Erster Herbststurm, Wintereinbruch in den Bergen – und wo bleibt der Altweibersommer?

Es scheint so, als würden wir in letzter Zeit um den Altweibersommer betrogen werden. 2016 hochsommerliche Temperaturen bis Ende September und dann schlagartig Vollherbst – und dieses Jahr dasselbe Spiel, nur einen Monat früher. Das erste ausgewachsene Sturmtief über der Nordsee kommt aussergewöhnlich früh und schickt einen Ausläufer bis zur Alpennordseite, in seinem Schlepptau ein kalter Gruss aus Grönland, der den Alpen einen ebenso aussergewöhnlich frühen Wintereinbruch beschert. Wie sich die Grosswetterlage danach entwickelt, ist derzeit in den Modellen äusserst spannend zu verfolgen. Oft sind frühe Kälteeinbrüche im September Türöffner für einen schönen Herbst, doch ob es auch diesmal klappt? Nebst den stürmischen Kurzfrist-Aussichten wollen wir in diesem Artikel auch etwas über die Mittelfrist spekulieren.

Betrachten wir die aktuelle Ausgangslage anhand der Karte im Titelbild (anklicken für volle Grösse) so erkennen wir eine stramme Westströmung über Europa. Auf der Vorderseite des umfangreichen Tiefdruckkomplexes wird sehr warme Luft über Osteuropa weit in den Norden geführt und stützt ein Russlandhoch, das die Ostverlagerung des Tiefs blockiert. Auch über dem Nordatlantik wird unter dem Einfluss der Ex-Hurrikane tropische Luft weit nach Norden transportiert, was dort ebenfalls die Bildung eines blockierenden Hochs bewirkt. Auf dessen Vorderseite kann Polarluft auf direktem Weg nach Westeuropa gelangen. Das Nordatlantikhoch bewegt sich in den nächsten Tagen nach Nordskandinavien und spielt das Zünglein an der Waage für unser Wetter in Wochenfrist, doch dazu später mehr. Zunächst müssen wir uns mit dem ersten Herbststurm der Saison befassen:

Heute Mittwoch zieht die Warmfront des Tiefs über uns mit ein wenig Regen hinweg, der Südwestwind zieht bereits kräftig an und erreicht auf den Bergen Sturmstärke. Vor allem am Nachmittag, wenn sich hinter der Front die Sonne zeigt, kann der Wind auch ins Flachland gemischt werden, dann ist mit den ersten stürmischen Böen zu rechnen. Sturmtechnisch kommen wir relativ gut weg, weil das Maximum des Höhenwindes in der Nacht bis zum frühen Morgen über uns liegt und durch die nächtliche Auskühlung der Wind nicht voll durchgreifen kann, trotzdem müssen wir mit einer unruhigen Nacht rechnen:

Dieses sekundäre Sturmfeld (das erste befindet sich weit im Norden) ist auf eine Randtiefentwicklung zurückzuführen, die sich entlang der markanten Kaltfront vollzieht. Diese wiederum erreicht uns am Donnerstagvormittag:

Schon fast lehrbuchhaft ist die Randtiefentwicklung aufgrund des sehr scharfen Temperaturgradienten. Während am Mittag bei uns die Temperatur von 20 auf teils unter 10 Grad fällt, werden in Östösterreich am Nachmittag teils über 25 Grad erreicht. Kein Wunder, kommt es an der Front auch hier und da zu Blitz und Donner. Noch mehr davon könnte es auf der Rückseite gegen Abend geben, wenn auch noch die Höhenkaltluft bei uns eintrifft. Zweifellos muss man aber das Hauptaugenmerk auf den Wind richten:

Hier sind die maximalen Windböen beim Eintreffen der Front am Vormittag dargestellt. Am heftigsten wird es wahrscheinlich am Jurasüdfuss, wo die Winddrehung auf Nordwest mit starkem Druckanstieg nördlich des Juras einen Fallwind (Joran) auslöst. Vor allem in der Westschweiz bis etwa nach Grenchen ist hier mit Böen von 100 – 110 km/h zu rechnen. Etwa 80-90er Böen in den Niederungen sind im weiteren Verlauf am Bodensee sowie an den Eingängen zu den Alpentälern infolge Kanalisationseffekten zu erwarten, ebenso in erhöhten und exponierten Lagen des Mittellands. Gegen Abend lässt der Wind allmählich nach und in der darauf folgenden Nacht sollten wir wieder besser schlafen können…

Die eingangs erwähnte Verlagerung des Nordatlantikhochs in Richtung Nordskandinavien schnürt den Trog am Wochenende ab. Da gleichzeitig das Hoch im Osten blockiert, entsteht daraus eine Lage Tief Mitteleuropa (bereits die vierte seit Anfang Juli, sehr aussergewöhnlich diese Häufung). Die zuvor aus Grönland importierte Polarluft bleibt über uns gefangen und dreht sich mehrere Tage im Kreis. Typisch für diese Lage ist, dass keine Region rund um die Alpen längere Zeit von einer Leewirkung (Föhn) profitieren kann. Nach den bereits sehr intensiven Regenfällen an den beiden vergangenen Wochenenden steht auch diesmal ein sehr nasses bevor, wobei der Schwerpunkt diesmal eher etwas östlich zu liegen kommen dürfte:

Je nach Intensität der Niederschläge kann die Schneefallgrenze zeitweise auf 1000 m sinken, unter Umständen in einzelnen Tälern sogar noch etwas tiefer. In etwa 2000 m Höhe ist bis Dienstag insgesamt mit bis zu einem Meter Neuschnee zu rechnen, der je nach Verlauf des Herbstes unter Umständen noch lange Bestand haben könnte. Wobei wir im letzten Jahr gesehen haben, dass eine kräftige, mehrtägige Föhnlage auch ein solches Polster im Nu dahinraffen kann. Auch ein ordentlicher Altweibersommer mit kräftiger Erwärmung in der Höhe unter einem Hochdruckgebiet könnte dem Schnee zusetzen. Doch ist ein solcher in Sicht?

Möglich, ja, doch angesichts der Ensembles sieht die Entwicklung ab dem 20. September extrem unsicher aus. Nun kommt das eingangs erwähnte Skandinavienhoch ins Spiel. Wird dieses kräftig genug, kann es die Reste des abgetropften Tiefs aus Osteuropa wieder zurück nach Westen steuern. Das würde für uns eine schwarze Bisenlage bedeuten – Altweibersommer sieht anders aus. Einige Modelle zeigen, dass sich die Reste dieses Tiefs über Osteuropa halten und wir von Westen unter Hochdruckeinfluss geraten. Angesichts der feuchten Vorgeschichte würde auch dies nicht etwa Spätsommer, sondern Herbst bedeuten: Inversionslage mit Nebel in den Niederungen, immerhin sonniges und mildes Bergwetter. Die einzige Chance für einen ordentlichen Altweibersommer wäre eine kräftige Südwest- oder Südföhnlage, welche den feucht-kühlen Bodensatz wieder ausräumen würde, doch solcherlei ist in den Karten nur in wenigen Aussenseiterlösungen zu sehen. Scheint so, als müssten wir uns definitiv mit dem Herbst anfreunden…