Zum Ende der letzten Gewittervorschau haben wir darüber gerätselt, ob die aktuelle zweite Wochenhälfte von einer Westlage (EZ) geprägt wird, oder ob rasch eine neue Hitzewelle folgt, die bereits am Wochenende beendet wird (GFS). Wir lernen: EZ hatte wieder mal die Nase vorn und der Siebenschläfer ist eine Macht, auch wenn er von vielen Meteorologen belächelt wird. Auch der heurige Sommer bleibt also der Siebenschläfer-Regel treu und macht mit dem (ungefähren) Zweiwochentakt weiter, die vierte Hitzewelle folgt ziemlich genau zwei Wochen nach der dritten und vier Wochen nach der zweiten. Das einzige was sich geändert hat ist die Hochdruckphase zwischen dem Ende der kühlen Phase und dem Beginn der Hitzewelle, waren doch die letzten Tage störungsanfällig, wenn auch wieder angenehm temperiert. Der Hochdruckeinfluss beschränkt sich nun auf einen Tag (Samstag), danach geht es wackelig bis rumpelig weiter, diesmal mit einer echten Südwestlage (Meteorologenschreck Nr. 2 nach dem Tief Britische Inseln).
Schauen wir uns diese Südwestlage anhand der Druck- und Windverteilung im 500-hPa-Niveau vom Dienstag, 1. August an:
Wir sehen ein weit nach Westen verschobenes Azorenhoch, was den atlantischen Tiefdruckgebieten die Austrogung vor Europa ermöglicht. Der Trog ist zu wenig tief für die GWL Trog Westeuropa, vor allem aber folgen vom Atlantik her immer wieder neue Tiefs. Die Lage kann sich nicht entscheiden, ob sie über Mitteleuropa vorwiegend zyklonal oder antizyklonal daherkommen möchte. Die kurzwelligen zyklonalen (gelbe „Nasen“) und die antizyklonalen Anteile (grüne „Buckel“) wechseln sich täglich, oft sogar kürzer ab. Es versteht sich von selbst, dass auf einen Zeitraum über mehrere Tage hinweg der Fahrplan dieser Wellen mehrmals ändern kann, daher tut man sich derzeit besonders schwer einzuschätzen, wie zum Beispiel der Bundesfeiertag verlaufen wird. Zudem braucht es nur eine geringe Ostverlagerung des Tiefdrucksystems, um den gesamten Vorhersagezeitraum zyklonal zu prägen (sehr schwül, knapp 30 Grad, Gewitter jederzeit möglich) oder eine geringe Westverlagerung um der Lage bei uns antizyklonalen Charakter zu verleihen (sehr heiss, teils über 35 Grad, Gewitter nur lokal und auf die zweite Tageshälfte beschränkt). Das GFS-Ensemble für den Gitterpunkt Seeland zeigt die Problematik dieser Lage deutlich auf:
Wir sehen die Wellenbewegung der 850-hPa-Temperatur mit Spitzen am Samstag (noch moderat), sowie in den Nächten von Montag auf Dienstag und Mittwoch auf Donnerstag. Die Täler dazwischen markieren die kühleren Einschübe der wellenden Front, welche ziemlich sicher die Westschweiz tangieren werden. Am Boden der Grafik wird der 6-stündige Niederschlag gezeigt, und da ist in diesem Lauf ein Detail besonders interessant: Während viele Ensemble-Mitglieder in der Nacht von Sonntag auf Montag Niederschlag zeigen, bleibt der Hauptlauf (der dicke grüne) trocken. Dasselbe noch mal für die Nacht vom 1. auf den 2. August. Da der Hauptlauf stärker aufgelöst ist als die übrigen Member, wird der Gitterpunkt im Flachland trocken berechnet, die Gewitter beschränken sich auf den Jura und die Alpen:
Doch kann man diesem Braten im heissen Ofen auf mehrere Tage hinweg trauen? Nein, schon gar nicht bei dieser Lage. Das Modell zeigt alle 6 Stunden etwas anderes, und das dürfte wohl noch eine Weile so bleiben. Es ist daher völlig sinnlos, auf die Details der einzelnen Tage einzugehen. Das einzige was man sagen kann: Das Potenzial für sehr heftige Gewitter ist aufgrund der Luftmasse (sehr heiss mit feuchten Einschüben) von Sonntag bis Donnerstag als hoch einzustufen. Der südwestliche Höhenwind schwankt ebenfalls, da die Front mal etwas näher, mal weiter draussen in Frankreich liegt. Dies wiederum lässt erst kurzfristige Prognosen über den zu erwartenden Charakter der Gewitter (Cluster oder Superzellen, also Hauptgefahr Starkregen oder Hagel und Sturm) zu.
Der einzige Tag, der sich recht sicher einschätzen lässt, ist der Samstag: Lange sonnig trotz gelegentlicher Wolkenfelder und in den meisten Teilen der Schweiz trocken und sehr warm. Aufpassen muss man entlang und südlich des Alpenhauptkamms am Nachmittag und Abend, wobei auch hier die verschiedenen Modelle und innerhalb derer sogar die Läufe mal mehr, mal weniger Aktivität zeigen. Es wird also eine für Meteorologen arbeitsintensive Zeit und die Nutzer tun gut daran, wenn sie regelmässig das Radar und die etwas häufiger als üblich aktualisierten Kurzwetterberichte darunter zu Rate ziehen.
Wow, umfangreiche Analyse und Interpretation! War sehr interessant zu lesen. LG Hannes