Gewitter, Hagel und Sturm am 28.04.2023

Gewitter über Sellenbüren (Archivbild W. Schmid)

Das gestrige Wettergeschehen gab  Anlass, nach längerer Pause wiedermal einen Gewitterrückblick zu verfassen. Im Sturmforum wurde gestern Vormittag folgende Vorschau publiziert:

„Heute drückt eine feuchte, energiereiche Luftmasse von Westen über die Alpennordseite. Die mässige Höhenströmung aus WNW könnte für genügend Scherung sorgen, dass auch Schauer/Gewitter mit Rotation nicht auszuschliessen sind. Wenn die Sonne reindrückt, könnte es schon da und dort recht aufploppen. Für Kaltluftschauer im April sind die Temperaturen eher hoch. Entweder schmelzen die Graupel, oder es reicht, vielleicht, für grössere Geschosse, welche dann nicht mehr schmelzen.“

Diese Vorschauworte haben das gestrige Wettergeschehen gut getroffen. Dieses kann in Kürze wie folgt zusammengefasst werden:

– Ja, es gab verbreitet und über lange Zeit Gewitter
– Ja, es gab Rotation, sogar eine langlebige Superzelle
– Ja, es gab Hagel
– Ja, es gab auch einen Downburst

Das markanteste Ereignis war ohne Zweifel die Superzelle, welche, vom Elsass ausgehend, über den Jura und das Mittelland in die Glarner Alpen reinzog und dann zerfiel. Die Daten waren, für Verhältnisse im April recht beeindruckend:

– Lebensdauer 4 Stunden und 5 Minuten (radarberechnete Intensität über 100 mm/h)
– Zuglänge 215 km
– Mittlere Zuggeschwindigkeit 52 km/h

Die Hagelspur ist auf der Hagelkarte haildoc 24 schön erkennbar. Am Boden wurden Hagelkörner bis 1.5 cm Durchmesser beobachtet, wobei gemäss der radarberechneten Hagelkarte auch Körner bis 3 cm Durchmesser möglich waren. Da vielerorts die Bäume in voller Blüte stehen, muss lokal mit erheblichen Schäden an den landwirtschaftlichen Kulturen gerechnet werden. Man beachte den Standort der Hagelmeldungen am Südrand der radarberechneten Hagelzone. Dies ist ein typisches Merkmal bei Superzellen. Durch die Interaktion der rotierenden Auf- und Abwinde werden die grössten Hagelkörner aussortiert und fallen am südlichen Rand der Superzelle zu Boden.

Hagelkarte haildoc 24 mit Bodenbeobachtungen. Die Zahlen geben den beobachteten Korndurchmesser wieder (Copyright meteotest.ch)

Auf dem folgenden 3D-Radarbild ist die Superzelle in den beiden Seitenrissen im Höhenprofil als rotes Hagelzentrum erkennbar. Der Hagelschlot erreicht eine Höhe von 8 km, bei einer maximalen Höhe der Gewitterwolke von 11 km. Diese Werte sind für die Jahreszeit bemerkenswert, können jedoch im Hochsommer noch deutlich übertroffen werden.

3D-Radarbild der Superzelle über dem Jura (Copyright meteotest.ch)

Atypisch war auch die Wetterlage, welche zu diesen Gewittern führte. Auslöser war ein blockierendes Hoch über der Iberischen Halbinsel, welches aus Nordwesten eine warme, feuchte Luftmasse zu uns steuerte. Diese wurde im Gefolge eines Randtiefs, mit zugehörigem Frontensystem, an den Jura, die Voralpen und die Alpen gedrückt, wo es dann durch orographische Hebung zur Gewitterbildung kam. Um die aussergewöhnliche Zugbahn der Superzelle zu verstehen, zeigen wir im Folgenden auch noch die 24-stündige Regensummenkarte des gestrigen Tages. Diese zeigt eine Zweiteilung: viel Regen im Nordosten und weniger Regen im Südwesten. Genau im Grenzbereich lag die Zugbahn der Superzelle. Der Regen im Nordosten fiel in den Stunden vor der Gewitterauslösung. Im Südwesten war es etwas trockener, und die Sonne konnte etwas durchdrücken und die Temperaturen, im Vergleich zum Nordosten, um etwa 1-2 Grad anheben. Möglicherweise reichte dieser Unterschied, um die Gewitterauslösung zu begünstigen. Man könnte von einer „Dryline“ sprechen: einer Grenze zwischen feuchter und trockener Luft, an welcher sich in den USA gerne Gewitter bilden. Den Begriff „trocken“ muss man jedoch sehr dehnbar interpretieren, er wäre in unserem Fall auf 90% relative Luftfeuchtigkeit anzuwenden.

Regensummenkarte 24 Stunden, 28.4.2023, 00 – 24 Uhr (Copyright meteotest.ch)

Die Superzelle war beileibe nicht der einzige Gewitterzug des gestrigen Tages. Die Gewittertätigkeit begann ca. Mitte Nachmittag über Frankreich und endete erst frühmorgens nach 4 Uhr in den östlichen Voralpen. Somit hat es während 12 Stunden irgendwo in der Schweiz geblitzt und gedonnert. Auch das nicht unbedingt die Regel für die Jahreszeit, aber ein eindrücklicher Start in die Gewittersaison. Im Sturmforum finden sich weitere Hinweise zu dieser aussergewöhnlichen Gewitterlage.

Die beiden Zugpferde der Marke Meteoradar: Donnerradar und haildoc, sind seit längerem im Besitz der Meteotest AG in Bern. Für die sofortige Beurteilung des Gewitterrisikos und die rasche Erfassung von Hagelschlägen mit Schadenfolge sind die beiden Tools nach wie vor unverzichtbar.

Gewitterstatistik 2021

Wallcloud bei Sellenbüren am 20.6.2021, Copyright: Willi Schmid

Das Jahr 2021 wird wohl vielen Leuten mit dem für lange Zeit verregneten Sommer in Erinnerung bleiben. Der Sommer brachte aber nicht nur überdurchschnittliche Niederschlagsmengen, sondern war auch blitzreicher als im langjährigen Mittel. Ein kurzer Blick zurück.

In der Schweiz wurden im Jahr 2021 insgesamt über 56’000 Blitze registriert. Im Durchschnitt der vergangenen zehn Jahre wurden knapp über 40’000 Blitze pro Jahr registriert. Die Anzahl der gemessenen Blitze im Jahr 2021 lag also gut 20% höher.

Die Blitze verteilten sich auf 134 Tage. An mehr als jedem dritten Tag wurden also in der Schweiz Blitze registriert.

Die regionale Verteilung zeigt die “üblichen Verdächtigen” bei den drei Kantonen mit der höchsten Blitzdichte. Dies sind einerseits die Kantone den Voralpen entlang mit Zug und Luzern, sowie das Tessin, welches bekannt ist für eine hohe Gewitteraktivität.

Gewitterüberwachungsbericht 2021 Schweiz

Die meisten Blitze wurdem am 20. Juni registriert mit 6’753. Der Tag brachte für die Jahreszeit schon sehr hohe Temperaturen und hohe Luftfeuchtigkeiten. In einer Südwestströmung bildeten sich dann im Laufe des Tages intensive und langlebige Gewitter.

Hagel

Im Laufe des Gewittertages wurde auch verbreitet und zum Teil sehr grosskörniger Hagel registriert. Eines der Gewitter war eine langlebige Superzelle. Diese hinterliess von Freiburg bis Zürich eine Hagelspur mit Körnern bis über 5 cm Durchmesser und sorgte sehr verbreitet für grossen Schäden. Eine ausführliche Dokumentation gibt es hier.

Radar- und Blitzbild der Superzelle vom 20.6.2021

Hagelzug vom 20.6.2021

Kontaktperson:

Mario Rindlisbacher, Meteotest AG
Leiter Wetterprognose
mario.rindlisbacher@meteotest.ch
+41 31 307 26 15

 

Fusion meteoradar gmbh mit Meteotest AG

Blitzschlag im Reppischtal, 24.7.2021
Foto: Willi Schmid

Seit einigen Jahren besteht eine enge Zusammenarbeit zwischen der meteoradar gmbh und der Meteotest AG. Dieser Prozess wird auf das Jahr 2022 mit der Fusion von meteoradar und Meteotest abgeschlossen. Die Produkte und das Know-How von meteoradar ergänzen sich sehr gut mit jenen von Meteotest. Dank der Fusion bieten wir alle Grundlagen und Services zu Hagel, Blitzschlag, Starkniederschlag und Starkwind aus einer Hand an.

Im Jahr 2020 erwarb die Meteotest AG im Rahmen einer Nachfolgeregelung die Firma meteoradar gmbh. meteoradar-Gründer Willi Schmid blieb im 2021 Geschäftsleiter der Firma. Per Anfang 2022 wird meteoradar mit der Fusion nun in Meteotest integriert und bleibt als Marke weiter bestehen. Voraussichtlich im April 2022 wird die Fusion rückwirkend auf den 1.1.2022 rechtskräftig. Willi Schmid zieht sich aus dem Tagesgeschäft weitgehend zurück, bleibt aber in beratender Funktion weiter für meteoradar/Meteotest tätig.

Extremwetter

Extremwetterereignisse werden im Zuge des Klimawandels zunehmend häufiger. Durch die Fusion von meteoradar und Meteotest sowie deren Partner Météorage erhalten Sie alle Grundlagen und Services zu Hagel, Blitzschlag, Starkniederschlag und Starkwind aus einer Hand.

Hagel

Mit den von meteoradar entwickelten Services sind wir in der Lage, Sie mit aktuellen Informationen und Warnungen sowie mit Footprints vergangener Ereignisse und statistischen Angaben zu Hagel zu versorgen. Sie können dabei auf die folgenden Produkte zugreifen:

  • Donnerradar: Sie wollen wissen, wo es aktuell hagelt und blitzt.
  • Haildoc: Sie wollen wissen, wann, wo und wie stark es gehagelt hat.
  • Meteolocal: Sie wollen wissen, wo es in den nächsten Stunden hageln wird.

Neben diesen Produkten können wir Sie dank langjähriger Archivdaten und grosser Fachkompetenz auch für Ihre ganz spezifischen Fragestellungen beraten.

Blitzschlag

Dank unserer Partnerschaft mit der Firma Météorage können wir Sie in diesem Bereich mit hochwertigen Informationen und Services bedienen:

  • Einschätzen: mich interessiert das potenzielle Blitzschlagrisiko
  • Warnen: ich möchte rechtzeitig vor Blitzschlag gewarnt werden
  • Beobachten: ich will beobachten, wie und wohin sich ein Gewitter entwickelt
  • Überprüfen: ich brauche Informationen, wann es wo geblitzt hat (Footprint)

Meteotest vertreibt die Daten und Services von Météorage in der Schweiz und verknüpft sie bei Bedarf mit weiteren Wetterparametern zu massgeschneiderten Services. Gerne bedienen wir auch Ihre ganz spezifischen Anforderungen!

Starkniederschlag

Belastbare Informationen über das Auftreten und die Entwicklung von Starkniederschlägen sind relevant für Behörden, Wehrdienste, Kanalbetreiber, Tiefbauämter und weitere Branchen. Mit präzisen Daten können Anlagen und Personen gezielt geschützt und Wehrkräfte optimal disponiert werden.

Dank unserer Kurzfrist-Radarvorhersage können Sie den Verlauf von Starkniederschlägen in Echtzeit mitverfolgen und erhalten präzise Prognosen im Kurzfrist-Bereich. Mit gezielten Warnungen via SMS, E-Mail und Telefon warnen wir beispielsweise Arbeitende in Kanalisationen rechtzeitig vor dem Auftreten von starken Niederschlägen. Mit unserem Unwetterportal stellen wir für Einzugsgebiete von Flüssen aggregierte Niederschlagssummen dar und informieren bei der Überschreitung von Grenzwerten.

Gerne beraten wir Sie auch für Ihre ganz spezifischen Fragestellungen.

Starkwind

Das Auftreten von Starkwind kann die Sicherheit von Infrastrukturen wie Gebäuden, Seilbahnen oder Eisenbahnen beeinträchtigen. Unsere Kernkompetenz liegt hier in der Erstellung spezifischer Services auf Basis von Windvorhersagen, Windmodellierungen und Windmessungen.

Hier können wir Sie einerseits mit ortsgenauen Windvorhersagen, zum Beispiel für den Betrieb von Seilbahnen oder für Storensteuerungen bedienen. Daneben erstellen wir Windlastgutachten für die Planung von Seilbahnen. Mit dem neuen, innovativen meteorologischen Modell PALM-4U (Modell zur Simulation realistischer dreidimensionaler turbulenter atmosphärischer Strömungen) sind wir schliesslich in der Lage, Extremereignisse in sehr hoher räumlicher und zeitlicher Auflösung zu simulieren. Auf Basis dieser Modellierungen ist es möglich, die Windbedingungen, welche während Schadenereignissen aufgetreten sind, sehr präzise zu rekonstruieren und aus diesen Footprints die entsprechenden Schlussfolgerungen zu ziehen.

Kontakt: mario.rindlisbacher@meteotest.ch

20 Jahre Sturmforum

Kein Winterbild, sondern entlaubte Bäume nach dem Hagelsturm in Reichenburg, 25.7.2021. Aufnahme: Bernhard Oker

Am 16. August 2001 wurde das Schweizer Sturmforum (sturmforum.ch) mit dieser Ankündigung online gestellt:

„Endlich ist es da, das neue Diskussionsforum für Tornados, Wasserhosen, Sturmböen im Sommer, Winterstürme, Gewitter, Hagel, Unwetter, Extrem-Winde in den Bergen usf. usf. usf.“

Wer hätte damals gedacht, dass das Sturmforum die folgenden 20 Jahre, inmitten der Neuerungen, Wirrungen und Irrungen des World Wide Web, überdauert und auch heute in alter Frische von interessierten Usern intensiv genutzt wird, wenn es draussen stürmisch zu und hergeht?

Nach der Gründung gedieh das Forum prächtig. Bereits am 3. November 2001 kam es zum ersten Forumtreffen bei Meteotest in Bern, mit Präsentationen und gemütlichem Beisammensein. Diese Treffen wiederholten sich in unregelmässigen Zeitabständen und waren oft, aber nicht immer mit einer Besichtigung einer namhaften Wetter-Institution verbunden. Das letzte geplante Treffen musste leider aufs Eis gelegt werden, Viren statt Bierchen sei Dank.

Ein erstes prägendes Ereignis war der Hagelsturm vom 24.6.2002, welcher, auf seinem nächtlichen Saubannerzug durch die Kantone Aargau und Zürich viele Betroffene aus dem Schlaf riss, Löcher in Garagentore schlug und eine Spur der Verwüstung in Wäldern und an Gebäuden hinter sich liess. 252 Beiträge wurden im Forum zu diesem Sturm verfasst, diese wurden insgesamt knapp 22’000 Mal gelesen. Weitere grosse Gewitterstürme folgten fast Jahr für Jahr: 8.5.2003, 8.7.2004, 18.7.2005, 26.5.2009, 23.7.2009, 12./13.7.2011, 1.7.2012, 18.6.2013, 20.6.2013, … und natürlich gleich im Multipack dieses Jahr: 18.6., 20.6., 21.6., 23.6., 28.6., 13.7., 24.7 und 25.7. Über all diese Stürme, und über viele weitere Ereignisse, grosse und kleinere, im Sommer und im Winter wird spontan und ausgiebig berichtet. Prognosen werden kontrovers interpretiert, auf Laienfragen wird Antwort gegeben, und die Sturmjäger, aber auch viele andere berichten in Wort und Bild über das Geschehen in ihrer Nähe. Oft werden nach einem Ereignis vor Ort Nachforschungen angestellt und Schäden dokumentiert, um die mögliche Schadensursache (z.B. Downburst oder Tornado) zu identifizieren. Die so gesammelten Dokumentationen waren Motivation für die Gründung des Schweizerischen Sturmarchivs (sturmarchiv.ch) im Jahr 2007. Über die Jahre blieb bis heute eine enge Kooperation zwischen den beiden Portalen bestehen.

Die Emotionen kochten manchmal hoch, so z.B. nach dem Bieler Turnfest, welches am 20.6.2013 von einem Downburst im Gefolge einer Superzelle getroffen wurde. In besonderer Erinnerung bleibt der Tornado im Südschwarzwald (Bonndorf) vom 13.5.2015, welcher sich erst ganz knapp vor der Schweizer Grenze auflöste. Auch 3 Jahre nach dem Ereignis wurde im Forum über neue Erkenntnisse zur Zugbahn des Tornados und zu den Schadenmustern berichtet. Prägend dieses Jahr war der Hagelsturm in Reichenburg, 25.7.2021. Durch den Hagel entlaubte Bäume führten zu einer verstörenden Winterstimmung mitten im Sommer, siehe Foto oben.

Im Laufe der Jahre entstanden im World Wide Web zahllose Blogs, Medien-Portale, Usergruppen und Handy-Apps, welche sich das Thema Wetter auf die Fahne geschrieben haben. Nichtsdestotrotz konnte das Sturmforum seinen Platz in dieser neuen und viralen Medienwelt behaupten. Das Forum wird durch eine Handvoll Moderatoren auf freiwilliger Basis unterhalten. So kann, bei Spam oder anderen beleidigenden oder ungesetzlichen Beiträgen rasch und effektiv gehandelt werden. Dies ist ein riesiger Vorteil gegenüber Giganten wie Facebook, Whatsapp oder Twitter etc. Im Übrigen werden, im Unterschied zu den Blogs diverser Wetter-Institutionen, alle Beiträge umgehend publiziert. Nachträgliche Eingriffe der Moderatoren sind, auch dank griffiger und klar kommunizierter Forumregeln, äusserst selten.

Gründer des Sturmforums ist das Klein-Unternehmen meteoradar gmbh, welches über viele Jahre den technischen Betrieb des Forums sicherstellte. Inzwischen wurde diese Aufgabe vollständig von privater Seite übernommen. Dank dem unabhängigen Status des Forums können alle Beitragsschreiber ihre freie Meinung äussern – selbstverständlich innerhalb der bereits erwähnten Grenzen des persönlichen Anstandes und der gesetzlichen Vorgaben. Kritik bei Fehlprognosen der Modelle oder der Wetterdienste ist nicht selten. Diese wird von den Urhebern nicht immer goutiert, ist aber ein wesentliches Element des freien Austausches über die Grenzen von Institutionen und Firmen hinweg. Auch der Galgenhumor kommt fleissig zum Zug, wenn das Wetter gerade nicht ganz so läuft wie geplant. All das gehört zum Meinungsspektrum einer freien und offenen Diskussions-Plattform, welche nicht nur dokumentieren, sondern auch unterhalten will.

In dem Sinn: Happy Birthday!

 

Newsletter meteoradar/Meteotest 2021-06

Prognosechef Mario Rindlisbacher von Meteotest steht den Kunden von meteoradar ab sofort beratend zur Seite.

Ab Sommerbeginn übernimmt Meteotest die Kunden-Administration von meteoradar. Als neues Gesicht für die Kunden-Betreuung steht Ihnen Mario Rindlisbacher in allen Belangen der Produkte und Dienste von meteoradar zu Ihrer Verfügung. Als langjähriger Leiter des Geschäftsbereichs Wetterprognose bei Meteotest ist er für diese Aufgabe bestens prädestiniert. Kurzfristig werde ich, Willi Schmid, Mario unterstützen, jedoch freue ich mich längerfristig auf mehr Zeit fürs Privatleben. Gerne übergebe ich das Wort nun an Mario, damit er aufzeigen kann, wie Sie, als User von meteoradar Produkten, vom Zusammenschluss zwischen meteoradar und Meteotest profitieren können.

Extremwetter

Extremwetterereignisse werden im Zuge des Klimawandels zunehmend häufiger. Durch die vertiefte Zusammenarbeit zwischen Meteoradar und Meteotest sowie deren Partner Météorage erhalten Sie alle Grundlagen und Services zu Hagel, Blitzschlag, Starkniederschlag und Starkwind aus einer Hand. Ich, Mario Rindlisbacher, berate Sie gerne dazu.

Hagel

Am 4.6.2021 hat es vor allem in der Westschweiz lokal gehagelt. Ausschnitt aus der Hagelkarte des Produktes Haildoc von meteoradar. In den violett eingefärbten Zentren ist grosser Hagel möglich.

Hagel ist ein unberechenbares Wetterphänomen mit grossem Schadenpotenzial. Präzise Informationen zur aktuellen Lage wie auch über vergangene Ereignisse sind von grossem Wert für verschiedenste Branchen.

Mit den Services von Meteoradar sind wir in der Lage, Sie mit aktuellen Informationen, mit Warnungen wie auch mit Footprints vergangener Ereignisse sowie mit statistischen Angaben zu Hagel zu versorgen. Sie können dabei auf die folgenden Produkte zurückgreifen

  • Donnerradar: Sie wollen wissen, wo es aktuell hagelt und blitzt.
  • Haildoc: Sie wollen wissen, wann, wo und wie stark es gehagelt hat.
  • Meteolocal: Sie wollen wissen, wo es in den nächsten Stunden hageln wird.

Neben diesen Produkten können wir Sie dank langjähriger Archivdaten und grosser Fachkompetenz auch für Ihre ganz spezifischen Fragestellungen beraten.

Blitzschlag

Das Gewitter vom 4.6.2021 war sehr blitzreich. Anbei ein schönes Exemplar bei Stallikon (Foto: W. Schmid)

Blitzschlag betrifft eine Vielzahl unterschiedlicher Branchen wie Industrie, Versicherungen, Energieversorger oder Transportunternehmen. Blitzeinschlag kann substanzielle Folgen für Ihre Anlagen haben und auch die Sicherheit eines Standorts oder von Personen beeinflussen.

Dank unserer Partnerschaft mit der Firma Météorage können wir Sie in diesem Bereich mit hochwertigen Informationen und Services bedienen:

  • Einschätzen: mich interessiert das potenzielle Blitzschlagrisiko
  • Warnen: ich möchte rechtzeitig vor Blitzschlag gewarnt werden
  • Beobachten: ich will beobachten, wie und wohin sich ein Gewitter entwickelt
  • Überprüfen: ich brauche Informationen, wann es wo geblitzt hat (Footprint)

Meteotest vertreibt die Daten und Services von Météorage in der Schweiz und verknüpft sie bei Bedarf mit weiteren Wetterparametern zu massgeschneiderten Services. Gerne bedienen wir auch Ihre ganz spezifischen Anforderungen!

Starkniederschlag

Belastbare Informationen über das Auftreten und die Entwicklung von Starkniederschlägen sind relevant für Behörden, Wehrdienste, Kanalbetreiber, Tiefbauämter und weitere Branchen. Mit präzisen Daten können Anlagen und Personen gezielt geschützt und Wehrkräfte optimal disponiert werden.

Dank unserer Kurzfrist-Radarvorhersage können Sie den Verlauf von Starkniederschlägen in Echtzeit mitverfolgen und erhalten präzise Prognosen im Kurzfrist-Bereich. Mit gezielten Warnungen via SMS, E-Mail und Telefon warnen wir beispielsweise Arbeitende in Kanalisationen rechtzeitig vor dem Auftreten von starken Niederschlägen. Mit unserem Unwetterportal stellen wir für Einzugsgebiete von Flüssen aggregierte Niederschlagssummen dar und informieren bei der Überschreitung von Grenzwerten.

Gerne beraten wir Sie auch für Ihre ganz spezifischen Fragestellungen.

Starkwind

Das Auftreten von Starkwind kann die Sicherheit von Infrastrukturen wie Gebäuden, Seilbahnen oder Eisenbahnen beeinträchtigen. Unsere Kernkompetenz liegt hier in der Erstellung spezifischer Services auf Basis von Windvorhersagen, Windmodellierungen und Windmessungen.

Hier können wir Sie einerseits mit ortsgenauen Windvorhersagen, zum Beispiel für den Betrieb von Seilbahnen oder für Storensteuerungen bedienen.

Daneben erstellen wir Windlastgutachten für die Planung von Seilbahnen. Mit dem neuen, innovativen meteorologischen Modell PALM-4U sind wir schliesslich in der Lage, Extremereignisse in sehr hoher räumlicher und zeitlicher Auflösung zu simulieren. Auf Basis dieser Modellierungen ist es möglich, die Windbedingungen, welche während Schadenereignissen aufgetreten sind, sehr präzise zu rekonstruieren und aus diesen Footprints die entsprechenden Schlussfolgerungen zu ziehen.

Im Abo Donnerradar ist, zu einem sehr moderaten Preis, eine geballte Ladung an Information verpackt: Zoomradar – 3D-Radar – Blitzanzeige – Bodendaten – Profile – Webcambilder. In diesem 3D-Radarbild vom 4.6.2021 sind die Hagelsäulen rot eingefärbt. Je höher diese Säulen, umso grösser der Hagel am Boden.

 

Newsletter meteoradar 2021-01

Dieser Newsletter ist 2-sprachig. Für die englische Version nach unten scrollen.

Geschäftsübergabe

Es freut mich, Willi Schmid, sehr, die Übernahme der meteoradar gmbh durch die Meteotest AG in Bern bekanntzugeben. Für mich kommt altershalber die Zeit, die Verantwortung für das Geschäft in jüngere Hände zu legen. Herzlichen Dank für Ihre Treue und Ihr Vertrauen. Die Übernahme der Produkte und Dienste durch Meteotest folgt nach und nach, für Sie als Kunde ändert sich vorerst nichts. Während der Übergangsphase stehe ich als Ansprechpartner gerne weiterhin zu Ihrer Verfügung.

Ich, René Cattin von Meteotest, bin sehr glücklich über diesen Meilenstein in der Kooperation zwischen der Meteoradar und der Meteotest, welche bereits im Jahr 2014 begonnen hat. Dank diesem Zusammenschluss können wir nun alle Grundlagen und Services zu Hagel, Blitzschlag, Starkniederschlag und Starkwind aus einer Hand anbieten. Danke Willi für Dein Vertrauen in die Meteotest. Ich freue mich auf auf eine gute und enge Zusammenarbeit mit Ihnen, den treuen Kunden der Meteoradar.


Zum Jahresbeginn wurden die folgenden faszinierenden Neuerungen eingeführt:

Neues Radarkomposit für Deutschland, Schweiz und Norditalien auf www.meteoradar.com. Die Vollversion (6-Stundenloop, grosser Zoomfaktor) steht allen Abonennten eines Produktes von meteoradar ohne weiteren Kosten zur Verfügung. Abo kaufen

Grösseres Radarbild und neu 2-spaltiges Layout auf den Homepages www.meteoradar.ch, www.metradar.ch und www.meteoradar.com

Datenschutzkonformer Cookie-Hinweis bei erstmaligem Aufruf einer Webseite von meteoradar

Werbefreie Webseiten für Abonnenten eines Produktes von meteoradar Abo kaufen

Neue Schnellnavigation und neue Buttons zur Positionierung des Radarbildes


English version of our Newsletter 2021-01. Scroll to top for our version in German.

Business handover

I, Willi Schmid, am very pleased to announce the takeover of meteoradar gmbh by Meteotest AG in Bern. Due to my age, the time has come for me to place the responsibility for the business in younger hands. Thank you very much for your loyalty and trust. The takeover of the products and services by Meteotest will follow gradually, for you as a customer nothing will change at this time. During the transition, I look forward to be at your disposal as a contact person.

I, René Cattin from Meteotest, am very happy about this milestone in the cooperation between Meteoradar and Meteotest, which already started in 2014. Thanks to this merger, we can now offer all the bases and services on hail, lightning, heavy precipitation and high winds from a single source. Thank you Willi for your trust in Meteotest. We look forward to a good and close cooperation with you, Meteoradar’s loyal customers.


The following fascinating innovations were introduced at the beginning of the year:

New radar composite for Germany, Switzerland and Northern Italy on www.meteoradar.com. The full version (6-hour loop, large zoom factor) is available to all subscribers of a meteoradar product at no additional cost. Buy subscription

Larger radar image and new 2-column layout on the homepages www.meteoradar.ch, www.metradar.ch and www.meteoradar.com

Privacy-compliant cookie notice when calling a meteoradar website for the first time

Ad-free web pages for subscribers of a product of meteoradar Buy subscription

New quick navigation and new buttons for positioning the radar image

 

18.8.2020: Basler Split und Linksläufer-Superbabyzelle

Der Linksläufer im Abendlicht
Foto: Mike Tscharner

Am Abend des 18.8.2020 teilte sich eine Gewitterzelle, welche knapp südwestlich von Basel entstanden ist. Die eine Zelle wich dem mittleren Höhenwind nach rechts, die andere nach links aus. Der Rechtsläufer zerfiel nach 1 3/4 Std., der Linksläufer überlebte länger, ca. 2.5 Stunden. Dieses Verhalten ist unüblich, meistens ist es umgekehrt. Dies ist Grund genug, den Linksläufer genauer unter die Lupe zu nehmen. Der Zufall wollte es, dass die Zelle ziemlich nahe am Feldberg Radar vorbeizog. Damit kann mit Hilfe der Dopplerwindmessungen des Radars untersucht werden, ob der Aufwind der Zelle rotierte oder nicht. In unserem Vorgängerblog („Ausbruch von Superzellen?“) hatten wir darauf hingewiesen, dass die Umgebungsbedingungen für Rotation bei den Linksläufern in der Regel weniger günstig sind als bei Rechtsläufern.

Die folgende gif-Animation zeigt die Zellteilung und die unterschiedlichen Zugbahnen der beiden Split-Zellen zwischen 1810 und 21 Uhr. Die Wolkentops erreichten ca. eine Höhe von 10 km über Meer, und die Hagelcores (rote Säulen) stiegen auf maximal 6 km. Die Zellen entstanden in einer vom Nordatlantik stammenden, mässig instabilen Luftmasse auf der Rückseite eines abziehenden Höhentroges und erreichten nicht die Ausdehnung und Stärke von hochsommerlichen Gewittertürmen.

Radar-Animation des Basler Splits.

Wir untersuchen im folgenden den Linksläufer um 21 Uhr, der Zeitpunkt, zu welchem die Zelle im Süden des Feldberg Radars vorbeizog. Wir zeigen vier vergrösserte Radarbild-Ausschnitte: die Doppler-Geschwindigkeit auf 2.6 km Höhe über Meer (Elevation 2.5 Grad), ungefiltert und gefiltert, und die Radarreflektivität auf 2.6 km und 5 km Höhe über Meer.

Das untenstehende Bild der Doppler-Geschwindigkeit zeigt einen Vortex moderater Stärke. Im ungefilterten Bild (links) sind eine grössere Zahl von Fehlmessungen erkennbar. Diese sind kleinräumig und sehr variabel. Mit einem Median-Filter kann das Doppler-Bild in der Regel recht gut von Fehlmessungen gesäubert werden. Eine Beurteilung der Wirkung eines Filters von Auge ist aber immer empfehlenswert. In diesem Beispiel (Bild rechts) bleibt nach der Filterung genau ein offensichtlicher Fehlwert übrig. Dieser kann vernachlässigt werden, und der Doppler-Vortex wird bestätigt. Der Wirbel rotiert antizyklonal (also im Uhrzeigersinn), genauso wie es sich für einen Linksläufer gehört. Die Rotation ist in den Radarbildern mehrerer benachbarter Elevationen über einen Höhenbereich von 2.5 – 5 km über Meer nachweisbar. Allerdings ist die Wirbelstärke nicht besonders berauschend.

Die Doppler-Geschwindigkeit auf 2.6 km Höhe (Elevation 2.5 Grad), gemessen mit dem Feldberg Radar um 19:00 Uhr. Das Bild links ist ungefiltert, im Bild rechts wurde auf die Daten ein 3×3 Punkte Medianfilter angewendet. Grüne Farben bedeuten Bewegung aufs Radar zu, die braun-roten Farben weisen auf Bewegung vom Radar weg hin. Datenquelle: DWD Wetterradar Feldberg

In den folgenden Figur wird die Radarreflektivität auf 2.6 km (Elevation 2.5 Grad) und auf 5 km (Elevation 8 Grad) angezeigt. Im Bild links ist eine für Superzellen charakteristische Struktur erkennbar: ein Haken („Hook“), eine (durch den Haken begrenzte) Schwachechozone („weak echo region“ oder „WER“) und hohe Gradienten der Radarreflektivität auf der Nordseite der Zelle. Die Grenze der Schwachechozone ist mit einer schwarzen Linie markiert, diese Linie wurde in das auf 5 km Höhe aufgenommene Radarbild übertragen (rechts). In diesem Bild begrenzt diese Linie eine Zone mit markant höheren Radarreflektivitätswerten, man spricht deshalb von einem Überhang. Die „weak echo region“ markiert die Lage des Aufwindes: in diesem werden die Wolkenpartikel in die Höhe transportiert, bevor sie an Volumen zulegen und, im Überhang und seitlich angrenzend, allenfalls Hagelkorngrösse erreichen. In der Grafik links ist auch die Position des Dopplerwirbels eingetragen, wie er in der vorangehenden Figur identifiert worden ist. Man kann hieraus schliessen, dass der Aufwind rotiert, und zwar, wie schon beschrieben, antizyklonal, d.h. im Uhrzeigersinn. Mit der Rotation werden die Niederschlagsteilchen um das Aufwindzentrum herumgeführt, und es kommt zur Bildung des charakteristischen „Hook“-Echos.

Die Radarreflektivität auf 2.6 km Höhe (links) und auf 5 km Höhe (rechts). Typische Merkmale werden in weisser Schrift markiert, der/die geneigte Leser/in möge verzeihen, dass wir z.T. auf die im englischen Sprachgebrauch üblichen Begriffe zurückgreifen. Datenquelle: DWD-Wetterradar Feldberg.

Der Linksläufer kann also zum untersuchten Zeitpunkt (21 Uhr) als Superzelle klassiert werden. Die beschriebene Struktur kann in vier aufeinanderfolgenden Messzyklen (20:55 – 21:10) Uhr mehr oder weniger deutlich nachgewiesen werden. Vorher und nachher sind die Merkmale einer Superzelle weniger klar. Allerdings müssten die Messdaten durchgehend analysiert werden, um die effektive Dauer dieser superzellulären Phase zu bestimmen. Ab 21:15 Uhr schwächelte die Zelle zunehmend und verschwand eine halbe Stunde später aus dem Radarbild.

Die in den Radarbildern sichtbaren und beschriebenen Merkmale sind ein Spiegelbild der weitaus häufigeren rechtsziehenden Superzellen. Allerdings ist die Zelle markant kleiner als ihre grossen, ausgewachsenen Gegenspieler, welche typischerweise lange Schadenspuren durch Hagel, Sturm und schlimmstenfalls Tornados generieren. Man könnte in diesem Fall von einer Superbabyzelle oder, offizieller, von einer Mini-Superzelle sprechen. Der Vollständigkeit halber wird in der folgenden Figur ein stark vereinfachter Hodograf wiedergegeben (beruhend auf der Payerne-Sondierung vom 19.8.2020 00z), mit welchem die SREH 0-3 km abgeschätzt werden kann (vgl. hierzu unseren Vorgängerblog „Ausbruch von Superzellen“). Der gefundene Wert (37 m2/s2) ist wenig berauschend und liegt deutlich unter der Schwelle (100-150 m2/s2), ab welcher gemeinhin Superzellen erwartet werden. Es muss deshalb davon ausgegangen werden, dass die Windverhältnisse nur lokal die Entstehung der beobachteten Superzellenstruktur begünstigt haben. Dafür spricht auch die möglicherweise nur kurze Dauer der superzellulären Phase.

Vereinfachter Hodograph, beruhend auf der Payerne-Sondierung vom 19.8.2020 00Z und der berechneten Zugrichtung und Geschwindigkeit des Linksläufers.

Falls jedoch der Aufwind des Linksläufers vor 20:55 Uhr (noch) nicht rotierte, dann wäre die Zelle erst 1.5 Stunden nach ihrer Entstehung in eine Superzelle mutiert. Die Zellenbewegung blieb über die gesamte Lebensdauer etwa die gleiche. Es ist also möglich, dass der Aufwind eines Linksläufers manchmal rotiert, manchmal nicht, ohne dass dies aus der Zugbewegung direkt erkennbar wäre. Ein schlecht aufgelöstes Kompositbild hilft da wenig, erst mit Hilfe eines vollständigen Volumendatensatzes und mit qualitativ guten Doppler-Messungen gelingt es, den Status eines Linksläufers (Superzelle oder nicht) zuverlässig zu bestimmen. Diese Erkenntnis ist keineswegs neu und gilt auch für Rechtsläufer.

 

28.7.2020: Ausbruch von Superzellen?

Blick von Sellenbüren in Richtung SW auf eine der zahlreichen Superzellen des Tages

Nein, Superzellen haben nichts mit Superspreader zu tun, und noch viel weniger mit Superviren. Superzellen sind eine spezielle Klasse von Gewittern, nämlich solche, bei welchen der Aufwind rotiert. Dieser rotierende Aufwind wird auch als „Mesozyklone“ (oder „Mesoantizyklone“) bezeichnet, je nach dem Drehsinn der Rotation (im Gegenuhrzeigersinn bei den Mesozyklonen). Superzellengewitter sind gefürchtet, weil sie gerne von Hagel, Sturmböen, Sturzfluten und Tornados begleitet sind. In der Schweiz sind Superzellen in den letzten Jahren, mindestens nördlich der Alpen, seltener geworden. Das hängt mit der Stärke des Höhenjets im mäandrierenden Westwindgürtel der mittleren Breiten zusammen. Wird der Höhenjet schwächer (als Folge der Klimaerwärmung), dann werden die Scherzonen seltener, welche für den Aufbau von Rotation in der Aufwindzone von Gewitterzellen nötig sind.

Ganz im Gegensatz zum beschriebenen Trend der letzten Jahre war der Hochsommer 2020 bislang durch eine länger dauernde und nur schwach mäandrierende Westwindströmung geprägt. In dieser Strömung eingebettet sind in den letzten Wochen eine Serie von Kurzwellentrögen schleifend vorbeigezogen. Der Höhenjet des letzten Troges hat den Alpenraum am 28.7.2020 jedoch voll erfasst. Vom Boden bis in 3 km Höhe nahm die Windstärke um über 60 km/h zu. Dadurch entstand eine ideale Scherung für den Aufbau von rotierenden Aufwinden und von Superzellen. Ab dem Mittag bis weit in die Nacht bildeten sich vor allem in der Ostschweiz und den Alpen entlang eine Vielzahl von Gewitterzellen, welche rasch nordostwärts und ostwärts weiterzogen und vielerorts für heftige Hagelschläge sorgten. Der von Christian Matthys im Sturmforum bereitgestellte Radarloop vom 28.7.2020 (vielen Dank!) gibt einen guten Überblick über das Geschehen während der 14-stündigen Gewitterperiode.

Aber waren die zahlreichen Gewitterzellen dieses Tages auch Superzellen?
Über diese Frage wurde im Sturmforum bereits ausgiebig diskutiert. Vortex-Signaturen von Dopplerwindmessungen in mittleren Höhen (typischerweise 5 km) könnten die Existenz von Mesozyklonen belegen. Solche Daten sind leider nicht verfügbar, der Feldberg-Radar als mögliche Datenquelle ist zu weit weg. Aus diesem Grund behelfen wir uns mit einer Analyse des Umgebungswindes. Für diese stark vereinfachte Betrachtung nutzen wir die Erfahrung, dass die Geschwindigkeit von Gewitterzellen etwa der Windgeschwindigkeit in 3 km Höhe (700 hPa) entspricht. In niedrigen Höhen ist die Windstärke in der Regel geringer, also kriegt die Gewitterzelle ihr „Futter“ (= energiereiche Bodenluft) aus einer Schicht vom Boden bis ca. 3 km Höhe. Rotiert die einfliessende bodennahe Luftschicht (der Fachmann spricht von „streamwise Vorticity“), dann wird die Rotationsachse von der Horizontalen in die Vertikale gekippt, und die einfliessende Luft wird als Mesozyklone (= rotierender Aufwind) zum Zentrum der Gewitterzelle.

Werte von über 150 m2s-2 der sog. „storm-relative“ Helicity (auch „SREH“ genannt) sind ein guter Indikator für Mesozyklonen. Diese Grösse kann aus dem Vertikalprofil (0 – 3 km Höhe) des Horizontalwindes und dem Bewegungsvektor der Gewitterzellen ermittelt werden. Das entscheidende Hilfsmittel hierzu ist der Hodograph: eine Darstellung, in welcher die Vektorspitzen der Windvektoren und des Bewegungsvektors der Gewitterzelle mit einer Linie verbunden werden. Die dabei umschlossene Fläche, multipliziert mit dem Faktor 2, ergibt dann die SREH.

Wir haben die Zugrichtung und die Zuggeschwindigkeit von neun besonders langlebigen (> 60 min) Gewitterzellen ausgewertet. Die Zugbahnen sind in der folgenden Abbildung eingetragen. Es zeigt sich ein für solche Wetterlagen typisches bimodales Muster der Bewegungsrichtung. Dementsprechend können die neun Zellen in 5 „Rechtsläufer“ („right mover“) und 4 „Linksläufer“ („left mover“) aufgeteilt werden.

Die Zugbanen von 9 besonders langlebigen Gewitterzellen, 5 „right mover“ (rot) und 4 „left mover“ (gelb).

Und dies sind die Mittelwerte der Bewegungsvektoren (Azimuth 0 Grad bedeutet Bewegung in nördliche Richtung, 90 Grad in östliche Richtung usf.):

Right mover (Mittelwerte von 5 Zellen)
Azimuth/Geschwindigkeit:  95 Grad/56 km/h

Left mover (Mittelwerte von 4 Zellen)
Azimuth/Geschwindigkeit:  63 Grad/64 km/h

Zur Charakterisierung des Umgebungswindes in der freien Atmosphäre verwenden wir die Radiosondierungen von Payerne, wohl wissend, dass eine detaillierte Analyse der lokalen Windverhältnisse den Rahmen dieses Blogbeitrages bei weitem sprengen würde. Der Einfachheit halber werten wir nur die Höhenlevel Boden, 700 hPa und 500 hPa aus. Für eine umfassende grafische Darstellung der Sondierungsdaten (inkl. Hodographen) verweisen wir auf die Auswertungen von Bernhard Oker.

Die folgenden Diagramme zeigen die Wind-Hodographen (blaue Linie) der Payerne-Sondierungen vom Mittag des 28.7. und der kommenden Nacht. Die mittleren Bewegungsvektoren der Gewitterzellen sind mit blauen Kreuzen markiert. Die Berechnung der SREH führt zu einem klaren Resultat:
nur die Rechtsläufer haben „superzellenfördernde“ Werte der SREH von über 150 m2s-2.

Entscheidend für die Umsetzung einer hohen Windscherung in eine hohe SREH ist eine erhebliche Abweichung der Bewegungsrichtung einer Gewitterzelle von der Windrichtung in 700 hPa.

Dies ist eine einfache Regel, welche rasch und unkompliziert geprüft werden kann, sobald die Bewegungsrichtung einer Gewitterzelle klar erkennbar ist. Zusammengefasst bedeutet dies, dass am 28.7.2020 nur die Rechtsläufer mit guter Gewissheit als Superzellen angesehen werden können.

Wind-Hodograph des Payerne-Sondierungen vom 28.7.2020 12z und 29.7.2020 00z. Zusätzlich sind die gemittelten Bewegungsvektoren der right-mover und left-mover eingetragen. Aus den farbigen Flächen wurde die SREH berechnet. Die SREH der right-mover entspricht selbstversändlich der roten + der orangenen Fläche.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Bei den Linksläufern ist zumindest ein Fragezeichen zu setzen. Beim Betrachten der Zugbahnen der 9 untersuchten Gewitterzellen (siehe oben) fällt auf, dass die Linksläufer bis auf eine Ausnahme entlang der Voralpen entstanden sind. Es wäre denkbar, dass die Payerne-Sondierung die Windverhältnisse in den Voralpen nicht realistisch wiedergibt, dass, zum Beispiel, der Wind in 700 hPa mehr aus nördlicher Richtung in die Zellen einfliesst und die SREH höher ist als berechnet. Die Windmessung auf dem Titlis (3100müM) spricht eher dagegen. Bis ca. 16 Uhr stimmt die Windrichtung gut mit der Payerne-Sondierung überein. Danach dreht zwar der Wind stufenweise etwas mehr in westliche Richtung, aber der Titlis war nach 16 Uhr voll im Einfluss durchziehender Gewitterzellen. Die Winddrehung könnte sich outflowbedingt geändert haben, zudem kann das Gelände die Windmessung beeinflussen.

In einer Studie  von Houze et al. (1993) wurden die Linksläufer im Alpenraum im Detail untersucht. Dabei wurde die folgende Schlussfolgerung gezogen:

„However, the left-moving members of the splits are not similar to … . They are not ordinary cells, nor are they classic supercells, but rather of some intermediary structure.“

Ob Superzelle oder nicht – Fact ist, dass die Linksläufer am 28.7.2020 den Rechtsläufern betr. Stärke und Lebensdauer ebenbürtig waren. Auch grosser Hagel konnte den Linksläufern zugeordnet werden. Linksläufer können also genauso gefährlich sein wie die Rechtsläufer, welche hierzulande in der Regel die grössten Alphatiere im Haifischbecken der Gewitterzellen hervorbringen. Die Frage ob Superzelle oder nicht ist, im Hinblick auf Hagel, Starkniederschlag oder Sturmböen, eher von untergeordneter Bedeutung. Dies gilt aber nicht im Hinblick auf das Tornadorisiko. Hohe Werte der SREH weisen auf ein erhebliches Tornadorisiko hin, und dieses Risiko scheint den Rechtsläufern vorbehalten. In der Tat können nordhemisphärenweit nur sehr wenige Tornadoereignisse den Linksläufern zugeordnet werden.

Zurück zur Titel: dieser sollte korrekterweise in „Ausbruch von rechtsziehenden Superzellen“ abgeändert werden.

 

 

 

 

 

Gewitterrückblick 01.07.2020

Eine sehr dankbare Zeit für die Blitzfotographie ist die Abenddämmerung. Dieser Schnappschuss gelang von Sellenbüren Richtung Süden, kurz bevor es komplett dunkel wurde.

Wir möchten Fabienne’s Gewittervorschau vermehrt mit einem Gewitterrückblick ergänzen. Der erste Tag des zweiten Sommermonats war ein sehr ausgiebiger Gewittertag. Auf der Vorderseite eines flachen Gewittertroges war es eher schwachwindig. Trotzdem gab es einige gut organisierte Gewittersysteme, welche da und dort auch mittelgrossen Hagel im Gepäck hatten. Die Orographie war einmal mehr prägend für die Gewitterentwicklung. Dank klarer Luft war die Beobachtung der Gewitter für Sturmjäger und weitere Interessierte ein Genuss. Die Resultate, zahlreiche Fotos und auch Videos werden jeweils im Sturmforum (sturmforum.ch) publiziert.

Die Regensummenkarten (meteoradar.ch/regenkarten) zeigen exemplarisch die für instabile Sommertage charakteristische Gewitterentwicklung: zuerst im Jura, gefolgt von den Voralpen und schliesslich am Abend im Mittelland. Aufgrund dieser Karten können auch gleich drei massgebende Gewitterzüge identifiziert werden:

– im Jura (13 – 16 Uhr) von Tavannes bis Breitenbach
– in den Voralpen (16 – 19 Uhr) vom Entlebuch zum oberen Zürichsee
– im Mittelland (19 – 02 Uhr) von Fribourg zum oberen Zürichsee

Die Regensumme überschritt vielerorts 20 mm in kurzer Zeit, vereinzelt gab es auch mehr als 40 mm. Das Maximum des SMN Messnetzes der Meteoschweiz wurde mit 40 mm in Engelberg registriert. Das sind keineswegs ungewöhnliche Werte für Sommergewitter, grössere Schäden durch Überflutungen sind unseres Wissens zum Glück weitgehend ausgeblieben. Etwas weniger günstig dürfte die Bilanz bei den Hagelschäden aussehen. Das Voralpengewitter (16 – 19 Uhr) war für die stärksten Hagelsignaturen des Tages verantwortlich. Dabei waren 3 Zentren auszumachen: etwa bei Büren (Nidwalden), Sattel (Schwyz) und Schmerikon (St. Gallen). Aus diesen Gegenden liegen Hagelmeldungen mit Korndurchmesser im Bereich von 2-4 cm vor. Das entspricht etwa den Schätzwerten aufgrund der Radarmessdaten. Es ist zur Zeit offen, ob dieses linkssziehende Voralpengewitter Merkmale einer Superzelle aufwies. Hierzu müssten Dopplerwinddaten nachgeprüft werden. Abgesehen von diesem Gewitter gab es kaum Hinweise auf Superzellen an diesem Tag.

Regensummenkarte 3 Std., 1.7.2020, 13 – 16 UhrRegensummenkarte 3 Std., 1.7.2020, 16 – 19 Uhr Regensummenkarte 3 Std., 1.7.2020 19 Uhr – 2.7.2020 2 UhrRegensummenkarte 24 Std., 1.7.2020 0730 Uhr – 2.7.2020 0730 UhrDie Panorama-Webcam in Sellenbüren gibt, dank der Ausrichtung nach SW, einen umfassenden Überblick über das Geschehen am Himmel vom Jura bis zu den Alpen. Der folgende Ausschnitt aus dem Tageszeitraffer zeigt exemplarisch die Entwicklung der drei aufgelisteten Gewitterzüge über dem Jura, den Voralpen und dem Mittelland. Beeindruckend vor allem, wie sich das Geschehen am Himmel nach dem Abzug der Voralpengewitter scheinbar beruhigt und der blaue Himmel wieder dominiert. Dann plötzlich, wie aus der Feder geschossen, steigen ganz rechts im Bild die ersten Hungertürmchen hoch. Die folgende Entwicklung ist dann nicht mehr aufzuhalten. Leider wird der Fluss des Zeitrafferfilms durch kurze UPC-bedingte Netzausfälle etwas gestört. Das Flackern am Filmende hat nichts mit Blitzen zu tun, sondern vielmehr mit dem mehrmaligen Versuch der Kamera, vom Tages- auf den Nachtmodus umzuschalten.

Zum Schluss der Radarfim des Tages, in welchem die Gewitterentwicklung für Interessierte im 5-Minuten Schritten aufgezeichnet ist. Die Tagesfilme sind für die User des kostengünstigen 3D-Radars von meteoradar für alle Tage der vergangenen 9 Monate verfügbar.

Zoomradar 2020

Vollbild-Anzeige des neuen Zoomradar 2020 bei einem starken Gewitter über dem Bodensee

Der neue Zoomradar 2020 ist online. Damit steigt die beliebte simultane Darstellung von Radarbildern, Blitzentladungen, Bodendaten, Höhenprofilen und Webcambildern ein in die Welt der (fast) unlimitiert zoombaren Karten im Stil der Google Maps und Derivate. Entstanden ist ein einzigartiges, äusserst flexibles Tool zur Beurteilung des aktuellen Wetters und dessen kurzfristige Entwicklung. Gleich zwei Webseiten von meteoradar werden mit der neuen Zoom-Darstellung ausgestattet:

metradar.ch
meteoradar.ch

Nur über metradar.ch kann, mit einem Abo Zoomradar Pro, die volle Funktionalität des neuen Produktes für die aktuelle Wetterbeurteilung genutzt werden. Diese kann jedoch in einer Demo getestet werden:

metradar.ch/2020_demo


Highlights des neuen Zoomradar 2020

Grosser Zoombereich, Zoomfaktor 1000

Karten-Hintergrund in Graustufen, unscharfe Niederschlagsechos

Stark durchschimmernder Karten-Hintergrund

Scharfe Niederschlagsechos

Farbiger Karten-Hintergrund

Anzeige der Blitzdaten bei starkem Zoomen

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