Die sibirische Kaltluft rückt vor

Wetterkarten des GFS Modells, Quelle: wetter3.de

Der Winter 2011/2012 war bisher durch milde Temperaturen und zahlreiche Westwindlagen mit unruhiger Witterung geprägt. Mehrere NW-Staulagen brachten den Alpen z.T. gewaltige Neuschneemengen. Nun scheint sich die Wetterlage schleichend umzustellen. Die atlantischen Fronten werden schwächer, und aus Osten sickert zunehmend kalte Bodenluft ein und lässt die Temperaturen im Flachland allmählich wieder in den Negativbereich absinken.

Treibende Kraft der Umstellung scheint das Vorrücken der sibirischen Kaltluft gegen Westen zu sein. Das erkennt man sehr gut an einem Vergleich von zwei Karten des globalen Vorhersagemodells GFS, eine gültig für heute, die zweite gültig für den Donnerstag der nächsten Woche (siehe beigefügte Grafik). Diese Karten zeigen den Bodendruck, das Höhenfeld 500 hPa und die sog. relative Topographie 1000/500 hPa in Farbabstufungen. Diese letzte Grösse ist, anschaulich betrachtet, ein Mass für die mittlere Temperatur der Luftschicht vom Boden bis ca. 5 km Höhe. Orange-gelbe Farbtöne sind warme Luftmassen. Diese werden über grün-blau-violett bis dunkelviolett immer kälter.

Der Kartenausschnitt zeigt fast die gesamte Nordhemisphäre. Der Nordpol ist in der Kartenmitte, Europa liegt im unteren Kartenbereich, Nordamerika links, der Pazifik oben und Asien rechts. Vergleicht man die beiden Karten, dann erkennt man, wie sich vom sibirischen Kältepol ein schönes Stück ablöst und gegen Europa vorankommt. Dieser Kältepool ist mit einem massiven Bodenhoch verknüpft, dessen Bodendruck im Zentrum 1055 hPa überschreitet. Die Ostströmung an der Südflanke des Bodenhochs ist die treibende Kraft, welche die Kaltluft immer weiter gegen Westen vorankommen lässt.

Wie wirkt sich diese Konstellation auf unser Wetter aus? Nun, vorläufig sind wir noch in gebührender Distanz vom Kaltluftzentrum. Mit dem Näherrücken des asiatischen Bodenhochs wird sich bei uns allmählich eine südöstliche Bodenströmung aufbauen. Wir verbleiben in einem Mix aus einsickernder Bisenluft aus Osten, und feuchteren Luftmassen aus dem Atlantik und dem Mittelmeerraum. Bei langsam sinkenden Temperaturen gibt das ein eher trüber Wolkenmix mit gelegentlichen schwachen Niederschlägen. Ob die kälteste Sibirienluft es dann im Februar bis zu uns schafft ist zur Zeit sehr ungewiss. Wenn sie es schafft, dann sind auch im Flachland frostige Temperaturen unter -10 Grad zu erwarten.

Stürmische Kaltfront am 5. Dez. 2011

In der kommenden 2. Nachthälfte wird eine aktive Kaltfront mit starken Niederschlägen, sinkender Schneefallgrenze und Sturmböen erwartet. Die Wetterdienste prognostizieren mehr oder weniger übereinstimmend Böenspitzen bis 90 km/h im Flachland, resp. 110 km/h in erhöhten Lagen, im Jura und in den östlichen Voralpen. Lokal können diese Grenzwerte auch überschritten werden.

Allerdings sind diese Prognosewerte nach wie vor mit einer beträchtlichen Unsicherheit behaftet. Der Grund hierfür liegt in einer sich verstärkenden Randwelle im Bereich der Kaltfront. Je nach der effektiven Stärke dieser Welle bei der Passage in der kommenden Nacht können die effektiven Böenspitzen schwächer, oder auch stärker sein als aktuell erwartet. Im Schweizer Sturmforum
http://www.meteoradar.ch/forum/viewtopic.php?f=2&t=7950
wird zur Zeit das Auf und Ab der Modellprognosen anhand von Beispielkarten gezeigt und diskutiert.

Aktuell sind die Temperaturen im Flachland mit 11-12 Grad durchaus im frühlingshaften Bereich, siehe den Ausschnitt Donnerradar mit eingeblendeter Bodentemperatur. Dies dürfte sich in den kommenden 2 Tagen gründlich ändern. Mit der Passage des Kaltlufttroges sind am Dienstag tagsüber z.T. kräftige Schauer mit Graupel oder Schneeflocken bis ins Flachland zu erwarten.

Ausschnitt Radarbild Donnerradar Zoom mit eingeblendeten Temperaturwerten (grüne Felder)

 

 

Etwas Regen in Sellenbüren/Stallikon

Regenmessung Sellenbüren

Regenmessung Sellenbüren
Quelle: meteoradar

 

Früher als erwartet gab es in Sellenbüren den ersten Regen nach langer Trockenheit. Der Boden ist nass, und der Wäge-Regenmesser registrierte ab ca. 06:00 bis 07:40 Uhr 0.23 mm Niederschlag. Das ist bestimmt keine berauschende Regenmenge. Aber dies kann genügen, um lokal den unterkühlten Boden in eine gefrorene rutschige Fläche zu verwandeln. Wie das aktuelle Temperaturprofil in der Ostschweiz anzeigt, ist diese Gefahr klein aber nicht ganz auszuschliessen.

Auffallend ist auch, dass vom Niederschlag im Radarloop nichts aber auch gar nichts zu sehen war. Die Erklärung hierfür dürfte wiederum im Temperatur/Feuchteprofil zu suchen sein. Dieses zeigt in niederen Schichten eine praktisch mit Feuchte gesättigte Luftmasse. Es ist immer noch die Luftmasse, welche uns den Hochnebel/Nebel der letzten Tage bescherte. Ich vermute, dass sich der Niederschlag hieraus entwickelte. Da die Temperatur in dieser Schicht weiterhin im positiven Bereich liegt, kommt als Prozess zur Niederschlagsbildung eigentlich nur die sog. Koaleszenz von Nebeltröpfchen in Frage, also das Zusammenfliessen von Nebeltröpfchen zu Regentropfen. Die ausfallenden Regentröpfchen blieben wahrscheinlich so klein, dass sie vom Radar nicht erfasst wurden.

Zur Zeit kann nicht beurteilt werden, ob diese Annahme korrekt ist. So oder so bleibt die Frage offen, inwiefern die aktuell durchziehende schwache Störung die Niederschlagsbildung gefördert hat.

Radarloop

Loop Donnerradar 3D. Quelle: meteoradar

Temperaturprofil

Höhenprofil Temperatur/Feuchte Quelle: meteoradar

Trockenheit im November

Der November 2011 blieb in den meisten Teilen der Alpennordseite weitgehend ohne Niederschlag. Der letzte nennenswerte Regen fiel am 19. Oktober. Die anhaltende Trockenheit führt bereits zu ersten Problemen. So wird in Teilen des Juras das Trinkwasser knapp, Bäche trocknen aus, es herrscht Waldbrandgefahr und nicht zuletzt fehlt in den Bergen der Schnee.

Die Trockenheit ist aussergewöhnlich, jedoch nicht einzigartig. Herbsttrockenheit kam auch in früheren Jahren bereits vor. Gemäss Aussage Meteoschweiz fielen in den letzten 3 Jahrzehnten in Zürich in sieben, in Basel in acht, in Davos in 10 und in Sion sogar in 17 Jahren ähnlich wenig Niederschlag.

Auffallend ist jedoch die Häufung von trockenen Witterungsabschnitten im Frühling und Herbst der letzten Jahre. War doch der April 2011 ebenfalls schon geprägt von anhaltender Trockenheit. Die Aprilmonate 2007, 2009 und 2010 waren ebenfalls von Niederschlagsmangel beherrscht.

Der November ist als neblig trüber Monat bekannt. Doch dieses Jahr scheint auch im Mittelland an etlichen Tagen die Sonne. Grund dafür ist ebenfalls die Trockenheit. Durch die trockenen Böden gelangt weniger Feuchtigkeit in die Luft und die Luft ist zu trocken um Bodennebel auszubilden. Zusätzlich waren Bisenlagen bisher rar, die sonst ebenfalls Hochnebel bringen. Besonders sonnig war es in den Bergen. So hat die Summe der Sonnenstunden auf dem Säntis im September jene vom Juli diesen Jahres bereits deutlich überschritten.

Grund für die stabile Wetterlage ist ein sogenanntes Omegahoch über dem europäischen Festland. Atlantische Störungen werden von ihm abgeblockt. Eine Eigenschaft dieser Wetterlage ist, dass sie meist sehr stabil ist. Das Hoch kann bis zu mehreren Wochen fast stationär verharren.

Eine grundlegende Änderung der Wetterlage ist bisher nicht in Sicht. Am kommenden Mittwoch könnte vereinzelt Niederschlag fallen, doch werden danach wieder mehrheitlich trockene Verhältnisse herrschen.

Bodenfrost im Jura und Radar-Clutter

Radarloop "Donnerradar"

Radarbild "Winterradar", Quelle: meteoradar

 

Im nebelfreien Jura sinken die Bodentemperaturen derzeit in den Keller. -3.0 Grad um 18 Uhr in La Chaux de Fonds, immerhin 6.5 Grad unter der Lufttemperatur auf 2m Höhe. Da andererseits im Jura lokal begrenzte Radarsignale auftreten, wird in unserem Produkt Winterradar mit brauner Farbe auf die Gefahr von vereisendem Regen hingewiesen. Das ist natürlich Unsinn. Aber wie kommen die Radarechos bei der aktuellen, niederschlagsfreien Wetterlage zustande?

Der Grund hierfür ist die Temperaturinversion auf der Höhe des über dem Mittelland liegenden Hochnebels. In dieser Inversionsschicht wird der Radarstrahl stärker gekrümmt als sonst und kann dadurch auf den Boden auftreffen, was er sonst nicht tut. Man spricht von „anomalous propagation“ oder kurz „ANAPROP“.  Mehr dazu in einem späteren Beitrag.

Dimmerföhn am 5. November 2011

Föhnfische am 5.11.2011 (Bild: Willi Schmid)

Föhnfische am 5.11.2011 (Bild: Willi Schmid)

Die aussergewöhnlich lange anhaltende Föhnlage vom 3. bis 6. November hielt eine grössere Palette an Lehrstücken bereit. Die wechselnden Luftmassen und sich ändernde Höhenströmungen sorgten dafür, dass an den verschiedenen Tagen mehrere Spezialfälle des Föhns zu beobachten waren. Wir picken uns einen heraus, der sich in der Nacht und daher fast unbeobachtet abspielte: den Dimmerföhn.

Die Bezeichnung Dimmerföhn ist vom Wort Dämmerung abgeleitet und beschreibt jenen Spezialfall des Föhns, wenn in den typischen Föhntälern der Nordalpen mit kräftigem Südwind nicht klarer, trockener Föhn auftritt, sondern diesiges, oft sogar nasses Wetter. Damit Dimmerföhn auftreten kann, sind folgende Faktoren Voraussetzung: Die Luftmasse aus Süden muss hochreichend feuchtgesättigt sein und es braucht eine starke Strömung in den höheren Luftschichten, welche diese feuchte Luft über den Alpenhauptkamm in den Norden verfrachten kann. Je nach Ausprägung dieser beiden Faktoren kann so der Regen von Süden her weit in die Föhntäler des Nordens hinaus übergreifen.

In der Nacht auf Samstag, den 5. November 2011 waren diese Voraussetzungen für ein paar Stunden gegeben. In rund 5000 m Höhe wehte der Südwind mit durchschnittlich 100 km/h, und die Regenwolken reichten bis in knapp 7 km Höhe. Kein Problem also für den Regen, die Barriere des Alpenhauptkamms zu überwinden. Der Regen reichte zeitweise bis ins untere Haslital und im Urner Reusstal bis nach Altdorf. In Wassen fielen zwischen Freitag 18:00 Uhr bis Samstag 06:00 Uhr 18 mm, in Disentis sogar 28 mm Regen. Das ist immerhin halb so viel, wie in der selben Zeit die Stationen im Nordtessin registrierten. Im Lauf des Samstags liess zunächst der Höhenwind nach, danach drehte er langsam auf Südost und zuletzt nahm der Feuchtegehalt der Luftmasse ab. Das kann in dieser Reihenfolge sehr schön anhand des Radarfilms vom Samstag nachvollzogen werden:

 

Radarfilm vom 05.11.2011 (Quelle: meteoradar)

Radarfilm vom 05.11.2011 (Quelle: meteoradar)