpen und in den Alpentälern sowieso.

Dienstag und Mittwoch stehen dann ganz im Zeichen spätwinterlichen Rückseitenwetters mit starkem Nordwind in den Bergen, stürmischem Nordföhn auf der Alpensüdseite und immer wieder Schnee- und Graupelschauern bis ganz runter. Auch hier gilt: Tagsüber ist es in den Niederungen zu warm, als dass der Schnee länger liebenbleiben kann, ab etwa 600 m aufwärts ist aber mit stetigem Neuschneezuwachs zu rechnen, der in den Bergen für die Jahreszeit durchaus beträchtlich ausfallen wird. Die kälteste Höhenluft mit unter -40° in 500 hPa erreicht uns am Mittwoch, dann dürfte die Labilität auch für Schnee- und Graupelgewitter ausreichen. Zur Veranschaulichung hier der Weg, den die Luftmasse in diesen Tagen zurücklegt:

In der Nacht auf Donnerstag schiebt sich von Westen her ein Hochdruckkeil zur Alpennordseite und löst die Wolken auf. Mit dem Aufklaren werden derzeit Tiefstwerte im Flachland verbreitet um -2 bis -4 Grad gerechnet, in Muldenlagen dürfte es wohl noch einiges tiefer gehen, in Bodennähe sowieso. Am Donnerstag wird es zwar sonnig, die eingeflossene Kaltluft erwärmt sich aber nur langsam. Erst am Freitag soll aus Westen etwas mildere Luft einfliessen, die Nacht auf Freitag wird aber wahrscheinlich noch mal frostig.

In der Folge soll sich das Temperaturniveau auf etwa jahreszeit-üblichen Werten einpendeln, natürlich mit den entsprechenden Unsicherheiten:

Und zum Schluss noch die Ironie der Geschichte: Wenn die gesamte arktische Kaltluftmasse nach Süden ausbricht, entsteht ein Vakuum, das aufgefüllt werden muss, und das kann am Nordpol nur aus südlicher Richtung geschehen – die Kaltluft wird also durch wärmere Luft ersetzt. Das geschieht von zwei Seiten: In Grönland vom amerikanischen Kontinent her, nördlich von Europa von Südrussland her. Und schon ist es dort oben für die Jahreszeit aussergewöhnlich warm – so warm, dass sogar die Skala gesprengt wird (min. 20 Grad über der Klimanorm):

Das extreme Auf und Ab der Temperaturen ist also nicht nur ein Einzelschicksal Mitteleuropas…

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