Gewittervorschau 13.-20.08.2015

Der Hochsommer verabschiedet sich würdig: Eindrückliche Strukturen bis hin zu Superzellen sind wahrscheinlich

Der Hochsommer verabschiedet sich würdig: Eindrückliche Strukturen bis hin zu Superzellen sind wahrscheinlich

Das Jahr 2015 scheint zu jenen zu gehören, in denen sich der Hochsommer peinlich genau an den Kalender hält. Der Witterungsabschnitt mit den wiederholt heissen Phasen hat exakt zum Monatswechsel Juni/Juli begonnen und endet Mitte August – ein Paradebeispiel für die bekannte Siebenschläfer-Regel, auf deren Bilanz nächste Woche im fotometeo-Blog näher eingegangen werden soll. Eine solche Einleitung kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir uns an diesem Wochenende vom Hochsommer verabschieden müssen und nun definitiv der Spätsommer Einzug hält. Dieser markante Wechsel geht mit einer deutlichen Änderung des bisherigen Grosswetterlagen-Musters einher: Das permanente West- bis Südwestregime der letzten Monate endet und macht erstmals seit Mitte März wieder mal einer Ostwetterlage Platz.

Die grossräumige Umstellung ist anhand der Höhenwindkarten in rund 5500 m gut zu erkennen: Das blockierende Osteuropa-Hoch wird von der atlantischen Westströmung südlich umfahren und zieht sich nach Skandinavien zurück. Die warme Höhenströmung, zunächst aus Süd, später Südost, wird nach Osten abgedrängt, wobei sich eine scharfe Luftmassengrenze entlang einer Tiefdruckrinne von der Nordsee zu den Ostalpen ausbildet:

20150813-blog2Der dafür verantwortliche Trog über Westeuropa liegt am Donnerstag mit seinem Tiefdruckkern über der Biskaya und wird im Lauf des Wochenendes von einem weiter nördlich nach Osten vorstossenden Atlantiktrog eingefangen. Dadurch kommt das Tief mit seinem komplizierten Frontensystem kaum noch weiter östlich voran. Am Donnerstagabend überquert uns erst mal eine vorlaufende Konvergenz (in der Ostschweiz Föhn über Bise, im Westen Südwestwind):

Da nach Nordosten ziehende Biskayatief mit mehreren Fronten am Donnerstagabend (schwarz = vorlaufende Konvergenz; rot = Warmfront; blau = Kaltfront; violett = Okklusion

Das nach Nordosten ziehende Biskayatief mit mehreren Fronten am Donnerstagabend (schwarz = vorlaufende Konvergenz; rot = Warmfront; blau = Kaltfront; violett = Okklusion

Gewitter bilden sich in der trockeneren Föhnluft der Ostschweiz wohl nur vereinzelt. Westlich der für diese Wetterlage typischen Grenze Hohgant-Napf kommt es hingegen verbreiteter zur Auslöse, wobei die Schwerpunkte über den Savoyer und Waadländer Alpen sowie im Hochjura liegen. Ein sich daraus bildender Cluster könnte am Abend in der Westschweiz einen Coldpool bilden, der durchs Mittelland nach Osten ausbricht und mit böigem Wind die untere Luftschichtung stabilisiert. Die Westhälfte der Schweiz muss mit unwetterartigen Entwicklungen rechnen, grösserer Hagel ist ebenso wahrscheinlich wie exzessiver Regen und verbreitete Sturmböen.

In der Nacht auf Freitag und am Freitagmorgen ist es vorübergehend ruhig. Mit dem Übergreifen der Kaltfront auf die Schweiz ist ab den Mittagsstunden aber erneut mit heftigen Gewittern zu rechnen, welche mehrheitlich von Süden nach Norden ziehen, diesmal aber deutlich weiter nach Osten ausgreifen als noch am Donnerstag. Wahrscheinlich bleibt es nur im äussersten Osten unter Föhneinfluss länger trocken, am späteren Abend treffen die Gewitter auch hier ein. Damit einher geht ein deutlicher Temperatursturz: Zeit, dem Hochsommer 2015 good bye zu sagen…

Am Samstag liegt die Schweiz mit Ausnahme der Alpensüdseite bereits vollständig in der Kaltluft, aber noch im Einflussbereich des Trogs. Die in der Karte oben eingezeichneten Okklusionsfronten schwenken über uns hinweg nach Norden und sorgen noch verbreitet für kräftige Regengüsse, vereinzelt kann noch mal Blitz und Donner mit dabei sein. Gegen Abend sollte sich das Wetter von Westen her zumindest im Flachland beruhigen, besonders am Alpennordhang regnet es aber wohl auch noch bis in den Sonntag hinein. Dabei dürfen wir wieder mal die Schneefallgrenze erwähnen: Sie sinkt in den Westalpen, wo die kälteste Luft gerade noch hinreicht, am Sonntagmorgen auf rund 2000 m, in den Südalpen verbleibt sie um oder sogar über 3000 m.

Mit der Drehung des Bodenwindes auf östliche Richtungen drückt die schwül-warme Luft von Osteuropa langsam wieder zurück nach Westen und sorgt so auch in der Schweiz vor allem am Dienstag noch mal für erhöhte Gewittergefahr. Wie sich die Luftmassengrenze in der Folge genau präsentieren wird, ist noch sehr unsicher. Ein Ost-West-Gefälle dürfte aber bestehen bleiben, fragt sich eben nur, ob die Schweiz mehr auf die eine oder andere Seite zu liegen kommt. Jedenfalls bleibt es unbeständig mit erhöhter Anfälligkeit für Schauer und Gewitter im Tagesgang, aber wohl kaum mehr mit heftigen Entwicklungen. Die Temperaturen pendeln sich auf gemässigtem Spätsommerniveau ein, können aber unter längerem Frontalregen nach der langen Hitzeperiode schon als recht herbstlich empfunden werden. Etwas scheint jedoch gesichert zu sein: Das Thema Trockenheit dürfte sich allmählich erledigen.

Unsere Dienstleistung am Beispiel 08.08.2015, Thunerseespiele

Unwetter-Prognose von fotometeo Muriset unter dem Radarbild von meteoradar.ch. Der Screenshot zeigt die Prognose vom Mittag und die Situation um 20:25 MESZ mit einem Gewitter genau über Thun

Unwetter-Prognose von fotometeo Muriset unter dem Radarbild von meteoradar.ch. Der Screenshot zeigt die Prognose vom Mittag und die Situation um 20:25 MESZ mit einem Gewitter genau über Thun

„Wetterprognose war Lotterie“ titelt heute die „Berner Zeitung“ in ihrer Online-Ausgabe zu den Ereignissen am Wochenende vom 8./9. August 2015. Ist dem wirklich so? Je nach Standpunkt kann man dem zustimmen, doch so plakativ darf diese Aussage nicht stehen gelassen werden. Wenig hilfreich ist aus unserer Sicht der Tipp eines Mitbewerbers in besagtem Artikel, bei Wetterlagen mit Gewitterrisiko mit einem Blick aus dem Fenster die Lage kurzfristig zu beurteilen: Für den Grillabend im eigenen Garten mag das durchaus sinnvoll sein. Für Veranstalter, welche für das Wohlergehen ihrer Gäste und Mitwirkenden die Verantwortung tragen und oft schon am Mittag entscheiden müssen, ob und allenfalls mit welchen Vorsichtsmassnahmen ihr Anlass am Abend durchgeführt werden kann, wäre dieser Blick aus dem Fenster wie am vergangenen Samstag trügerisch. In solchen Fällen helfen nur die langjährige Erfahrung und das Gespür von Meteorologen, die sich auf genau solche Fälle spezialisiert haben. Am Beispiel der von uns betreuten Thunerseespiele möchten wir aufzeigen, wie eine solche Beratung aussieht.

Freilichtveranstalter müssen oft aus logistischen Gründen und um die Gäste frühzeitig informieren zu können, bereits am Mittag darüber entscheiden ob ihr Programm am Abend durchgeführt werden kann oder nicht. In den meisten Fällen ist diese Prognose-Vorlaufzeit problemlos, sowohl bei stabilen Hochdrucklagen wie auch bei Tiefdruckeinfluss mit breiten Fronten und relativ gut vorauszuberechnenden Niederschlagsgebieten. Am heikelsten ist die Entscheidung jeweils bei Gewitterlagen, wo auch mit der heutigen Technik der genaue zeitliche und örtliche Verlauf erst sehr kurzfristig (bestenfalls zwei Stunden, in der Regel weniger) sicher prognostiziert werden kann. In solchen Fällen kann einzig eine Risikoabwägung abgegeben werden: Welche Intensitäten (Blitzaktivität, Sturmgefahr, Hagel, Überflutung) gibt die Luftmasse her? Über welchen Gebieten entstehen die Gewitter bevorzugt bei der vorherrschenden Grosswetterlage und welche Zugbahn nehmen sie? Wettermodelle geben Anhaltspunkte, sind aber je nach Lage wie bei unserem Beispiel vom 08.08.2015 sehr widersprüchlich, sodass oft nur die langjährige Erfahrung von Meteorologen weiterhilft, die sich auf die Gewitterklimatologie des Alpenraums spezialisiert haben.

Anhand dieser Erfahrung wurde von uns die Wahrscheinlichkeit, dass am Abend ein heftiges Gewitter die Region Thun treffen könnte, als hoch eingestuft. Die sehr warme und schwüle Luftmasse sowie die Verteilung der Windrichtung in der Höhe hielt zudem ein Potenzial für Sturmgefahr am exponierten Festgelände sowie von grösserem Hagel bereit. Der Entscheid der Verantwortlichen, die Vorstellung zu verschieben, war somit folgerichtig, wenn auch unpopulär. Denn auf den öffentlichen Kanälen wurde den ganzen Tag wie schon am Vorabend herausgestrichen, dass die Gewitter am Samstag schwächer bzw. weniger verbreitet auftreten würden als noch wenige Tage zuvor prognostiziert. Das war aus gesamtschweizerischer Sicht zwar richtig, unterschlägt jedoch das lokale Gefahrenpotenzial. Nicht wenige Besucher, die am Abend die Thunerseespiele besuchen wollten, wurden zudem beim nachmittäglichen „Blick aus dem Fenster“ eines nahezu wolkenlosen Himmels über weiten Teilen der Alpennordseite gewahr:

Satellitenbild vom 08.08.2015, 14:00 UTC = 16:00 MESZ  (Quelle: Eumetsat, chmi.cz)

Satellitenbild vom 08.08.2015, 14:00 UTC = 16:00 MESZ (Quelle: Eumetsat, chmi.cz)

Da gleichzeitig am Nachmittag Wettermodelle, welche weit verbreitete Wetter-Apps beliefern, die Gewittertätigkeit am Abend vom Berner Oberland bis in die Ostschweiz völlig aus dem Programm strichen, liessen sich einige Besucher des Anlasses auf der Facebook-Seite des Veranstalters zu empörten Kommentaren über die verschobene Vorstellung hinreissen. Wir befinden uns eben im Zeitalter der allumfassenden und allgegenwärtigen Information, deren Qualität der nicht geschulte Laie keineswegs zu beurteilen in der Lage ist. Da aufgrund der meist sehr billigen, wenn nicht gar kostenlosen Hilfsmittel jedermann/frau zum Wetterexperten aufgestiegen ist, kommt es nicht selten zu fatalen Fehleinschätzungen. Was bei privaten Anlässen und Unternehmungen meist glimpflich ausgeht oder nur wenige Personen betrifft, hat jedoch vor zwei Jahren an einem Grossanlass an einem anderen Schweizer See bei ähnlicher Wetterlage viele Verletzte und gar ein Todesopfer gefordert. Die Besucher der Thunerseespiele hatten Glück, dass der Veranstalter verantwortungsvoll mit der Sicherheit seiner Gäste und Mitwirkenden umgeht und sich eine professionelle Beratung leistet und sich im Zweifelsfall gegen das Risiko entscheidet.

Ein über den Savoyer Alpen entstandener Gewitterkomplex zog im Lauf des frühen Abends langsam nordostwärts über das Unterwallis und via Waadtländer Alpen ins westliche Berner Oberland. Exakt zum geplanten Spielbeginn traf das Gewitter in Thun ein. Der gewaltige Platzregen hätte jedenfalls einen Abbruch der Vorstellung bewirkt, bzw. die Gäste wären aufgrund der durch fotometeo Muriset und meteoradar überwachten Wetterlage noch vor Vorstellungsbeginn nach Hause geschickt worden. Die etwas westlich der Stadt gelegene Station von MeteoSchweiz meldete Windböen von 54 km/h, direkt am Seeufer werden in der Regel höhere Werte erreicht. Die Blitzortung ergab während der ersten Stunde der geplanten Spielzeit 11 Blitzeinschläge im Umkreis von 3 km um die Bühne, der naheste Einschlag war nur 900 m entfernt. Das Risiko eines Blitzschlages in das Festgelände kann somit auf etwa 1:50 geschätzt werden. Ein Blitzschlag in die mit annähernd 2000 Menschen voll besetzte Tribüne wäre verheerend, auch bei einer rechtzeitigen Evakuation wären immer noch viele Leute im Freien bzw. im Zelt unzureichend geschützt und die Folgen von Hektik bzw. Panikreaktionen wären nicht absehbar.

Die nachfolgende Regensummenkarte von Samstag 08:00 bis Sonntag 08:00 MESZ zeigt sehr schön die Zugbahn des Gewitters, das aus Südwesten kommend bei Thun nach Norden abbog und in der Folge über das Emmental und den Jura bis ins Baselbiet zog:

20150810-3Dem umsichtigen Handeln der Veranstalter sei Dank wurde niemand dem Risiko eines noch heftigeren Gewitters ausgesetzt, das bei dieser Wetterlage durchaus möglich gewesen wäre. Am gleichzeitig stattfindenden Stadtfest in Thun (bedauerlicherweise nicht unser Kunde) wurden die Gäste hingegen vom Gewitter überrascht, die laufenden Konzerte mussten abgebrochen werden.

Das Konzept mit der Zusammenarbeit von fotometeo Muriset und meteoradar GmbH hat sich in den letzten Jahren nicht nur bei den Thunerseespielen, sondern auch bei etlichen anderen Anlässen bewährt. Während meteoradar.ch die Niederschlags- und Blitzdaten übersichtlich aufbereitet zur Verfügung stellt und automatische kurzfristige Lokalprognosen anbietet, ergänzt fotometeo Muriset diesen Dienst durch die persönliche Beratung. Diese umfasst je nach Bedürfnis des Kunden eine mittelfristige Prognose über mehrere Tage, Beratungsgespräche über die Durchführbarkeit von Anlässen im Lauf des Tages sowie bei Bedarf die zeitnahe Überwachung und Einschätzung der Gefahrenlage mit aktiver Warnung im Akutfall, damit rechtzeitig sinnvolle Massnahmen vor Ort eingeleitet werden können. Diese Dienstleistung eignet sich besonders für kleinere bis mittelgrosse Anlässe wie Freilichttheater, Konzerte, Openair-Kinos, Sportveranstaltungen und Vereinsanlässe jeder Art, die den Risiken von Unwettern ausgesetzt sind. Egal ob nur für ein Wochenende oder für eine ganze Saison, die Betreuung erfolgt jeweils durch dieselbe Person mit langjähriger internationaler Erfahrung im Unwetterwarndienst und hervorragender Ortskenntnis. Dank der persönlichen und flexiblen Betreuung ohne Schichtwechsel und zu jeder Uhrzeit ist eine sehr hohe Konsistenz der Prognoseleistung gewährleistet, denn fixe Dienst- bzw. Bürozeiten sind bei uns ein Fremdwort. Die Leistungen (Abwägung zwischen automatischen und personalisierten Prognosen) werden individuell den Risiken der Veranstaltung, deren Grösse und der Umgebung (Rückzugsmöglichkeiten) angepasst und sind somit dank flexibler Preisgestaltung auch für kleine Anlässe mit schmalem Budget bezahlbar.

Wenn Sie also einen solchen Anlass planen oder für dessen Sicherheit verantwortlich sind, zögern Sie nicht mit uns Kontakt aufzunehmen. Wir werden gemeinsam die für Sie geeignetste Variante eruieren und sichern Ihnen eine unkomplizierte und zuverlässige Betreuung zu.

Radarloop vom 08.08.2015 09:00 bis 23:55 MESZ (Archiv Donnerradar von meteoradar.ch, kostenpflichtig)

Radarloop vom 08.08.2015 09:00 bis 23:55 MESZ (Archiv Donnerradar von meteoradar.ch, kostenpflichtig)

Gewittervorschau 07.-13.08.2015

Die Sauna kehrt zurück...

Die Sauna kehrt zurück…

Nach einer wohlverdienten Ruhepause (lediglich der letzte Dienstag vermochte ganz im Osten der Schweiz noch für etwas Spannung zu sorgen) lohnt sich diesmal wieder ein genauerer Blick auf die Wetterentwicklung der nächsten Tage. Wer hier allerdings der Weisheit letzter Schluss zu finden hofft, wird enttäuscht werden: Zu komplex ist die Lage mit einem Abtropfprozess und verschiedenen kleinräumigen Randtiefs, die erfahrungsgemäss zu Eskapaden neigen und innerhalb weniger Stunden ein sicher geglaubtes Szenario völlig neu aufmischen können. Es kann also einmal mehr nur auf das Potenzial möglicher Entwicklungen eingegangen werden, der genaue Ablauf ist dann einzig anhand der Nowcasting-Werkzeuge im jeweiligen Tagesverlauf absehbar.

Ein Blick auf die allgemeine Lage offenbart rasch das Dilemma sämtlicher Prognostiker zwischen Costa Blanca und Timmendorfer Strand:

20150807-blog2Ein sich aus Westen nähernder Trog wird durch eine Hochdruckbrücke zwischen dem Azorenhoch und dem Hoch über Osteuropa auseinander gerissen. Der südliche Teil tropft über Frankreich Richtung westliches Mittelmeer ab, der nördliche Teil vertschüsst sich zur Ostsee. Die damit verbundene Kaltfront sollte nach den Karten der letzten Tage noch über uns hinwegziehen, verwellt aber nach aktuellstem Stand über Ostfrankreich, sodass der Alpenraum vollständig in der schwül-heissen Luftmasse verbleiben soll. Dabei stellen sich gleich mehrere Fragen: Wie verläuft die genaue Zugbahn der kleinen Tiefs und wie rasch schliesst sich die Hochdruckbrücke, bzw. wie wirkt sich diese auf den Rest der verwellenden Front aus? Und vor allem: Was für Schweinereien stellt die Eigendynamik der in der schwülen Luftmasse entstehenden Cluster an?

Am Freitagabend ist noch nicht allzu viel zu erwarten. Der Deckel des starken Höhenrückens über uns hält vorerst dicht, das eine oder andere Hitzegewitter irgendwo über den Hochalpen ist aber nicht völlig auszuschliessen. Am besten stehen die Chancen dafür südlich des Alpenhauptkamms.

Spannend wird es ab Samstagvormittag: Wie nahe ziehen allfällige Cluster, welche die Nacht in Frankreich überlebt haben, durch die Burgunder Pforte nordostwärts? Die verschiedenen Modelle haben alle möglichen Varianten parat, von gar nichts über zu weit weg bis nah genug, um einen vormittäglichen Joran auszulösen, ist alles möglich. Variante Joran würde bedeuten, dass die eingeflossene bodennahe Kaltluft Entwicklungen im Jura nahezu verunmöglicht und einzig die Voralpenschiene am Nachmittag richtig zündet. Andernfalls ist die Auslöse am Jura, später an den Voralpen mit einem möglichen Zusammenschluss über dem Mittelland zu einem gewaltigen Cluster (MCS) denkbar. Ein weiteres Zünglein an der Waage wird die Sonneneinstrahlung am Samstag spielen. Jedenfalls sind heftige Gewitter entlang des gesamten Alpennordhangs wahrscheinlich. Je weiter weg von den Alpen, umso unsicherer ist die Lage. Aus Erfahrung ist die Möglichkeit durchaus gegeben, dass sich die gegenseitige Beeinflussung von verschiedenen Gewittersystemen bei gleichzeitigem Drehen des Bodenwindes von West über Nord auf Bise und gleichzeitig südlicher Höhenströmung in einem chaotischen Szenario äussern wird, die Zugbahnen also im Verlauf des Abends die Richtung wechseln können und so neue Gebiete erfassen, die zuvor als relativ sicher galten.

Abhängig vom Verlauf des Samstags bzw. der Nacht auf Sonntag (wie weit kommt die bodennahe Kaltluft?) ist auch die Entwicklung am Sonntag. Das amerikanische Modell geht davon aus, dass eine sehr energiereiche und vor allem wasserhaltige Luftmasse über der Alpennordseite verbleibt:

20150807-blog3Die Höhenströmung dreht auf Süd bis Südost, während am Boden Bise vorherrscht und also die heisse Luft im Osten zu uns zurückdrückt – die Kaltfront wird rückläufig und nimmt über Ostfrankreich Warmfrontcharakter mit Westwärtsverlagerung an. Entscheidend für die Entwicklung bei uns wird wohl sein, wie nahe der Kaltlufttropfen im Südwesten verbleibt und somit die Schichtung labilisiert. Von heftigen Entwicklungen aus den Alpen heraus mit ungewöhnlichen Zugbahnen in Richtung Nordwesten ins Mittelland hinaus ist auszugehen. Aufgrund der Seltenheit solcher Lagen sind die Erfahrungswerte über mögliche Szenarien gering, jedenfalls muss man aufgrund der Luftmasse und der Richtungsscherung bei gleichzeitg schwachem Höhenwind nicht nur von extremen Regenmengen innerhalb kurzer Zeit, sondern auch von dichtem, allerdings nicht grosskörnigem Hagel ausgehen.

Die Entwicklung in der neuen Woche wird vorerst vom Verhalten des abgetropften Tiefs über dem Mittelmeer abhängen. Aktuelle Rechnungen gehen davon aus, dass es sich genügend weit von den Alpen entfernt und sich so rasch auffüllt, dass die Gewitterneigung bei uns von Tag zu Tag bis Mittwoch abnimmt. Vor allem die Gebiete abseits der Alpen dürften in diesen drei Tagen weitgehend trocken bleiben. Die Annäherung des neuen CutOff-Tiefs am Donnerstag lässt die Strömung aus Süd bis Südost aufleben, was sehr schwülen Luftmassen aus dem östlichen Mittelmeerraum den Weg zu uns öffnet. Mit einer allmählichen Zunahme der Gewittertätigkeit in der zweiten Wochenhälfte ist also zu rechnen.

20150807-blog4Der obere Teil des Diagramms zeigt die Temperatur in rund 1500 m Höhe (für die Höchstwerte am Boden pro 100 m ungefähr 1 Grad dazuzählen). Die Fortsetzung der hochsommerlichen bis heissen Phase ist also auf Wochenfrist relativ gesichert. Die Ausschläge am Boden des Diagramms zeigen das hohe Niederschlagspotenzial am Wochenende, eine etwas trockenere Phase in der ersten Wochenhälfte und eine erneute Zunahme in der zweiten Wochenhälfte. Auf die tendenzielle Abkühlung zur Monatsmitte sollten nach den Erfahrungen des bisherigen Sommerlaufs zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht allzu hohe Beträge verwettet werden 😉