Wir haben immer noch „Winter 2017/18“ und wie sollte es anders sein: Der nächste nasse Sack steht vor der Tür. Eine ganze Woche Verschnaufpause wurde uns gegönnt. Dabei haben wir ziemlich gelassen zugeschaut, wie die grossräumige Zirkulation über Europa so etwas wie eine Ostlage versucht hat hinzubekommen – sie war von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Bereits in der Monatsprognose an Silvester habe ich erklärt, wieso der Atlantik eine Macht sein wird in diesem Januar. Nun hat sich das riesige nordamerikanische Kaltluftreservoir über den Nordatlantik ergossen und erzeugt dort gewaltige Temperaturunterschiede auf engstem Raum: Die beste Voraussetzung für die Bildung neuer Sturmtiefs, die per Express nach Europa geliefert werden. Die nächsten schlaflosen Nächte sind vorprogrammiert und wer sich draussen aufhalten muss, ist gut beraten, äusserste Vorsicht walten zu lassen.
Die grossräumige Druck- und Windverteilung in rund 5000 m Höhe im Titelbild kommt uns irgendwie bekannt vor: Wie bereits vor zwei Wochen erstreckt sich ein mächtiges Förderband über den Nordatlantik und zielt genau auf die Alpen, wo es angesichts des osteuropäischen Hochdruckblocks aufgefächert wird. Wetter wiederholt sich allerdings nie ganz genau und so gilt es auch diesmal, das Augenmerk auf die Details zu legen, soweit sie heute bereits abschätzbar sind.
Das erste Sturmfeld erreicht in der Nacht auf Dienstag den Jura, durch Kanalisierungseffekte kann es in den Tälern sowie am Jurasüdfuss und auf den Mittelland-Hügeln schon mal zu schweren Sturmböen kommen. Dabei steigt die Schneefallgrenze vorübergehend auf 1000 bis 1200 m an. Am Dienstag schleift die Kaltfront längere Zeit knapp nördlich der Schweiz. Die bodennahe Kaltluft dringt erst am Abend mit der Bildung eines Randtiefs südlich der Alpen richtig zu uns vor, womit auch in den Niederungen mit Schneefall zu rechnen ist. Nachdem der Wind tagsüber im Warmsektor permanent stark aus Südwest bläst, ist in den Abendstunden mit der Kaltfront ein zweiter Höhepunkt mit Winddrehung auf West zu erwarten. „Begünstigt“ für schwere Sturmböen sind in solchen Fällen der Hochrhein und die Bodenseeregion sowie etwas zeitversetzt die Eingänge zu den Alpentälern.
Am Mittwoch verbleiben wir auf der Rückseite der Kaltfront in vom Atlantik erwärmter Polarluft. Es kommt immer wieder zu teils kräftigen Schauern, meist in fester Form bis in tiefe Lagen – angesichts des starken Windes bleibt die Temperatur aber knapp zu hoch, um im Flachland eine ansehnliche Schneedecke zuzulassen. Dass der Schneematsch in den tiefen Lagen gefriert, ist ebensowenig zu befürchten, da in der Nacht auf Donnerstag bereits der Wolkenschirm der nächsten Warmfront aufzieht. Diese gehört zu einem Randtief, das sich heute Montag vor der US-Ostküste gebildet hat und am Dienstag am westlichen Rand der Karte auftaucht:
Dabei handelt es sich – getrieben vom oben erwähnten Förderband – um einen sogenannten Schnellläufer: Bereits 45 Stunden später soll er sich über Norddeutschland befinden.
Ist das Tief erst mal entstanden, kann seine ungefähre Zugbahn relativ gut prognostiziert werden. Es gibt aber immer Unsicherheiten, da sich geringe Veränderungen bei der hohen Zuggeschwindigkeit auf zwei Tage hinaus schnell mal auf 6 bis 12 Stunden bezüglich des Eintreffens bei uns aufsummieren können. Ein weiterer Unsicherheitsfaktor ist die Stärke des Tiefs. Diese dürfte in den nächsten Modelläufen noch mehrmals verschieden berechnet werden, es ist daher wenig sinnvoll, bereits jetzt zu sehr über exakte Zahlen zur Sturmstärke zu spekulieren. Klar ist: Das Potenzial für einen schweren Sturm ist vorhanden. Die folgende Karte ist daher mehr als ungefähre Richtlinie zu verstehen:
Zu den ohnehin bereits beträchtlichen Windgeschwindigkeiten, verursacht durch den Druckgradienten, kommt die hohe Zuggeschwindigkeit des Randtiefs hinzu. Die dargestellte mittlere Windgeschwindigkeit von etwa 120 km/h in der Nordschweiz kann jederzeit böig zum Boden runtergemischt werden, wenn die Bedingungen stimmen. Da die Aufräumarbeiten nach dem Sturm „Burglind“ in unseren Wäldern bei weitem noch nicht überall abgeschlossen sind, ist damit zu rechnen, dass dieser Sturm vor allem bei bereits geschwächten Bäumen und an frisch entstandenen Windwurfflächen nachlegt. Dass man auch im Siedlungsgebiet angesichts solcher Aussichten alle notwendigen Sicherungsmassnahmen vornehmen sollte, versteht sich von selbst. Detaillierte Prognosen zum zeitlichen Ablauf und der Stärke sind erst am Mittwochabend möglich, es wird die Konsultation des bei Bedarf häufiger aktualisierten Unwetterberichts unter dem Radarloop von meteoradar empfohlen.
Nach den aktuellen Unterlagen handelt es sich diesmal in erster Linie um einen Warmsektorsturm. Die Schneefallgrenze steigt am Donnerstag wahrscheinlich bis auf etwa 1500 m an. Ein derart heftiger und vor allem lang andauernder Spülgang wie vor zwei Wochen ist allerdings eher unwahrscheinlich. Die Kaltfront zieht vermutlich erst in der Nacht zum Freitag oder am Freitagmorgen durch, aus heutiger Sicht ist aber die Höhenkaltluft diesmal weniger bissig als bei „Burglind“: Einzelne elektrische Entladungen sind wahrscheinlich, flächendeckende konvektive Aktivität mit einhergehenden Orkanböen sind aber nach aktuellem Stand eher nicht zu erwarten. Doch wie gesagt: Diesbezüglich gilt es noch etwas abzuwarten und trotzdem auf der Hut zu sein.
Der Freitag scheint ungefähr eine Kopie des Mittwochs zu werden: Weiterhin sehr windig, aber nicht mehr volle Sturmstärke, dabei immer wieder Schneeschauer bis in die Niederungen. Dabei dürfte es auch diesmal wieder zu warm sein, um tagsüber in den tiefsten Lagen eine Schneedecke zu bilden. Erst in der Nacht zum Samstag kühlt es ausreichend aus. Wie viel Niederschlag dann aber noch nachkommt, wird sich weisen müssen. Der Sonntag scheint nach den heutigen Karten der erste Tag in diesem Jahr zu sein, der flächig mässigen Frost bringen dürfte. Winterfreunde sollten es geniessen, denn bereits zum Anfang der nächsten Woche zeichnet sich die erneute Umstellung auf eine milde Südwestlage ab.