Aus Westen nichts Neues! So kann man auch an diesem Wochenende die Lage kurz und bündig zusammenfassen. Bereits zum fünften Mal seit Mitte Juni hat sich im Bereich zwischen den Britischen Inseln und der Biskaya ein abtropfendes Tief eingenistet und beglückt uns auf seiner Vorderseite mit feucht-warmer Mittelmeerluft. Immerhin gab es jetzt mal ein paar trockene und angenehm temperierte Tage zwecks Entspannung der Hochwasserlage und um den Ruf dieses Sommers zumindest vorübergehend zu retten. Doch am grundlegenden Charakter ändert sich nichts, die Siebenschläfer-Regel ist einmal mehr zuverlässig und so kommt, was kommen muss. Derzeit ist nicht absehbar, wann diese Endlosschleife unterbrochen wird, man tut also gut daran, auch in den nächsten Wochen auf alles gefasst zu sein.
Die Karte mit der Verteilung der Druckgebiete und der grossräumigen Windströmung gleicht denjenigen der letzten Wochen mit nur wenigen Abweichungen im Detail:
Das Zentrum des Höhentiefs liegt diesmal über der Bretagne, was für uns zur Folge hat, dass die Höhenströmung nicht so stark nach Süden aufsteilt und sich daher keine Föhnlage einstellen kann. Obwohl es keine ist, sind die Auswirkungen bei uns eher wie bei einer klassischen Südwestlage mit Gewitterzugbahnen entlang der Jura- und Voralpenschiene ohne Föhnbremse im Osten. Auffällig ist, dass die stärksten südwestlichen Höhenwinde diesmal südlich des Alpenkamms auftreten, womit auch hier mit sehr schnell ziehenden Superzellen und Clustern zu rechnen ist, also eher nicht die lang anhaltenden Stauniederschläge wie beim letzten Mal.
Die schlecht modellierten Niederschläge vom Samstagmorgen auf der Alpennordseite haben nicht dazu beigetragen, die Lage vorzeitig zu entschärfen – im Gegenteil: Die Grundschicht ist jetzt erst recht angefeuchtet und die Sonne kann am Nachmittag so richtig schön die Suppe zum köcheln bringen. Pappfeuchte, sehr warme Luftmasse, zunehmender Höhenwind und am Abend Aufrücken der Höhenkaltluft und somit Verschärfung der Labilität sind die perfekte Giftmischung. Da die Modelle vogelwild mal wieder sämtliche Varianten auftischen, die bei einer solchen Lage denkbar sind, wollen wir gar nicht erst spekulieren, wo sich die stärksten Gewitter bilden. Klar ist: Am gefährdetsten sind am Abend die klassichen Südwest-Zugbahnen entlang von Jura und am Übergang von den Voralpen zu den höheren Mittelland-Hügeln mit extremem Starkregen und Hagel durchaus wieder im grösseren Bereich. Immerhin hat die Anfeuchtung heute Morgen bewirkt, dass die Gefahr von Downbursts etwas entschärft wurde, mit lokal schweren Sturmböen ist aber trotzdem zu rechnen. In der Nacht steigt die Gefahr von lang anhaltend gewittrigem Starkregen entlang einer schleifenden Kaltfront, die wahrscheinlich irgendwo über dem Mittelland zu liegen kommt.
Die genaue Lage dieser Kaltfront gibt den Modellen auch am Sonntag Rätsel auf. Manche lassen sie einfach über der Schweiz liegen, was dichte Bewölkung und immer wieder von Südwest nach Nordost ziehende gewittrige Regenfälle zur Folge hätte. Verlagert sich diese Front kaum, muss man strichweise mit sehr hohen Niederschlagssummen rechnen (über 100 mm bis Montagmorgen liegen durchaus drin). Es gibt aber auch Berechnungen, welche das Geopotenzial über der Schweiz am Sonntag etwas ansteigen lassen und die Front etwas zurück nach Westen schiebt bzw. fast auflösen lässt. In diesem Fall wäre das Szenario für mehr Sonnenschein tagsüber mit Bildung von eher lokalen, aber durchaus kräftigen Gewittern. Je nach Modell streuen die Ensembles z.B. für den Gitterpunkt zentrales Mittelland bei der 850 hPa-Temperatur am Sonntagmittag um bis zu 5 Grad, was die Unsicherheit verdeutlicht.
Für Montag und Dienstag lässt sich einzig mit Sicherheit sagen, dass es beständig unbeständig bleibt und die Gewittergefahr noch nicht gebannt ist. Das ist aber auch schon alles, denn die Entwicklung der Lage ist noch völlig offen:
Klar ist nur, dass unser heutiges Bretonen-Tief (1) nicht wie das letzte über Mitteleuropa nach Osten zieht (bewahre!), sondern von einem weiteren von Island nach Südosten vorstossenden Trog (2) aufgefangen wird. Das Fragezeichen steht für die Unklarheit, wie weit nach Süden die Austrogung greifen wird. Manche Modelle zeigen eine starke Austrogung, welche uns auf der warmen Vorderseite in einer südwestlichen bis südlichen Strömung verbleiben lässt (mit entsprechend wärmeren und möglicherweise auch trockenerem Mittwoch und Donnerstag dank etwas Föhneinfluss). Andere Modelle zeigen eher eine zonale Ausrichtung des Tiefs über den Britischen Inseln, was eine Westströmung mit kühleren atlantischen Luftmassen zur Folge hätte. Das bisherige Muster dieses Sommers spricht zwar eher für die erste Variante, so lange die zweite aber von einigen Modellen gerechnet wird, kann man sie auch nicht ausschliessen. So oder so: Da kommt noch etwas auf uns zu, je nach Variante etwas früher oder später. Werden Mittwoch und Donnerstag eher trocken und warm, kommt die Dusche etwas später, aber umso heftiger.
Die GFS-Variante mit Durchgang der Kaltfront im Lauf des Donnerstags bringt ab heute diese aufsummierten Niederschläge:
Der Vorteil dieses grob aufgelösten Modells ist, dass man ungefähr abschätzen kann, wie viel durchschnittlich über eine grössere Fläche in etwa zu erwarten ist. Lokal kann das deutlich weniger sein, aber auch viel mehr: So können die 100 mm strichweise nur schon alleine in 24 Stunden fallen, sollte sich eine Gewitterstrasse über längere Zeit stationär ausregnen.
Damit ist auch klar: Von einer Normalisierung der Hochwassersituation im Dreiseenland sind wir weit entfernt. Da der Schwerpunkt der gewittrigen Regenfälle in den Voralpen zu erwarten ist, werden die Aare-Zuflüsse zwischenzeitlich wieder sehr viel Wasser bringen. Durch ein (sehr) wahrscheinliches Emmehochwasser wird man gezwungen sein, den Abfluss in Port wieder zu drosseln. Da der Neuenburgersee etwa 25 cm höher steht, wird der Bielersee also schnell wieder ansteigen. Bei den Alpenrandseen ist die Prognose deutlich schwieriger, aber so lange sich keine Nord(-west)staulage einstellt, ist die Gefahr dort weniger akut. Die grösste Gefahr geht eher von Hangrutschen und überschiessenden Bächen aus, da die Böden trotz der kurzen Trockenperiode immer noch gesättigt sind.