Über fotometeo

Fabienne Muriset hat seit 2004 internationale Erfahrungen als Medienmeteorologin bei Wetterdiensten im deutschsprachigen Raum gesammelt und bietet seit 2011 ihre Dienstleistungen als selbstständige Meteorologin und Fotografin auf dem freien Markt an. http://www.fotometeo.ch

Gewitteranalyse 20.08.2012

Gewitterzelle über dem Berner Mittelland, 20:15 MESZ

Gewitterzelle über dem Berner Mittelland, 20:15 MESZ

Die Prognosen für den Montag, 20. August waren durchs Band weg relativ einfach gehalten: Sonnig und bis 35 Grad heiss, am Abend in den Bergen lokale Gewitter. Die Modellkarten zeigten eine schwache Kaltfront über Frankreich, welche am Abend den Jura und den Norden der Schweiz streifen sollte – diese Gewitter waren erst für die Nacht geplant. Die Zellen in den Alpen sollten aufgrund der schwachen Höhenströmung recht stationär bleiben und zwar lokal grosse Regenmengen bringen, eine Verlagerung nach Nordosten war aber nur andeutungsweise zu sehen. Wie alle feststellen konnten, ist es dann anders gekommen. Hier ein Versuch, den Ursachen dafür auf den Grund zu gehen.

Der folgende Radarfilm soll einen ersten Überblick über den Ablauf verschaffen. Bereits hier wird klar, wie rasch das System eine Eigendynamik entwickelte und eine Folge von Kettenreaktionen auslöste, die in den Prognosen so nicht vorhersehbar war. Bereits beim Start des Filmes um 14:00 MESZ ist ein Gewittersystem über dem Burgund zu sehen: Es handelt sich dabei um die angekündigte Kaltfront – allerdings bereits viel näher bzw. zeitlich früher dran als die Modelle berechnet hatten.

Radarfilm 21.08.2012 14:00 - 23:55 Uhr

Radarfilm 20.08.2012 14:00 - 23:55 Uhr (Archiv Donnerradar, kostenpflichtig)

Um 14:00 Uhr erreicht bereits der Outflow der Kaltfrontgewitter die Gebiete westlich des Jurahauptkamms. In La Chaux-de-Fonds setzt zu dieser Zeit mit auffrischendem Nordwestwind eine spürbare Abkühlung ein, die Temperatur sinkt von 29 auf 24 Grad. Um 16:00 Uhr schwappt die Kaltluft über den Jurahauptkamm und stürzt als Fallwind (Joran) auf die Jurarandseen. In Cressier NE werden Spitzenböen von 79 km/h erreicht. Zu dieser Zeit präsentiert sich die Lage folgendermassen:

Momentaufnahme 20.08.2012 16:00 MESZ

Momentaufnahme 20.08.2012 16:00 MESZ

Rot sind die warmen Talwinde dargestellt, welche den Antrieb für die Zellbildung in den Alpen bilden (Inflow), dunkelblau der Outflow bereits bestehender Gewitter, hellblau die von Westen anrückende Höhenströmung, welche die Kaltfront antreibt. Die Zellen im Wallis und im Berner Oberland sind über den Gipfeln des Hochgebirges entstanden – eine für diese Jahreszeit bei grosser Hitze übliche Quelle für Einzelzellen. Gespiesen werden sie durch die Feuchtigkeit von Schmelzwasser aufgrund einer Nullgradgrenze weit oberhalb von 4000 m. Die an den Kämmen konvergierende Thermik reisst das Feuchteangebot mit nach oben – aufgrund des sehr hohen Kondensationsniveaus sind allfällige tiefer liegende Inversionen bereits überwunden, der Bildung von Gewittertürmen stellt sich somit nichts mehr in den Weg. Bis zu diesem Zeitpunkt kann von einer perfekten Prognose gesprochen werden.

Das nächste Bild von 17:30 Uhr zeigt, dass der Outflow der Kaltfrontgewitter bereits das gesamte westliche Mittelland geflutet hat und nun in die Täler des Berner Oberlands eindringt. Dadurch wird dort die Hebung und Bildung neuer Zellen beschleunigt. Diese beginnen zu verclustern, ziehen aber nach wie vor sehr langsam und bringen daher lokal länger anhaltenden Starkregen. Weiter östlich setzt sich die Bildung von Einzelzellen über dem Alpenhauptkamm fort, und in der Nordschweiz breitet sich ein Outflow von den Zellen über den Vogesen und dem Schwarzwald entlang des Hochrheins und über den östlichen Jura in Richtung zentrales und östliches Mittelland aus. Dieser Ast des Outflows bewirkt die rasche Entwicklung einer starken Zelle im Napfgebiet.

Momentaufnahme 20.08.2012 17:30 MESZ

Momentaufnahme 20.08.2012 17:30 MESZ

Um 20:00 Uhr hat die inzwischen abgeschwächte Kaltfront den Jura erreicht. Ihr Outflow lässt zwar nach, ist aber immer noch spürbar. Im östlichen Mittelland stösst er nun bis zu den Voralpen vor, wo er auf den Outflow aus den Hochalpen trifft. In einer Linie vom Napf über Luzern und Schwyz bis ins Zürcher Oberland sind neue Zellen entstanden. Sie bringen heftigen Regen und vor allem kräftige Böen – so z.B. 80 km/h in Wädenswil. Die Verclusterung ist nun perfekt, das System wächst zu einem MCS heran, der sich angetrieben durch den Outflow aus den Alpen in Richtung Nordosten in Bewegung setzt. Durch die neu entstandene Konvergenzzone der beiden Outflows baut das System nun laufend an seinem Nordrand an. Zusätzlich trifft der Outflow aus dem Berner Oberland und von der Napf-Zelle auf die Kaltfront und löst im Berner Seeland die Neubildung von Zellen aus. Diese finden jedoch am Boden keine Nahrung mehr, auch von der untergehenden Sonne ist kein Energienachschub mehr zu erwarten und sobald der Outflow nachlässt, sterben auch die zunächst gesund aussehenden Neubildungen (siehe Titelbild).

Momentaufnahme 20.08.2012 20:00 MESZ

Momentaufnahme 20.08.2012 20:00 MESZ

Das letzte Radarbild von 22:30 Uhr zeigt den nach Nordosten abziehenden Cluster. Sein Outflow stösst nach Schwaben vor und trifft an der Donau auf die Kaltfront, die sich nun zu regenerieren beginnt. Das System wird in der Nacht noch bis nach Tschechien und Nordösterreich ziehen und erst am frühen Vormittag allmählich zerfallen.

Momentaufnahme 20.08.2012 22:30 MESZ

Momentaufnahme 20.08.2012 22:30 MESZ

Wochenvorschau Gewitter 10.-16.08.2012

Stabiles Spätsommerwetter

Stabiles Spätsommerwetter

Es wird nun von Woche zu Woche etwas ruhiger in der Wetterküche, die fortschreitende Jahreszeit macht sich doch schon deutlich bemerkbar. Der Höhepunkt der Gewittersaison ist bereits überschritten, was einerseits mit dem nun rasch sinkenden Sonnenstand zu tun hat, andererseits werden die Kaltlufteinbrüche wegen des wärmeren Nordatlatiks milder. Das Reservoir an Höhenkaltluft über dem Nordpol erreicht nun sein jährliches Minimum, womit die Atmosphäre auch in den gemässigten Breiten stabilisiert wird.

Zusätzlich unterstützend wirkt ein Hochdruckgebiet, das von den Britischen Inseln Richtung Skandinavien zieht und unser Wetter noch bis Sonntag beeinflusst. Danach bildet sich entsprechend dem Muster dieses Hochsommers erneut ein umfangreiches Tiefdrucksystem bei den Britischen Inseln. Es kommt allerdings etwas westlicher zu liegen und seine Kaltfronten reiben sich am mitteleuropäischen Hochdruckkeil auf.

Bis Samstag hält das stabile und nicht zu heisse Spätsommerwetter noch an. Das Gewitterrisiko ist nahe bei null, allenfalls können sich über den östlichen Voralpen vereinzelte kurze Schauer bilden. Am Sonntag dreht die Strömung auf der Vorderseite des Tiefs bei Irland allerdings auf Südwest und es gelangt allmählich etwas feuchtere Luft zu den Alpen. Man muss somit im Tagesverlauf von Westen her mit zunehmender Gewitterbereitschaft rechnen, sie dürfte sich aber noch auf den Jura und die westlichen Voralpen beschränken.

Am Montag zieht eine schwache Kaltfront über die Schweiz hinweg, das Timing ist allerdings für Gewitter nicht optimal. Einzig in der östlichen Hälfte der Schweiz muss man am Nachmittag und Abend mit lokalen Gewittern rechnen, der Schwerpunkt liegt dabei in den Bergen. Aus heutiger Sicht kommen weite Teile des Mittellands trocken davon.

Dienstag und Mittwoch verbleiben wir in der südwestlichen Strömung, allerdings überwiegt der Hochdruckeinfluss. Es wird sehr warm mit Höchsttemperaturen bis knapp 30 Grad und es kommt vorzugsweise in den Alpen jeweils gegen Abend zu lokalen Wärmegewittern. Erst am Donnerstag könnte eine knapp westlich der Schweiz von Südwest nach Nordost schleifende Kaltfront für verbreitete Gewitter sorgen. Erfahrungsgemäss ist der genaue Zeitpunkt und die Lage einer Front in Wochenfrist sehr unsicher zu prognostizieren.

Wochenvorschau Gewitter 03.-09.08.2012

Himmlisches 1. August-Feuerwerk über dem Gurten bei Bern

Himmlisches 1. August-Feuerwerk über dem Gurten bei Bern

Auch in der vergangenen Woche blieb das Muster des bisherigen Sommers bestehen. Ein umfangreiches Tiefdrucksystem bei den Britischen Inseln steuerte zu Wochenbeginn kühle, und dann zunehmend wärmere Luft in den Alpenraum. Dabei hat sich in letzter Zeit ein regelmässiger 7-Tage-Rythmus eingestellt. Gemäss der Siebenschläfer-Regel (diese Grosswetterlage bestand bereits zum Monatswechsel Juni/Juli) soll diese Konstellation bis in die zweite Augusthälfte anhalten – und tatsächlich könnten wir hier den Text einer der vergangenen Wochenvorschauen nahezu unverändert übernehmen.

Die Luft wird auch diesmal zum Wochenende zunehmend feuchter. Mit einer warmen Südwestströmung gelangt auf der Vorderseite einer Kaltfront über Frankreich gewitterträchtige Luft zu den Alpen. Sowohl der Freitag wie auch der Samstag zeigen sich somit von der sommerlichen Seite, es wird jedoch sehr schwül. Bereits um die Mittagszeit beginnt die Gewitterentwicklung in den Alpen, später über dem Jura und jeweils zum Abend hin sind Gewitter auch im Flachland zu erwarten. Mit unwetterartigen Auswüchsen ist bei dieser Luftmasse leider zu rechnen, wobei aufgrund der nur mässigen Höhenströmung vor allem der Starkregen von langsam ziehenden Gewitterzellen lokale Probleme verursachen dürfte.

Am Sonntag wird die ganze Geschichte mit Annäherung der Kaltfront aus Westen noch feuchter, die Sonne zeigt sich auch tagsüber nur noch zwischendurch und es kommt bereits früh zu verbreiteten Schauern und Gewittern, die bis weit in die Nacht anhalten. Am Montag selbst liegt die Kaltfront über der Schweiz, sie bringt verbreitet kräftigen Regen mit eingelagerten Gewittern und es kühlt ab.

Wie bereits in den vergangenen Wochen liegen wir am Dienstag auf der Rückseite der Kaltfront, es wird von Westen her rasch trocken und die Sonne setzt sich wieder durch, dabei bleibt es aber mit Höchstwerten nur knapp über 20 Grad relativ kühl. In der Folge kann sich die Luft unter Hochdruckeinfluss wieder von Tag zu Tag erwärmen, lokale Gewitter bleiben auf die Gebirgsregionen beschränkt. Nicht wenig deutet darauf hin, dass sich die gewohnte Abfolge auch danach fortsetzt. Man darf aber damit rechnen, dass die Kaltluftvorstösse vom Nordatlantik her an Schärfe verlieren, womit Temperaturstürze unter 20 Grad wie noch im Juni und Juli kaum mehr auftreten dürften.

Wochenvorschau Gewitter 13.-19.07.2012

Tiefblauer Himmel und klare Sicht mit harmlosen Quellwolken im Sommer charakterisieren frische Atlantikluft unter zunehmendem Hochdruckeinfluss

Tiefblauer Himmel und klare Sicht mit harmlosen Quellwolken im Sommer charakterisieren frische Atlantikluft unter zunehmendem Hochdruckeinfluss

Eigentlich ist es ganz kurz gesagt: In der kommenden Woche wird es sehr ruhig – zumindest was die Gewitter betrifft. Die seit längerer Zeit anhaltende Süd- bis Südwestlage, verursacht durch ein nahezu stationäres Tief bei den Britischen Inseln, hat sich seit dem vergangenen Sonntag in eine reine Westlage gewandelt. Damit kommen deutlich kühlere Luftmassen nordatlantischen Ursprungs ins Spiel, was die Gewitterbereitschaft dämpft.

Allerdings verbleibt der Alpenraum noch ein paar Tage im Bereich der Frontalzone. Von Freitag bis Sonntag bedeutet dies ausgesprochen wechselhaftes und für die Jahreszeit zu kühles Wetter. Vor allem im Bereich der Kaltfronten in der Nacht auf Samstag und dann wieder am Sonntag treten regional kräftige Regenfälle auf, die nachfolgenden Rückseitenschauer können vereinzelt gewittrig sein. Mit heftigen Entwicklungen ist allerdings nicht zu rechnen. Markant wird vor allem der Wind in der Nacht auf Samstag: Auf den Jurahöhen und den nördlichen Alpengipfeln ist mit Sturm zu rechnen, aber auch in den Niederungen sind bis Samstagmittag zeitweise stürmische Böen nicht ausgeschlossen.

Ab Montag dehnt sich ein Keil des Azorenhochs bis zu den Alpen aus und sorgt für eine von vielen schon sehnlichst erwartete, stabilere Wetterlage. Allerdings wird voraussichtlich die stramme West- bis Nordwestströmung nur knapp nördlich der Schweiz verbleiben, sodass vorbeistreifende Fronten gelegentlich den Sonnenschein im Norden und Osten des Landes etwas einschränken können. Aus heutiger Sicht ist aber durch die zögerliche Erwärmung und den Hochdruckeinfluss frühestens am Donnerstag wieder mit Gewittern zu rechnen. Ausgelöst durch eine sich nähernde Kaltfront eines – wie könnte es in diesem Sommer auch anders sein – neuen Tiefs bei den Britischen Inseln.

Ein nahezu herbstlich anmutendes Sturmfeld streift in der Nacht auf Samstag die Schweiz  (Mittelwind in etwa 1500 m Höhe)

Ein nahezu herbstlich anmutendes Sturmfeld streift in der Nacht auf Samstag die Schweiz (Mittelwind in etwa 1500 m Höhe)

Wochenvorschau Gewitter 29.06.-05.07.2012

Morgengewitter in Sellenbüren am 29.06.2012 (Foto: Willi Schmid)

Morgengewitter in Sellenbüren am 29.06.2012 (Foto: Willi Schmid)

Nach einer relativ ruhigen Woche wird die Gewittersituation nun wieder spannend. Hauptsächlich dafür verantwortlich ist einerseits sehr heiße Saharaluft, die allmählich vom Mittelmeer angefeuchtet wird, andererseits eine Kaltfront aus Westen, welche ab Sonntag über den Alpen zu liegen kommt. Wie sich diese allerdings im Verlauf der nächsten Woche verhalten wird, darüber herrscht bei den verschiedenen Modellen noch keine Einigkeit.

Nach der überraschenden Auslöse durch Morgenkonvektion verlief der Freitag dank aufkommendem Südföhn ruhig. Spannend wird es aber bereits wieder am Abend und in der Nacht, denn die Labilität in der Höhe ist gegeben, die Energie und die Feuchte vorhanden. Nach einigen lokalen Gewittern in den Abendstunden vor allem in den Voralpen kann eine erneute Auslöse in der Nacht an ungewohnter Stelle nicht ausgeschlossen werden.

Am Samstag selbst sorgt der Föhn vorerst noch mal für einen trockenen und sonnigen Tag mit rekordverdächtigen Temperaturen. Am Abend nähert sich jedoch eine Kaltfront von Westen her dem Jura. Gewitteraktivität über Ostfrankreich dürfte wie schon in den vergangenen Wochen (z.B. am 21. Juni) bei ähnlicher Konstellation für eine Eigendynamik im Vorfeld sorgen. Auslöse zunächst über dem Jura am späten Nachmittag, am Abend dann auch in den Voralpen ist sehr wahrscheinlich. Die Windscherung ist durch das frontale Starkwindband in der Höhe extrem, daher ist bis weit in die Nacht mit heftigen Entwicklungen zu rechnen. Die Höhenströmung verbleibt noch lange auf Süd bis Südwest, sodass sich Voralpenzellen stark ins Mittelland hinaus bewegen.

Prognostizierte Labilität für Samstagabend, 30. Juni 2012

Prognostizierte Labilität für Samstagabend, 30. Juni 2012

Für die Nacht und den Sonntag selbst herrscht nun bei den Modellen bereits Uneinigkeit. Während das amerikanische Modell die Front nur langsam im Verlauf des Sonntags über die Schweiz nach Osten ziehen lässt, lassen das britische und das europäische Modell die Front bereits am Sonntag in den frühen Morgenstunden passieren. Diese Kaltfrontpassage ist auf jeden Fall mit einer deutlichen Abkühlung und viel Regen verbunden. Abhängig vom tageszeitlichen Verlauf kann es allerdings in der Ostschweiz noch mal zu heftigen Gewittern kommen, sollte sich hier am Vormittag noch mal die Sonne durchsetzen.

Am Montag liegt die Schweiz bereits auf der Rückseite der Kaltfront. Vor allem in den östlichen und südlichen Landesteilen ist noch mit länger anhaltendem Regen zu rechnen, weiter westlich zeigt sich zwischen allmählich abklingenden Schauern zwischendurch die Sonne. Mit Höchstwerten um 20 Grad können alle Hitzegeplagten aufatmen.

Ab Dienstag beginnt die Unsicherheit in der Entwicklung der Wetterlage. Bleibt die Front östlich der Schweiz liegen, dürfte sich die Lage beruhigen. Auf der kühleren Seite wäre es zwar weiterhin unbeständig mit Schauern vor allem im Osten und in den Bergen, heftige Gewitter wären dabei aber nicht zu erwarten. Die andere Möglichkeit besteht darin, dass mit einer Tiefdruckentwicklung über der Adria die Luftmassengrenze nach Nordwesten zurückgeschoben wird und die Schweiz erneut in die schwüle Luft gerät. Für diesen Fall muss man bis und mit Donnerstag erneut auf heftige Gewitter gefasst sein. Die Lage wäre vor allem am Dienstag und Mittwoch aufgrund der östlichen Anströmung in den unteren und südlicher bis westlicher Anströmung in den oberen Luftischichten chaotisch, die prädestinierten Unwettergebiete befinden sich bei solchen Lagen meist am östlichen Alpennordhang. Am Donnerstag übernimmt voraussichtlich wieder ein Tief bei den Britischen Inseln mit einer Süd- bis Südwestströmung das Zepter in die Hand.

Wochenvorschau Gewitter 22.-28.06.2012

Blick von Bern auf die Kaltfront über Ostfrankreich am Donnerstagabend 21:00 Uhr

Blick von Bern auf die Kaltfront über Ostfrankreich am Donnerstagabend 21:00 Uhr

Nach dem äusserst turbulenten Kaltfrontdurchgang vom Donnerstag verlagert sich das Tief über den Britischen Inseln nach Osten und es stellt sich im Alpenraum bis zum Wochenende leichter Hochdruckeinfluss ein. Die Grosswetterlage ändert sich nicht wesentlich: Sie wird westdominiert, zum Wochenbeginn zyklonal, dann wahrscheinlich antizyklonal geprägt. Der Wettercharakter bleibt somit leicht unbeständig, doch mit etwas kühlerer Luft sind heftige Gewitter wenig wahrscheinlich.

Von Freitag bis Sonntag bleibt die Kaltfront über den Ostalpen liegen, gerät aber zunehmend unter Hochdruckeinfluss. Im Mittelland und im Jura wird es somit auf der kühleren Seite rasch freundlicher und trocken. Die schwüle Luft bleibt noch im Tessin und im Graubünden liegen, wo sich jeweils im Tagesverlauf noch einige Schauer und Gewitter bilden.

In der Nacht auf Montag erreicht uns aus Nordwesten eine weitere Kaltfront. Die beteiligten Luftmassen sind jedoch nicht sehr energiereich, sodass es wahrscheinlich bei schauerartigem Regen bleibt, Gewitter dürften die Ausnahme bilden. Am Montag selbst herrscht kühles Rückseitenwetter mit Schauern und Höchstwerten von nur noch knapp 20 Grad.

Der Trend bis zur Wochenmitte zeigt leichten Hochdruckeinfluss, wahrscheinlich bleibt es ruhig und die Temperaturen steigen langsam wieder auf frühsommerliches Niveau.

Zum Abschluss noch ein Rückblick auf die Unwetter vom Donnerstag: Verbreiteter Nebel und Hochnebel in den Morgenstunden bildete das Feuchteangebot für die Gewitter am Nachmittag. Gleichzeitig näherte sich aus Westen eine rasch ziehende Kaltfront. Wie so oft bildete sich auf deren Vorderseite über Ostfrankreich eine Konvergenzzone mit heftigen Entwicklungen. Diese Linie zog am Abend mit heftigen Gewittern über die gesamte Alpennordseite hinweg und brachte Starkregen und örtlich Hagel, am markantesten waren jedoch die orkanartigen Böen besonders dem Jurasüdfuss entlang über die Region Zürich hinweg bis zum Bodensee (Neuchâtel 114 km/h, Zürichberg 132 km/h). Mit dem heftigen Niederschlag kühlte die Luft in den unteren Schichten so markant ab, dass die vorlaufende Konvergenzzone allmählich die Rolle der eigentlichen Kaltfront übernahm. Diese selbst folgte gegen Mitternacht, brachte jedoch nur noch harmlose, lokal gewittrige Schauer. In der nachfolgenden Radar-Animation ist der Verlauf der beiden Systeme sehr gut nachzuvollziehen:

Radarfilm 21.06.2012 15:00-24:00 Uhr

Radarfilm 21.06.2012 15:00-24:00 Uhr

Wochenvorschau Gewitter 08.-14.06.2012

Gewitter über dem Längenberg bei Bern, 07.06.2012

Gewitter über dem Längenberg bei Bern, 07.06.2012

Das Wetter scheint sich in der kommenden Woche recht genau an den Singularitätenkalender halten zu wollen. Jedenfalls steht uns mit einem steuernden Zentraltief über dem Nordmeer eine (un)beständige Westlage bevor, die den Höhepunkt der diesjährigen Schafskälte bringt. Oder anders gesagt: Aprilwetter auf Juni-Niveau – für Abwechslung ist gesorgt, jedoch kaum für Sommergefühle.

Doch zunächst einen kurzen Rückblick auf die Gewitter vom Donnerstag, 7. Juni: Ein Tief mit Zentrum über Wales steuerte bereits am Mittwoch eine Warmfront über die Schweiz hinweg. Den weit offenen Warmsektor schloss die Kaltfront am Donnerstagmittag erst über Westfrankreich ab. Über den Alpen stellte sich allmählich eine Föhnströmung ein, diese sorgte allerdings auch erst um die Mittagszeit für entsprechende Aufhellungen auf der Alpennordseite. Mit einer vorlaufenden Konvergenzzone entstand eine erste Gewitterlinie über dem Burgund, die sich am frühen Nachmittag allmählich dem Jura näherte. Ihre am Boden vorauseilende Böenfront sorgte um 16:30 Uhr für die extrem rasche Entwicklung einer ersten isolierten Gewitterzelle über dem Sundgau, welche in der Folge knapp nördlich von Basel in Richtung Schwarzwald zog. Zwischen 17:00 und 17:30 Uhr erreichte der bereits erwähnte Outflow den Jurabogen, worauf sich dort auf einen Schlag eine Gewitterlinie ausbildete. Diese wiederum produzierte einen Outflow nach Südosten, der sich mit 60 bis 90 km/h (Cressier) den Jurasüdfuss hinunter stürzte und sich ins Mittelland ergoss. Die Folge war zunächst, dass die Gewitterline über dem Raum Solothurn/Aargau nach Süden anbaute und in der Folge auf dem Weg nach Osten die gesamte Nordschweiz erfasste. Um 19:00 Uhr erreichte der Outflow die Voralpen und verstärkte das dort bisher harmlose Gebrodel schlagartig. In kurzer Zeit entstand eine zweite Gewitterline von den Waadländer bis zu den Luzerner Voralpen. Dass es sich hierbei nicht um die klassische Bildung von Einzelzellen handelte, welche auf der Voralpenschiene nach Nordosten zogen, sondern um eine vom Outflow getriggerte Linie, kann im nachfolgenden Film gut nachvollzogen werden. Sehr schön ist auch zu erkennen, dass jede neu entstandene Linie mit ihrem Outflow im weiteren Verlauf des Abends neue Zellen und Linien auslöste – eine ständig fortlaufende Kettenreaktion im nach wie vor warm-feuchten Sektor des Tiefs. Die eigentliche Kaltfront ist zum Schluss des Films um Mitternacht über Frankreich zu erkennen. Diese wird uns in den nächsten Tagen noch längere Zeit beschäftigen.

Radarfilm 07.06.2012 16:00-24:00 Uhr

Radarfilm 07.06.2012 16:00-24:00 Uhr

Wie geht es nun weiter? Besagte Kaltfront überquert am Freitagmittag das Mittelland und stösst am Nachmittag zu den Alpen vor, wo sie die schauerartigen Niederschläge noch einmal verstärkt, während es von Nordwesten her rasch trocken wird und aufklart. Die Front bleibt in der Folge in den Ostalpen hängen und sorgt dort bis Sonntag für anhaltenden und teils ergiebigen Niederschlag. Nur noch vereinzelt können Gewitter eingebunden sein, auf der Alpensüdseite bleiben sie allerdings die ganze Zeit über ein Thema.

Ein neues Randtief nähert sich in der Nacht auf Sonntag von Westen her der Schweiz und steuert in rascher Folge Warm- und Kaltfront über die Alpennordseite hinweg. Dabei kommt es vor allem in der zweiten Tageshälfte wieder zu gewittrigen Schauern. Die beteiligten Luftmassen sind aber bereits deutlich kühler als bei der Kaltfront vom Donnerstag/Freitag, sodass nicht mehr mit heftigen Entwicklungen zu rechnen ist. Die sich aufkumulierenden Niederschläge können allerdings regional problematisch werden.

In der sich dahinter einstellenden Westlage vom Montag bis Donnerstag sind kaum noch markante Tiefs und Fronten auszumachen. Kleine Wellen und Tröge ziehen in rascher Abfolge durch und sorgen für einen sehr unbeständigen Wettercharakter. Es ist mit ausgeprägtem Tagesgangwetter zu rechnen: Sonnige Abschnitte sind jeweils von eher kurzer Dauer und in der zweiten Tageshälfte häufen sich Schauer und Gewitter. Dabei handelt es sich jedoch um den Typ unorganisierte Kaltluftschauer, welche allerdings durch die kräftige Junisonne durchaus energiegeladen sein können.

Schmutziger Föhn in Sicht

Saharastaub-Prognose für den 27.04.2012, 18:00 UTC (Quelle: http://forecast.uoa.gr/dustindx.php)

Saharastaub-Prognose für den 27.04.2012, 18:00 UTC (Quelle: http://forecast.uoa.gr/dustindx.php)

Derzeit überbieten sich die Medien mit Superlativen in den Schlagzeilen, was das Wetter in der zweiten Wochenhälfte betrifft. „Sommerlich“ ist noch der gemässigtste Ausdruck, manche sprechen gar von einer Hitzewelle und von Rekordtemperaturen für den April. Erfunden haben das die Medien nicht, denn es sind die Wetterdienste, die ganz ordentlich trommeln. Doch wie viel ist wirklich dran an diesen Prognosen?

Tatsache ist: Ein kräftiges Tiefdrucksystem setzt sich ab Donnerstag über Westeuropa fest, auf seiner Vorderseite wird aus Süden sehr warme Saharaluft über die Alpen nach Mitteleuropa geführt. Die prognostizierten Luftdruckunterschiede zwischen Süden und Norden sprechen zudem für kräftigen, mitunter sogar stürmischen Föhn. Die wärmste Luft wird nach den aktuellen Modellen von Freitag bis Sonntag mit 15 bis 18 Grad in 1500 m Höhe knapp nördlich der Alpen – also im Föhngebiet – erwartet. Bei voller Durchmischung und viel Sonnenschein sind in den Föhntälern 28, örtlich sogar knapp 30 Grad möglich. Und genau diese ominöse Zahl 30 geistert nun in den Medienmitteilungen der Wetterdienste herum und verführt die Redaktionen zu ihren reisserischen Schlagzeilen.

In keinem Wetterbericht  wurde jedoch bisher die Möglichkeit erwähnt, dass die Föhnhitze durch einen gewichtigen Faktor einen Dämpfer erhalten könnte: Wie auf obiger Karte zu erkennen ist, wird mit der kräftigen Südströmung aus dem Raum Marokko/Algerien ausserordentlich viel Saharastaub nach Mitteleuropa verfrachtet. Da gleichzeitig das Tief in höheren Luftschichten staffelweise feuchtere Luft zuführt, ist mit Schleierwolken zu rechnen. Mit dem Saharastaub sind viele Kondensationskerne in der Luft enthalten, welche die Bildung dieser hohen Wolken massiv verstärken können. Die Erfahrung der letzten Jahre hat gezeigt, dass die Wettermodelle diesen Faktor meist unterschätzen. Statt viel Sonnenschein gab es schon öfters bei solchen Lagen einen bedeckten Himmel mit nur diffusem Sonnenlicht, nicht selten kam es sogar zu einem kompakten Altostratus, aus dem mitunter sogar ein paar Tropfen fallen. Durch den gedämpften Sonnenschein wird die bodennahe Luftschicht weniger stark erwärmt und somit kann mancherorts der Föhn gar nicht so stark in die Täler durchgreifen, wie von den Modellen prognostiziert.

Fehlprognosen von 5 bis 8 Grad waren bei genau solchen Wetterlagen in der Vergangenheit (letztmals Ende Mai 2008) gar nicht selten. Wie der aktuelle Fall zeigt, hat dies der Modellgläubigkeit der Wetterzunft keinen Abbruch getan. Man darf also gespannt sein, wie warm es am kommenden Wochenende tatsächlich wird. Viel hängt davon ab, zu welcher Tageszeit das Zusammenspiel von hohen Wolken und Saharastaub greift und die Sonnenscheindauer tatsächlich einschränkt. Auf eines darf man sich aber mit ziemlicher Sicherheit einstellen: Einen typischen Föhn mit klarer Fernsicht wird es kaum geben, dazu fehlt einerseits der Regen auf der Alpensüdseite, der die Luft reinwaschen könnte und andererseits wird der Saharastaub auch ohne hohe Wolken für einen milchigen Himmel sorgen.

Wenn ein Nordstau das Gegenteil bewirkt

Satellitenbild vom 24.02.2012, 12:15 MEZ (Quelle: Eumetsat/UBIMET)

Satellitenbild vom 24.02.2012, 12:15 MEZ (Quelle: Eumetsat/UBIMET)

Der 24. Februar 2012 überraschte nach dem bisher kalten Monat entgegen vieler Prognosen mit frühlingshaften Temperaturen und ab Mittag mit einem völlig wolkenlosen Himmel über der gesamten Schweiz, dem Westen Österreichs und Teilen Süddeutschlands. Eine kurze Analyse, wie es dazu kam:

Eigentlich sollte es in der Nordschweiz an diesem Tag länger dicht hochnebelartig bewölkt bleiben. Dafür sprach die Anströmung aus Nordwest und der Eintrag von Grundfeuchte mit der Warmfront vom Vortag. Im Winterhalbjahr entsteht im Warmsektor zudem durch nächtliche Ausstrahlung und bodennahe Abkühlung eine Inversion. Stabile Schichtung (unten kalt, oben warm) kaum Wind und Grundfeuchte sind der optimale Mix für einen Hochnebeltag. Doch es kam anders…

Die Inversion war zwar am Freitagmorgen vorhanden, allerdings von geringer Mächtigkeit. Bereits in Lagen ab 700 Meter wurde in der vorangegangenen Nacht der Gefrierpunkt nicht unterschritten. Doch was war mit der Hochnebeldecke los, welche knapp nördlich der Schweiz und Frankreich weite Gebiete bedeckte? Mit der Nordwestströmung sollte diese eigentlich an die Alpen gedrückt werden und einen dicken Stau verursachen. An der folgenden Analyse-Karte kann man die Strömungsverhältnisse in ca. 1500 m erkennen: Strammer West- bis Nordwestwind von England direkt auf die Alpen gerichtet. Im Westen eine deutliche antizyklonale Krümmung (im Uhrzeigersinn) um das Hoch, im Nordosten die zyklonale Krümmung (im Gegenuhrzeigersinn) um das Tief:

Windströmung in 850 hPa am 24.02.2012 13:00 MEZ, Analyse nach GFS (Quelle: wetter3.de)

Windströmung in 850 hPa am 24.02.2012 13:00 MEZ, Analyse nach GFS (Quelle: wetter3.de)

Genau mittendrin befindet sich die Schweiz – und dies ist kein Zufall. Das Hoch könnte auch noch ein wenig weiter westlich und das Tief näher bei uns liegen, wenn die Anströmungsrichtung WNW stimmt, muss ein Teil der Luft aufgrund der Barrierewirkung östlich um die Alpen strömen, ein anderer Teil westlich davon. Die genaue Position des Hochs und des Tiefs entscheidet dann lediglich darübe, welche Seite wie viel des Anteils erhält und wo somit die Teilung stattfindet. Diese Teilung, das Auseinanderströmen der Luft, nennt man Divergenz. Wo am Boden Luft auseinanderströmt, entsteht ein Sog, der nur von oben aufgefüllt werden kann. Und diese Luft war an diesem Tag in der Höhe sehr trocken. Zudem wissen wir: Wenn Luft absinkt, erwärmt sie sich und wird dadurch relativ noch trockener. Eine Dunst- und Nebelschicht in den tiefsten Lagen hat damit keine Überlebenschance.

Man erkennt zudem auf dem Satellitenbild sehr gut die Stauwirkung am Nordwestrand des Juras, sowie auf der anderen Seite am Alpennordrand in Österreich. Im Westen handelt es sich unter dem Hoch um eine tiefe Nebelschicht, im Osten unter mehr Tiefdruckeinfluss sind die Wolken hochreichender und produzieren auch etwas Niederschlag. Ein weiter Unterschied zwischen dem hochdruckbeeinflussten Westen und dem tiefdruckbeeinflussten Osten: Trotz ähnlicher Düseneffekte am Alpenrand erreichten die Maximalböen in Genf gerade mal 25 km/h, in Wien waren es 75 km/h.

Diese Anströmungsrichtung bleibt auch in den kommenden Tagen mehr oder weniger bestehen. Was sich ändert, ist der Feuchtegehalt der Luft in der Höhe. So bringen am Samstag eine Kaltfront und am Montag und Dienstag Warmfronten mehr Wolken, am Alpennordrand in Österreich sogar ordentlich Regen und Schnee. Doch die Divergenz über der Schweiz bleibt und so darf es nicht verwundern, wenn es hier nicht nur alleine wegen des nahen Hochs weitgehend trocken bleibt. Ebenfalls sollte man nicht erstaunt sein, wenn die Wolken weiterhin grosszügiger auflockern als die Wettermodelle es gerne hätten. Hier ist die unverzichbare Erfahrung der Meteorologen gefragt.

Mildwinter = kalter Spätwinter – ein Widerspruch?

Grosswetterlage über Europa am 4. Februar 2012

Grosswetterlage über Europa am 4. Februar 2012

In der Nacht auf den 4. Februar sind im Schweizer Mittelland vielerorts die tiefsten Temperaturen seit 1987 gemessen worden. Manche Stationen tauchten unter -20 Grad, selbst in den grösseren Städten wurden zwischen -15 und -19 Grad gemessen. Das mag nach dem bisherigen Mildwinter erstaunen, jedoch nur auf den ersten Blick.

Was genau ist geschehen? Bis Mitte Januar hatte das Westwindregime mit milden atlantischen Luftmassen ganz Europa fest im Griff und nichts deutete darauf hin, dass dies in diesem Winter noch ändern könnte. Denn sämtliche Parameter für eine Fortsetzung des Mildwinters waren gegeben, und eigentlich sind sie auch heute noch vorhanden. Einerseits ist dies die positive Temperaturanomalie über weiten Teilen des Nordatlantiks, wie sie die aktuelle Karte zeigt:

Abweichung der Wassertemperatur gegenüber dem Klimamittel (Quelle: NOAA)

Abweichung der Wassertemperatur gegenüber dem Klimamittel (Quelle: NOAA)

Weiter fällt der extreme Temperaturgegensatz der Wasseroberfläche vor der Ostküste Nordamerikas auf. Diese ist sozusagen der Antrieb für die Produktion immer neuer Tiefdruckgebiete über dem Atlantik, was wiederum ein Garant für milde Westwinde bis nach Europa sein sollte. So zeigt denn auch der Index der Nordatlantischen Oszillation (NAO) weiterhin positive Werte an (Erklärungen dazu siehe Blogbeitrag vom 10. Dezember 2011):

NOA-Index, Messwerte und Prognose für Februar (Quelle: NOAA)

NOA-Index, Messwerte und Prognose für Februar (Quelle: NOAA)

Bei solchen Grosswetterlagen könnte man mit grosser Wahrscheinlichkeit auf die Fortsetzung des Mildwinters wetten, doch gibt es einen unberechenbaren Spielverderber: den sibirischen Kaltluftkörper. Dieser bildet sich in jedem Winter über der Nordhälfte der Eurasischen Kontinentalmasse aus, bedingt durch die langen Nächte und den geringen maritimen Einfluss. Er wächst im Lauf des Winters immer mehr an, bis im März die tägliche Sonneneinstrahlung die nächtliche Auskühlung wieder übersteigt und die Luftmasse über dem Kontinent allmählich durch die Sonne erwärmt wird. Die grösste Mächtigkeit erreicht dieser Kaltluftkörper somit erst in der zweiten Winterhälfte.

Da kalte Luft schwerer ist und eine grössere Dichte aufweist als Warmluft, kann man sich diesen Kaltluftkörper in etwa vorstellen wie zähflüssigen Honig: Von oben tropft immer mehr nach und am Boden breitet sich die klebrige Masse langsam in alle Richtungen aus. Dies erklärt die Bildung eines kräftigen Hochdruckgebietes am Boden, während in der Höhe eigentlich tiefer Luftdruck herrscht (gut zu sehen auf der Titelbildkarte). Das Höhentief saugt laufend neue Luft an, die sich über dem Kontinent in der Polarnacht extrem abkühlt, zu Boden sinkt und so den immerwährenden Nachschub an neuer Kaltluft gewährleistet. Erleidet nun die nach Europa gerichtete Westwinddrift über dem Atlantik einen Schwächeanfall wie dies Ende Januar (siehe NAO-Verlauf) der Fall war, hat der kalte „Honig“ leichtes Spiel und überflutet Europa von Nordosten her. Die leichtere Warmluft aus Westen prallt auf dieser zähen Masse auf und kann nur nach Norden oder nach Süden ausweichen. Derzeit tut sie dies eher Richtung Norden, so weisen z.B. Island und Spitzbergen aktuell für die Jahreszeit deutlich zu milde Werte auf.

Ein Kälteeinbruch nach einem milden Winterbeginn ist somit nie auszuschliessen, die Voraussetzungen dafür liefern ganz einfach die klimatischen Voraussetzungen Europas zwischen einem sehr milden Ozean (Golfstrom) und einem extrem kalten Kontinent. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Mildwinter in einen kalten Spätwinter kippt, liegt bei etwa 50 %. Die Auswertung der Winterverläufe der letzten 30 Jahre zeigt, dass im Schnitt jeder 4. Winter ein ähnliches Muster aufweist:
– 2004/05: mild bis Mitte Januar, extrem kalt Ende Februar bis Anfang März
– 2002/03: extrem mild bis Anfang Januar, zwei Kälteperioden Mitte Januar und Mitte Februar
– 1992/93: der erste Schnee des Winters fällt erst Ende Februar mit einem Kaltlufteinbruch aus Osten
– 1990/91: mild bis Mitte Januar, extrem kalt Ende Januar bis Mitte Februar
– 1987/88: extrem mild bis Mitte Februar, Kälte Ende Februar bis Anfang März
– 1985/86: mild bis Ende Januar, extrem kalt im ganzen Februar bis Anfang März
– 1982/83: eigentliche Winterkälte trat fast ausschliesslich im Februar auf

Wie geht es nun weiter? So wie man auch den Honig nur schwer vom Brot blasen kann, genau so wird die durchaus vorhandene Westwinddrift Mühe haben, die bodennahe Kaltluft auszuräumen. Zumal aus Osten der Kältenachschub noch mindestens eine Woche anhält. Wahrscheinlich ist danach eine rasche Erwärmung in der Höhe, während es in den Niederungen nur zaghaft in Richtung durchschnittliche Wintertemperaturen knapp unter dem Gefrierpunkt geht.