Gewittervorschau 24.-29.06.2017

Samstagabend wird man gespannt Ausschau nach Westen halten (Bild einer ähnlichen Lage am 07.07.2015)

Nach zwei Wochen im täglichen vielleicht-passiert-heute-etwas-aber-wahrscheinlich-nichts-dramatisches-Modus kommt grossräumig endlich etwas Schwung in die Wetterlage. Das Spekulieren über „Wo geht heute ein Pupfi hoch?“ hat somit ein Ende und wir können uns wieder einmal über etwas unterhalten, das Hände und Füsse hat: nämlich Tröge und Fronten. Diese hatten es in den letzten Tagen schwer: Ein subtropischer Hochdruckrücken über Mitteleuropa hat alles plattgewalzt, was auch nur in die Nähe der Alpen kam. Die Folgen dessen haben wir inzwischen zur Genüge kennengelernt: Hitze mit neuen saisonalen Rekorden, Trockenheit und zunehmende Waldbrandgefahr. Ob eine solch verfrühte Hochsommerphase nur das Amuse-Bouche für einen ganz grossen Sommer war oder ob dieser nun bereits sein Pulver verschossen hat, wird Gegenstand der Untersuchung im inzwischen traditionellen Siebenschläfer-Ausblick des fotometeo-Blogs sein, hier soll es nun erst mal um die spannende Entwicklung der nächsten Tage gehen.

Heute ziehen wir für den Überblick zur Grosswetterlage die Jetstream-Karte zu Rate:

Wir erkennen den Jetstream in bereits hochsommerlicher Position über Nordeuropa mit nur wenigen Mäandern, wobei der ausgeprägteste davon über dem zentralen Nordatlantik liegt. Dieser war für unser stabiles Wetter der letzten Wochen verantwortlich, doch nähert er sich in den kommenden Tagen allmählich Westeuropa und stellt somit die Wetterlage mittelfristig grundlegend um. Aus der aktuellen GWL West antizyklonal wird Trog Westeuropa und in der Folge – aber da scheiden sich noch die Geister bzw. die Modelle – Trog Mitteleuropa. In der Kurzfrist sollten wir aber das Augenmerk auf das kleine blau-türkisige Würmchen richten, das in der Nacht zum Sonntag von den Pyrenäen zu den Alpen kriecht. Es markiert das Starkwindfeld in der Höhe vor einem Randtrog, und das weisse Kreuz über der Schweiz steht ausnahmsweise nicht für unsere Landesflagge, sondern signalisiert uns, dass die Luft in  9-10 km Höhe stark auseinanderfliesst, was die Hebung der darunter liegenden Luftmassen bewirkt.

Und auf genau diese Hebung wird es ankommen, denn obwohl wir den ganzen Samstag direkt unter einer Kaltfront liegen…

… passiert erst mal gar nichts. Wie die Isobaren zeigen, herrscht am Boden westlich von uns bereits wieder Hochdruck, was eine typische Begleiterscheinung flach einfliessender kühler Luftmassen ist. Da wir tagsüber noch unter dem Höhenrücken liegen, ist die Schichtung auf der Alpennordseite mit -10 über +12 Grad in 500/850 hPa zu stabil für Gewitterbildung. Einzig in den Alpentälern und im Süden, wo die bodennah kühlere Luft noch nicht hingelangt, kann es zur Auslöse kommen. Erst am späten Abend nähert sich aus Westen Höhenkaltluft, womit die Differenz zwischen 500 und 850 hPa auf 26-27 Grad ansteigt:

Diese grenzwertige Labilität würde tagsüber gerade mal für kurzlebige Gewitter ausreichen, in der Nacht ohne Sonneneinstrahlung kommt es normalerweise unter solchen Bedingungen nur zu schauerartig verstärktem Regen. Doch die oben erwähnte Hebung, ausgelöst durch die Höhendivergenz, wird das bis dahin lauwarme Süppchen so richtig zum kochen bringen, sodass wir entgegen dem normalen Tagesgang wahrscheinlich die Geburt einer Gewitterlinie irgendwo in unserer Nähe mitten in der Nacht mitverfolgen können. Über die genaue Position der Entstehung sind sich die Modelle noch nicht ganz einig. Zwischen Ostfrankreich/Jura und Zentralalpen ist alles möglich, somit steht fest: Je weiter östlich, umso grösser ist die Gewitterwahrscheinlichkeit. Diese neu geborene Front wird am Sonntagmorgen rasch weiterziehen und unseren östlichen Nachbarn ordentlich den Sonntag verschiffen, wobei man auch dort vielorts auf das kostbare Nass wartet. Hierzulande hingegen wird es im Verlauf des Sonntags immer sonniger, und dies bei erst noch erträglichen Höchsttemperaturen um 25 Grad. Also ordentlich durchlüften denn…

… am Montag regeneriert sich unser Höhenrücken noch mal und der nächste Warmluftschub aus Südwesten zieht ins Land, will heissen: sonnig, heiss, lokale Hitzegewitter am Abend vor allem über den Bergen – wir kennen es ja bereits. Am Dienstag dasselbe nochmal in Rot, denn die Höhenströmung dreht auf Südwest bis Süd und es kommt wohl allmählich der Föhn ins Spiel – immerhin mal was Neues auf der Menükarte dieses Sommers. Wie stark die Gewitterneigung zunimmt, wird davon abhängen, wie rasch uns der Trog im Westen auf die Pelle rückt und wie stark die Luftmasse angefeuchtet wird. Hier gibt es also noch einige Unsicherheiten, die man aber mit Spannung in der Kurzfrist verfolgen sollte, denn solche Lagen bergen besonders in der westlichen Landeshälfte Unwetterpotenzial.

Damit ist auch bereits einleitend vorgewarnt, dass ab Mittwoch so ziemlich alles offen ist, denn über das Vorankommen des westeuropäischen Troges und somit kühlerer Luftmassen nach Osten sind naturgemäss noch viele Fragen offen. Bleibt der Trog im Westen hängen, könnten wir es mit einer markanten Luftmassengrenze irgendwo in unserer Nähe zu tun bekommen, wobei im Osten Österreichs neue Hitzerekorde im Bereich des Möglichen liegen, während man gleichzeitig in Genf bereits die Herbstsachen hervorkramt. Aber vielleicht entschliesst sich ja der Trog für einen raschen Durchmarsch, wir gelangen auf die kühle Rückseite und die Sache beruhigt sich schon bald. Dass es auch noch ein Mittelding gibt, nämlich dass wir tagelang in eine kalt-feuchte Nordströmung gelangen, blenden manche von uns – die Autorin eingeschlossen – vielleicht lieber noch aus…

Gewitter- (und Pfingstschütte-) Vorschau 02.-08.06.2017

Die Grosswetterlage am 02.06.2017 zeigt Mitteleuropa unter einem Höhenkeil, am Boden ist die Druckverteilung jedoch flach

Wer kennt nicht den Film: „Täglich grüsst das Murmeltier“. Ungefähr so kommt man sich als Meteorologe in dieser Woche vor. Der Blick auf die Karte im Titelbild (reinklicken für grössere Ansicht) macht sofort klar, woran es liegt: Weder in der Höhe noch am Boden sind über Mitteleuropa nennenswerte Luftströmungen zu erwarten. Barosumpf nennen wir das, die beste Voraussetzung dass jeden Tag um dieselbe Zeit ungefähr am selben Ort Gewitter entstehen. Besonders betroffen ist derzeit das Dreieck Thun-Emmental-Zentralschweiz. Da kein Wind die Energie in Form von Wärme und Feuchte abtransportieren kann, spielt die Sonne Jo-Jo damit: Was am Vortag zu Boden gefallen ist, steigt tags darauf um die Mittagszeit wieder in die Höhe, wird am Abend erneut ausgeschüttet und so weiter und so fort… Höchste Zeit, dass mal jemand aufräumt in der Wetterküche. Ausgerechnet über die Pfingstfeiertage (wann denn sonst…) übernimmt ein Tief über GB diese Aufgabe, indem es ein Junges gebärt, das die Alpennordseite mit Westwind ordentlich durchbläst. Doch man ahnt es: Im Juni sind solche Westlagen selten nachhaltig, und so kann in einer Woche das Spiel mit der Sonne und dem Jo-Jo wahrscheinlich von neuem beginnen…

Heute Freitag also noch mal „same procedure as every day“: Einzig angetrieben von lokale Talwinden, entstehen kleinräumige Konvergenzen zunächst über Bergkämmen (Jura, Voralpen) und es bilden sich erste lokale, kurzlebige Einzelzellen. Nach einer halben Stunde ist der Spuk in der Regel vorbei, doch der Outflow triggert in der unmittelbaren Nachbarschaft die nächste Zelle. Das Feuchteangebot für Multizellen ist dort ausreichend, wo schon in den letzten Tagen Gewitter niedergegangen sind. Diese können dann schon etwas mehr Wind produzieren und eine Eigendynamik entwickeln, die sich ins benachbarte Mittelland fortsetzt. In den Abendstunden also erneut (wo genau kann man nicht sagen) auch im Flachland hier und da eine ordentliche Dusche, auch kleinkörniger Hagel kann mit dabei sein. Da am Abend allmählich in der Höhe etwas Westwind aufkommt, muss man damit rechnen dass sich ein Cluster möglicherweise auch mal in die Ostschweiz verirrt oder durch Outflow-Konvergenzen aus Schwarzwald, Jura und Voralpen vor Ort bildet. Lasst euch überraschen!

Am Samstag zunächst nochmal dasselbe Szenario: Der Tag beginnt meist sonnig, wobei die zunehmende Dynamik in der Höhe, insbesondere ein starkes Divergenzfeld in rund 9000 m, durchaus für örtliche Morgenkonvektion gut sein kann. Und damit ist auch schon alles über die Prognosegüte in der Kurzfrist gesagt: mässig bis schitter. Denn zu allem Überfluss nähert sich aus Westen eine Kaltfront, die zu Verwellungen neigt, hier eingezeichnet durch die zusätzlichen (T):

Diese Verwellungen sind in der Bodenkarte nicht zu erkennen, einzig in den Karten der mittleren Luftschichten, insbesondere 850 hPa, treten sie deutlich hervor. Der für die Gewitterzugbahnen massgebliche Wind zieht ordentlich an und erreicht am Abend über der Westschweiz etwa 60 km/h aus Südwest, also Superzellenpotenzial über dem Jura. Wie rasch das Ganze nach Osten vorankommt, ist eben vom Verwellungsgrad der Front abhängig: Stärkere Verwellung bedeutet langsamere Ostverlagerung. Daraus ergibt sich der nächste entscheidende Faktor: Ziehen die Zellen auf der klassischen Juraschiene oder bleiben sie auf französischer Seite? Gibt es früh Joran (der die untere Luftschicht stabilisiert) oder eine Druckwelle durchs Mittelland, die an den Voralpen neue Gewitterlinien triggert? Je mehr Modelle man sich anschaut, umso reichhaltiger wird das Menü…

Klar ist: Unwetterpotenzial ist vorhanden. Man muss mit allem rechnen, auch mit einem Rohrkrepierer. In der Nacht zum Sonntag und am Sonntagmorgen zieht die Kaltfront dann durch die Schweiz und bringt ordentlich Regen. Auch hier ist vom Verwellungsgrad der Front abhängig, wie viel Niederschlag wo fällt und wie rasch am Nachmittag aus Westen eine Wetterbesserung eintritt.

Am Montag liegt die Kaltfront genau an den Alpen, gerät allerdings unter den Einfluss einer schwachen Hochdruckbrücke:

Dieses Szenario (sofern es denn auch eintrifft, siehe unsichere Vorgeschichte) spricht für einen eher ruhigen Tag im Mittelland und Jura, hier ist die Labilität höchstens für schwache Gewitter knapp ausreichend. Die Reste der schwülen Luft in den Alpen werden zusammen mit einer konvergenten Strömung hier eher für einen verregneten, mitunter gewittrig (vor allem im Süden und in Graubünden) durchsetzten Tag sorgen. Dabei kann es lokal durchaus zu kritischen Regenmengen kommen.

In der Nacht zum Dienstag erreicht uns die nächste Kaltfront, und erst diese sorgt für den eingangs erwähnten Luftmassenwechsel:

Diese Polarluft ist kalt genug, um am Dienstagmorgen die höchsten Juragipfel und die Voralpen anzuzuckern. Aus Westen setzt sich aber im Lauf des Tages allmählich das nächste Hoch durch, und der Westwind ist kräftig genug, um die Polarluft rasch weiter nach Osten abzuführen. In den 60 Stunden von Dienstagvormittag bis Donnerstagabend setzt in 1500 m Höhe eine Erwärmung von sagenhaften 15 Grad ein. Der Mittwoch also ein sonniger, trockener und angenehm temperierter Tag, am Donnerstag könnte es dem einen oder anderen bereits wieder etwas zu warm werden. Und die ersten Hitzegewitter über den Bergen sind möglich. Vorhang auf für Sonne, Jo-Jo und so…