Schneefall im Oktober bis in die Niederungen kommt alle paar Jahre vor, letztmals in den Jahren 2008 und 2003. Beim aktuellen Ereignis ist allerdings der dafür verantwortliche Luftmassenwechsel rekordverdächtig, denn noch vor Wochenfrist wurden in höheren Lagen und in Föhngebieten sommerliche Temperaturen gemessen.
Die meisten Einwohner der Schweiz haben es wahrscheinlich gar nicht so extrem empfunden, denn in den Niederungen der Alpennordseite dominierte bereits während der gesamten letzten Woche Nebel oder Hochnebel mit Tageshöchstwerten um 10 Grad, hier beträgt der Temperaturrückgang innert Wochenfrist somit etwa 8 bis 12 Grad. Das ist zwar durchaus spürbar, aber nichts Aussergewöhnliches. Um den wahren Temperatursturz zu messen, muss man sich in der freien Atmosphäre umsehen, wo der Unterschied zwischen der subtropischen Luftmasse vom letzten Wochenende und der aktuellen Luftmasse polaren Ursprungs am deutlichsten messbar war. Meteorologische Messstationen auf den Bergen oberhalb von etwa 1500 m sind einerseits unbeeinflusst von Kaltluftseen, welche sich in den Niederungen im Winterhalbjahr sammeln und häufig eine Nebelschicht ausbilden. Andererseits sind Bergstationen auch weitgehend frei von starken Schwankungen zwischen Tag und Nacht, wie sie vor allem in engen Alpentälern sehr ausgeprägt auftreten können.
Sehr deutlich ist der Temperaturunterschied in den Föhntälern ausgefallen: Als extremes Beispiel sei das liechtensteinische Vaduz genannt, wo am 19. Oktober 2012 noch 29.0 Grad gemessen wurden, am 28. Oktober sind es gerade noch knapp 3 Grad. Diese Föhnstriche gelten als Ausnahme der Niederungen, aber sie sind ein Hinweis darauf, dass in höheren Lagen (wo die Föhnluft ursprünglich her kam) ähnliche Verhältnisse herrschen mussten. Ich habe die Bergstationen aus der Schweiz mit den extremsten Temperaturrückgängen innerhalb der letzten acht Tage herausgesucht (Zahlenfolge: 1. Temperaturdifferenz; 2. Maximum (mit Wochentag); 3. Minimum in der Nacht von Samstag auf Sonntag 27./28.10.2012):
Moléson (1972 m) 31,2 / 19,9 (So) / -11,3
Pilatus (2106 m) 29,6 / 17,6 (So) / -12,0
La Dôle (1676 m) 28,7 / 19,4 (So) / -9,3
Chasseral (1599 m) 28,5 / 19,4 (So) / -9,1
Säntis (2490 m) 28,1 / 13,4 (So) / -14,7
Weissfluhjoch (2690 m) 27,4 / 12,6 (Mo) / -14,8
Napf (1408 m) 26,2 / 18,5 (So) / -7,7
Interessant wären hier auch die Zahlen vom Jungfraujoch gewesen, leider fiel ausgerechnet in der Nacht auf Sonntag die Temperaturmessung aus. Vom Mittwoch, 24. Oktober bis zum Ausfall fiel hier die Temperatur von +5.1 auf -21.2 Grad. Man darf davon ausgehen, dass es bis Sonntag früh noch etwas kälter wurde.
Auffallend ist der Umstand, dass der extremste Temperatursturz in einer Höhe von rund 2000 m stattgefunden hat, weiter oben wie auch weiter unten waren die Extremwerte etwas geringer. Aus den Südalpen befinden sich keine Stationen unter den Spitzenreitern, weil hier die Kaltluft aus Norden weniger gut vordringen konnte – das Tief über Norditalien steuert hier in der Höhe nach wie vor etwas mildere Luft herbei.
Man muss in den Klimatabellen sehr weit zurück blättern, um einen ähnlichen Temperatursturz in weniger als Wochenfrist zu finden: Ähnlich extrem war der Kaltlufteinbruch von Ende Januar bis Anfang Februar 1956 mit durchschnittlich 25 Grad Temperaturdifferenz, der sich allerdings nicht nur in höheren Lagen, sondern beispielsweise auch in Zürich und Basel bemerkbar machte.