Sturmvorschau 16.-21.01.2018

Wir haben immer noch „Winter 2017/18“ und wie sollte es anders sein: Der nächste nasse Sack steht vor der Tür. Eine ganze Woche Verschnaufpause wurde uns gegönnt. Dabei haben wir ziemlich gelassen zugeschaut, wie die grossräumige Zirkulation über Europa so etwas wie eine Ostlage versucht hat hinzubekommen – sie war von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Bereits in der Monatsprognose an Silvester habe ich erklärt, wieso der Atlantik eine Macht sein wird in diesem Januar. Nun hat sich das riesige nordamerikanische Kaltluftreservoir über den Nordatlantik ergossen und erzeugt dort gewaltige Temperaturunterschiede auf engstem Raum: Die beste Voraussetzung für die Bildung neuer Sturmtiefs, die per Express nach Europa geliefert werden. Die nächsten schlaflosen Nächte sind vorprogrammiert und wer sich draussen aufhalten muss, ist gut beraten, äusserste Vorsicht walten zu lassen.

Die grossräumige Druck- und Windverteilung in rund 5000 m Höhe im Titelbild kommt uns irgendwie bekannt vor: Wie bereits vor zwei Wochen erstreckt sich ein mächtiges Förderband über den Nordatlantik und zielt genau auf die Alpen, wo es angesichts des osteuropäischen Hochdruckblocks aufgefächert wird. Wetter wiederholt sich allerdings nie ganz genau und so gilt es auch diesmal, das Augenmerk auf die Details zu legen, soweit sie heute bereits abschätzbar sind.

Das erste Sturmfeld erreicht in der Nacht auf Dienstag den Jura, durch Kanalisierungseffekte kann es in den Tälern sowie am Jurasüdfuss und auf den Mittelland-Hügeln schon mal zu schweren Sturmböen kommen. Dabei steigt die Schneefallgrenze vorübergehend auf 1000 bis 1200 m an. Am Dienstag schleift die Kaltfront längere Zeit knapp nördlich der Schweiz. Die bodennahe Kaltluft dringt erst am Abend mit der Bildung eines Randtiefs südlich der Alpen richtig zu uns vor, womit auch in den Niederungen mit Schneefall zu rechnen ist. Nachdem der Wind tagsüber im Warmsektor permanent stark aus Südwest bläst, ist in den Abendstunden mit der Kaltfront ein zweiter Höhepunkt mit Winddrehung auf West zu erwarten. „Begünstigt“ für schwere Sturmböen sind in solchen Fällen der Hochrhein und die Bodenseeregion sowie etwas zeitversetzt die Eingänge zu den Alpentälern.

Am Mittwoch verbleiben wir auf der Rückseite der Kaltfront in vom Atlantik erwärmter Polarluft. Es kommt immer wieder zu teils kräftigen Schauern, meist in fester Form bis in tiefe Lagen – angesichts des starken Windes bleibt die Temperatur aber knapp zu hoch, um im Flachland eine ansehnliche Schneedecke zuzulassen. Dass der Schneematsch in den tiefen Lagen gefriert, ist ebensowenig zu befürchten, da in der Nacht auf Donnerstag bereits der Wolkenschirm der nächsten Warmfront aufzieht. Diese gehört zu einem Randtief, das sich heute Montag vor der US-Ostküste gebildet hat und am Dienstag am westlichen Rand der Karte auftaucht:

Dabei handelt es sich – getrieben vom oben erwähnten Förderband – um einen sogenannten Schnellläufer: Bereits 45 Stunden später soll er sich über Norddeutschland befinden.

Ist das Tief erst mal entstanden, kann seine ungefähre Zugbahn relativ gut prognostiziert werden. Es gibt aber immer Unsicherheiten, da sich geringe Veränderungen bei der hohen Zuggeschwindigkeit auf zwei Tage hinaus schnell mal auf 6 bis 12 Stunden bezüglich des Eintreffens bei uns aufsummieren können. Ein weiterer Unsicherheitsfaktor ist die Stärke des Tiefs. Diese dürfte in den nächsten Modelläufen noch mehrmals verschieden berechnet werden, es ist daher wenig sinnvoll,  bereits jetzt zu sehr über exakte Zahlen zur Sturmstärke zu spekulieren. Klar ist: Das Potenzial für einen schweren Sturm ist vorhanden. Die folgende Karte ist daher mehr als ungefähre Richtlinie zu verstehen:

Zu den ohnehin bereits beträchtlichen Windgeschwindigkeiten, verursacht durch den Druckgradienten, kommt die hohe Zuggeschwindigkeit des Randtiefs hinzu. Die dargestellte mittlere Windgeschwindigkeit von etwa 120 km/h in der Nordschweiz kann jederzeit böig zum Boden runtergemischt werden, wenn die Bedingungen stimmen. Da die Aufräumarbeiten nach dem Sturm „Burglind“ in unseren Wäldern bei weitem noch nicht überall abgeschlossen sind, ist damit zu rechnen, dass dieser Sturm vor allem bei bereits geschwächten Bäumen und an frisch entstandenen Windwurfflächen nachlegt. Dass man auch im Siedlungsgebiet angesichts solcher Aussichten alle notwendigen Sicherungsmassnahmen vornehmen sollte, versteht sich von selbst. Detaillierte Prognosen zum zeitlichen Ablauf und der Stärke sind erst am Mittwochabend möglich, es wird die Konsultation des bei Bedarf häufiger aktualisierten Unwetterberichts unter dem Radarloop von meteoradar empfohlen.

Nach den aktuellen Unterlagen handelt es sich diesmal in erster Linie um einen Warmsektorsturm. Die Schneefallgrenze steigt am Donnerstag wahrscheinlich bis auf etwa 1500 m an. Ein derart heftiger und vor allem lang andauernder Spülgang wie vor zwei Wochen ist allerdings eher unwahrscheinlich. Die Kaltfront zieht vermutlich erst in der Nacht zum Freitag oder am Freitagmorgen durch, aus heutiger Sicht ist aber die Höhenkaltluft diesmal weniger bissig als bei „Burglind“: Einzelne elektrische Entladungen sind wahrscheinlich, flächendeckende konvektive Aktivität mit einhergehenden Orkanböen sind aber nach aktuellem Stand eher nicht zu erwarten. Doch wie gesagt: Diesbezüglich gilt es noch etwas abzuwarten und trotzdem auf der Hut zu sein.

Der Freitag scheint ungefähr eine Kopie des Mittwochs zu werden: Weiterhin sehr windig, aber nicht mehr volle Sturmstärke, dabei immer wieder Schneeschauer bis in die Niederungen. Dabei dürfte es auch diesmal wieder zu warm sein, um tagsüber in den tiefsten Lagen eine Schneedecke zu bilden. Erst in der Nacht zum Samstag kühlt es ausreichend aus. Wie viel Niederschlag dann aber noch nachkommt, wird sich weisen müssen. Der Sonntag scheint nach den heutigen Karten der erste Tag in diesem Jahr zu sein, der flächig mässigen Frost bringen dürfte. Winterfreunde sollten es geniessen, denn bereits zum Anfang der nächsten Woche zeichnet sich die erneute Umstellung auf eine milde Südwestlage ab.

Sturmvorschau 03.-08.01.2018

Die seit dem 9. Dezember anhaltende Wintersturmserie erreicht in den nächsten Tagen ihren vorläufigen Höhepunkt. Interessant ist dabei nicht nur die potenziell schadenträchtige Sturmlage vom Mittwoch, sondern auch die nachfolgende Achterbahnfart der Schneefallgrenze sowie beträchtliche Niederschlagsmengen am Donnerstag auf der Alpennordseite, zum Wochenende dann auch im Süden. Auf die sich daraus ergebende Hochwasser- und Lawinengefahr kann hier nicht näher eingegangen werden, wir empfehlen die entsprechenden Berichte der kantonalen und nationalen Warnplattformen im Auge zu behalten. Aus dem Thunersee und den Jurarandseen wird jedenfalls schon mal vorsorglich Wasser abgelassen. Auch wenn es danach in der Wetterküche etwas ruhiger aussieht, heisst das noch lange nicht, dass die Spannung wegfällt. Die Modelle sind sich bezüglich der Entwicklung zu Beginn nächster Woche nämlich noch überhaupt nicht einig.

Die grossräumige Wetterlage zeigt uns eine stramme West-Nordwestströmung über den gesamten Nordatlantik, wobei das Starkwindband mit mittleren Windgeschwindigkeiten in 5500 m Höhe von 200-230 km/h direkt auf die Alpennordseite zielt (Klick auf das Titelbild für vergrösserte Ansicht). Über Mitteleuropa fächert die Höhenströmung auf, wodurch es zum Wochenende über Westeuropa austrogt und wir auf die warme Vorderseite gelangen. Die Zufuhr milder Luft weit nach Norden fördert in der Folge Hochdruckbildung irgendwo im Bereich zwischen Nordsee und Baltikum, während das abgetropfte Tief über Südwesteuropa oder im westlichen Mittelmeerraum herumeiert. Die genauen Positionen dieser beiden Gegenspieler ist für die weitere Entwicklung in Mitteleuropa massgeblich, genau hier scheiden sich jedoch die Modellgeister. Doch wenden wir uns zunächst der Kurzfrist zu:

Bereits am Dienstagabend erreicht uns aus Westen eine neue Warmfront, die Schneefallgrenze steigt an den westexponierten Lagen der Alpennordseite rasch auf 1500 bis 1800 m an, inneralpin schneit es in der Nacht noch länger bis in tiefe Lagen. Dabei frischt der Südwestwind allmählich auf und erreicht auf den Bergen bereits in der Nacht und am frühen Morgen Sturmstärke. Am Mittwochvormittag nähert sich aus Westen rasch eine Kaltfront:

Man erkennt an der gestaffelten Energieabnahme der Luftmasse hinter der Front, dass es sich dabei nicht um einen scharfen Temperaturgradienten handelt. Trotzdem birgt diese Front einige Gefahren. Aufgrund der eingangs erwähnten extremen Höhenströmung kommt die Höhenkaltluft nämlich viel schneller voran als die Bodenkaltfront. Die Modelle sind sich inzwischen einig, dass am Vormittag die Höhenkaltluft die bodennahe Warmluft im Bereich Südwestdeutschland/Nordschweiz überholt. Die Schichtung erreicht mit -30 °C in 500 hPa über 0 °C in 850 hPa eine Labilität, welche im Sommer für eine Schwergewitterlage sorgen würde. Blitz und Donner erwarte ich daher auch diesmal, doch das ist nicht das Hauptproblem: Durch die konvektiven Umlagerungen wird nämlich der Höhenwind stellenweise bis zum Boden durchgemischt. Dieser erreicht in 3000 m einen mittlere Windgeschwindigkeit von 160 km/h, in 1400 m immer noch 120 km/h:

Sehr schön ist auch der Leitplankeneffekt entlang des Alpennordrands zu erkennen, der sich am Nachmittag weiter nach Bayern und Österreich – mitunter sogar unter Verstärkung – fortsetzt, während auf der Rückseite der Front in der Schweiz der Wind rasch nachlassen wird. Der Höhepunkt des Sturms wird in der Nordwestschweiz am Vormittag, am Bodensee um die Mittagszeit erreicht. Die inzwischen zahlreich gewordenen Lokalmodelle zeigen im Detail lokal unterschiedliche Maxima, hier ein in meinen Augen plausibler Vertreter:

Demzufolge wird die schadensträchtige Schwelle von schweren Sturmböen (90 km/h) in den Niederungen verbreitet erreicht. Auf Orkanböen um 120 km/h muss man entlang des Hochrheins bis zum Bodensee, am Jurasüdfuss (Joran) sowie in den exponierten und erhöhten Lagen des Mittellands gefasst sein. Auf den Jura- und Voralpengipfeln sind durchaus Maximalböen zwischen 150 und 180 km/h möglich. Treffen die Berechnungen ungefähr so ein, wäre dies der schwerste Sturm der letzten Jahre. Zusätzlich verschärft wird die Gefahr durch die völlig vernässten Böden, was Entwurzelungen ganzer Bäume begünstigt. Es wird daher dringend geraten, am Mittwoch Wälder zu meiden!

Aufräumarbeiten werden nur notdürftig erledigt werden können, denn trotz nachlassendem Wind bleibt die Sturmgefahr bestehen. Zudem regnet es im Gefolge der Front kräftig, die Schneefallgrenze sinkt vorübergehend auf etwa 700 m. Bereits in der Nacht zum Donnerstag folgt die nächste Warmfront mit Dauerregen bis in die Nacht zum Freitag, dabei steigt die Schneefallgrenze wieder an, stellenweise kann sie über 2000 m erreichen. Und nun wird es kritisch, denn zu den akkumulierten Niederschlagsmengen kommt demzufolge auch noch einiges an Schmelzwasser hinzu:

Man kann nur hoffen, dass die mächtige Schneedecke noch einiges an Regenwasser aufnimmt und verzögert abgibt. Dennoch dürfte ein mittleres Hochwasser an den meisten Flüssen der Alpennordseite anstehen. Kritisch wird es am Rhein, je nachdem wie die Abflussspitzen der Zuflüsse aufeinander treffen. In mittleren Lagen steigt die Gefahr von Nassschneelawinen, in den Hochlagen wird die Lawinengefahr durch den starken Wind und Verfrachtungen verschärft.

Auf die Warmfront vom Donnerstag folgt nicht wie üblich eine Kaltfront, denn die Kaltluft zielt westlich der Alpen vorbei in Richtung Spanien und westliches Mittelmeer. Wir verbleiben auf der Vorderseite des abgetropften Tiefs, es bildet sich ab Freitag eine Südostföhnlage. Dadurch wird feuchte und mässig warme Mittelmeerluft an die Alpensüdseite geführt. Während es im Norden nun mehrheitlich trocken bleibt, regnet und schneit es auf der Alpensüdseite immer häufiger. Bei südöstlicher Anströmung dürften die westlichen Tessiner Täler sowie das Südwallis die grössten Niederschlagsmengen erhalten. Das mit der Schneefallgrenze wird eine Lotterie:

Die Luftmasse gibt zwar eine Schneefallgrenze von 1500 m her, doch mit geringer Durchmischung und starker Niederschlagsabkühlung kann es in manch engem Alpental bis in den Talgrund schneien. Das kann je nach Ausrichtung des Tals völlig unterschiedlich aussehen. Abhängig davon, wie weit nördlich das Bodentief verbleibt, könnte es im Wallis und im Berner Oberland zu starkem bis stürmischem Föhn kommen. Im Mittelland kommt eine zügige Bise auf, in der Genferseeregion und auf den Jurahöhen könnte sie am Sonntag durchaus in den Bereich der Sturmstärke gelangen.

Das war jetzt ziemlich viel Konjunktiv, denn die Modelle haben mit der Positionierung und Stärke von Tief im Südwesten und Hoch im Norden gewaltige Probleme. Auf obiger Karte sehen wir eine markante Luftmassengrenze quer durch die Mitte Deutschlands. Je nach Modell und Lauf bleibt sie dort stehen und wird in der Folge sogar wieder nach Norden zurückgedrängt, oder aber sie kommt bis zu den Alpen voran. In der neuen Woche ist eine schwachgradientige Süd- bis Südostlage ebenso möglich wie eine kalte Bisenlage. Auch ein erneuter Durchbruch von Westwind ist nicht völlig vom Tisch. Welches Schweinderl hätten’s denn gern? Die EZ-Ensembles für den Gitterpunkt bei Bern zeigt das Dilemma klassisch auf:

Bereits ab Samstag streuen die Member in 1400 m zwischen -3 und +10 Grad, und tauchen zu Wochenbeginn vereinzelt bis -10 Grad, während die GFS-Ensembles bis Dienstag kaum Member unter 0 Grad zeigen. Lassen wir uns also überraschen. Man kann es auch mit der Romantik-Brille sehen: Zum Glück lässt sich die Natur auch heute noch von der Technik nicht immer in die Karten schauen…