Gewittervorschau 28.05.-02.06.2017

Der Klassiker bei frühsommerlichen Hochdrucklagen: Gewitterbildung im westlichen Berner Oberland (Lauenensee, 17.06.2013)

In der kalten Witterungsphase von Mitte April bis Mitte Mai musste man es ja fast erahnen: Wenn der Wechsel kommt, dann gleich richtig! Das grossräumig meridionale Strömungsmuster mit kalten Ausbrüchen weit nach Süden erfordert eine entsprechende Gegenbewegung heisser Luft nach Norden, so funktioniert der Ausgleich zwischen polaren und tropischen Gebieten im Frühling am effizientesten. Die spannende Frage dabei ist jeweils, wo genau die extremen Strömungen verlaufen und wie lange sie sich in ihrer Lage halten können. Nachdem wir bereits Ende März bis Mitte April unter der warmen Strömung lagen, hat sie sich jetzt erneut bei uns etabliert und die Kälte rauscht östlich runter: Nordwestrussland erlebt derzeit täglich Nachtfröste und selbst am Tag fällt der Niederschlag zeitweise in fester Form. Unsere verfrühte Hochsommerphase sollten wir mit Verstand geniessen, denn stellt sich das Strömungsmuster nicht grundlegend um (was es im Juni noch selten tut), ist es nur eine Frage der Zeit, bis wir wieder auf die kühle Seite geraten.

Die aktuelle Grosswetterlage ist eine nahezu astreine Hoch Mitteleuropa, ein so genanntes Omegahoch, flankiert von Tiefs westlich und östlich davon:

Wir erkennen ein kleines Höhentief über Grossbritannien, welches die Luft über der Westschweiz heute Samstag ein wenig labilisiert hat, was prompt über dem Hochjura erste ordentliche Gewitter ausgelöst hat. Am Sonntag zieht dieses Tief an der Westflanke des Omegahochs nach Nordosten und somit lässt sein Einfluss auf die Schweiz nach. Die Luftmasse bleibt dieselbe, sowohl in 500 hPa wie in 850 hPa steigt die Temperatur noch um ein Grad, die Differenz von 29 K bleibt für Gewitterbildung günstig, wenn auch nicht optimal unter dem Deckel der Hochkeilachse genau über uns:

Zur Auslöse wird somit durch Konvergenzen geförderte Hebung benötigt. Da sowohl der Höhenwind wie auch der Bodenwind unter dem Hoch schwach bleiben, kommen dafür nur tagesgangbedingte Talwindsysteme in Frage, welche an den klassischen Stellen über Bergkämmen zusammenströmen. Wie auch heute sind somit der Hochjura, die westlichen Voralpen und eventuell das Wallis für die Bildung von nahezu stationären Einzelzellen prädestiniert. Diese verschütten ihren Aufwind und schneiden sich damit selbst den Nachschub neuer Warmluft ab, sodass die Lebensdauer nur selten mehr als eine Stunde beträgt. Die Outflows können in der Nachbarschaft die nächsten Zellen triggern, für Clusterbildungen dürfte das Feuchtangebot allerdings noch zu gering sein.

Da sich die Hochkeilachse nur sehr langsam nach Osten verlagert, haben wir am Montag grundsätzlich immer noch dieselbe Konstellation. Statt über der Westschweiz, liegt die Achse nun über der Ostschweiz. Dies hat zur Folge, dass (vorerst nur schwach) der Wind von nordwestlicher auf südwestliche Richtung dreht und etwas mehr Feuchtigkeit zugeführt wird. Somit steigt das Gewitterpotenzial in der Westhälfte des Landes gegenüber dem Sonntag grundsätzlich etwas an. Was möglicherweise hinzukommt (zumindest rechnet dies GFS so), ist eine Konvergenz in den unteren Luftschichten, hier dargestellt auf etwa 800 m Höhe:

Wir sehen sehr schwachen Wind im Bereich der Konvergenz über der Schweiz, daher ist fraglich, ob das für eine grossräumigere Auslöse auch abseits der Berge ausreichen wird. Man sollte sich in dieser Angelegenheit allerdings nicht auf ein Globalmodell stützen. Die hochaufgelösten Rechnungen vom Sonntag sollten da schon mehr Aufschluss geben. Jedenfalls gilt es dem Montag im Nowcast die nötige Aufmerksamkeit zu schenken, wenn ein Tag des heutigen Vorhersagezeitraums Unwetterpotenzial aufweist, ist es dieser.

Denn am Dienstag fliesst aus Westen bereits deutlich energieärmere Luft ein:

Die Temperatur in 500 hPa sinkt nur um ein Grad, jene in 850 hPa zum Vortag jedoch um drei Grad, das reicht gerade noch knapp für (eher schwache) Gewitter auf der Alpennordseite. Im Südosten dürfte sich die schwüle Luftmasse des Montags noch halten, kräftigere Entwicklungen sind also vor allem in Graubünden und im Tessin zu erwarten.

Am Mittwoch und Donnerstag hätten wir theoretisch immer noch dieselben Voraussetzungen wie am Dienstag, allerdings dreht auf der Vorderseite eines neuen aus Westen heranrückenden Hochs der Wind in den tiefen Luftschichten auf nördliche Richtungen. Nach den heutigen Unterlagen kommt eine Kaltfront knapp nördlich der Schweiz zu stehen, die Alpen würden somit in der warm-feuchten Luftmasse verbleiben:

Eine klassische Sandwichlage, wo die Feuchtigkeit am Alpennordhang regelrecht ausgequetscht wird also. Ob sich die Kaltfront allerdings an die Vorgaben der heutigen Modellrechnungen hält, ist fraglich. Ein bisschen mehr Schwung, und es findet ein Luftmassenaustausch mit rascher Stabilisierung statt. Dann wäre der Mittwoch verregnet und der Donnerstag mit Bise bereits wieder sonnig, aber etwas kühler.

Egal wie es davor abläuft: Für den Freitag zeichnet sich ein neuer Hochdruckkeil ab, der allerdings weniger aufsteilt als der aktuelle und daher auch weniger nachhaltig wirken wird. Auf ein sonniges und warmes Pfingstwochenende sollte man daher noch nicht allzu viel verwetten.

Die vierte Dimension des 3D-Radars: die Tagesloops

Der Schiebebalken ist – wie bei Videos – das zentrale Bedienelement der Tagesloops des 3D-Radars.
Quellen: meteoradar, meteoschweiz, nowcast.de

Der 3D-Radar – ein Donnerradar-Produkt in drei Dimensionen – zeigt nicht nur den Grundriss, sondern in zwei Seitenrissen auch die Höhenerstreckung von Niederschlagswolken und Blitzentladungen. Die vierte Dimension ist die zeitliche Evolution der Niederschlagsgebiete und Gewitter. Diese kann mit den neuen Tagesloops viel besser betrachtet werden, als das bis anhin möglich war. Die Radarbilder des aktuellen Tages und des Vortages können auf einfachste Art und Weise wahlweise als steuerbare Animationen oder als Einzelbilder angezeigt werden.

Die beiden Produkte des Donnerradars (Zoomradar Pro 2015 und 3D-Radar) behandelten die Zeitachse bislang eher stiefmütterlich. Nur das aktuellste Bild, der Loop der letzten halben Stunde und der Loop der letzten vier Stunden ohne Bedienmöglichkeit werden angezeigt. Ältere Einzelbilder müssen umständlich in den Archiven gesucht werden. Die Tagesloops geben jetzt den Usern ein neues Instrument in die Hand, um schnell und unkompliziert durch alle Radarbilder des Vortages und des aktuellen Tages zu navigieren.

Oberhalb des Radarbildes sind Steuerelemente platziert, welche auch für die Steuerung von zahllosen Videos im Internet Verwendung finden. Der Radarloop lässt sich damit starten, stoppen, vor- und retourschieben. Zusätzlich kann man mit den Buchstaben „n“ und „b“ beliebig langsam oder, bei gedrückter Taste, auch schnell durch die Bildserie navigieren. Bewegungen des Cursors über dem Radarbild werden am oberen Bildrand unmittelbar in die aktuelle CH-Koordinate der Cursorposition übertragen. Diese kann, per Mausklick, mit einem Kreis markiert und, per Klick auf den Button „markieren“ (unterhalb des Bildes), für spätere Webseitenbesuche gesichert werden (Zulassen von Cookies vorausgesetzt). Die zu markierende Koordinate kann unterhalb des Bildes auch über die Tastatur eingegeben und gesichert werden. So kann sehr schnell geprüft werden, ob und wann es am markierten Standort geregnet, gehagelt oder geblitzt hat.

Demo: https://www.metradar.ch/2009/tgn/demo_tagesfilm_radarblitze.php
Zugang für Kunden: https://www.metradar.ch/2009/tgn/aktuell_tagesfilm_radarblitze.php
Upgrade für Kunden des Zoomradars Pro: https://ssl.hostpark.net/meteoradar.ch/metr/admin/abo_upgrade.php

Video-Anleitung zur Bedienung der Tagesloops. Wir empfehlen die Wiedergabe des Videos im Full-Screen Modus. Nach dem Start des Videos unten rechts auf das Quadrätchen klicken.

Gewittervorschau 12.-18.05.2017

„Im Mai, im Mai… ischt der April noch nicht vorbei!“ Dieser von Emil Steinbergers Bauernregeln abgewandelter Spruch zeigt dieses Jahr wieder mal seinen Wahrheitsgehalt. Am Mittwochmorgen noch vebreitet Boden- und lokal sogar Hüttenfrost, am Nachmittag mit viel Sonnenschein und einsetzendem Föhn über 20 Grad. Danach ein paar Tage Waschküchenwetter, bevor uns ein Hoch mit einer ersten stabilen frühsommerlichen Phase beschenkt, die – Vorsicht, Spekulation! – mit dem nächsten kalten Gruss aus dem Hohen Norden endet. Unser Hauptaugenmerk richtet sich auf das Gewitterpotenzial von Freitag bis Sonntag, das hoffentlich ausgeschöpft wird, nicht dass der diesjährige April dem Mai in Sachen Gewitterhäufigkeit noch den Rang abläuft. Immerhin war das erste Maidrittel 2017 in Bern im Schnitt knapp zwei Grad kälter als das erste Aprildrittel, was für weite Teile der Alpennordseite repräsentativ sein dürfte. Ist also zu hoffen, dass der diesjährige Trötzeli-Frühling zum Ende hin noch Vernunft annimmt, allzu viel Zeit bleibt ihm dazu nicht mehr…

Zum Verständnis der nachfolgenden Prognoseversuche ist ein einführender Blick auf die Grosswetterlage von Nutzen, hier anhand der Strömung in etwa 5500 m Höhe dargestellt:

Für Mitteleuropa in den nächsten Tagen wetterbestimmend ist ein über dem zentralen Nordatlantik liegender Tiefdruckkomplex, an dessen Südflanke eine auf die Alpen gerichtete südwestliche Höhenströmung zu erkennen ist. In dieser Strömung bilden sich kleine Verwellungen, auch Kurzwellentröge genannt, deren genaue Positionen und Ausprägungen wie immer schwierig vorherzusagen sind. Daher sollten wir uns besser nicht allzu sehr in die detaillierten lokalen Abläufe verbeissen wollen, ein derartiges Unterfangen ist bei solchen Lagen in der Regel zum Scheitern verurteilt. Interessant sind vielmehr die täglich in kleinen Details ändernden Voraussetzungen, welche das Gewitterpotenzial positiv oder negativ beeinflussen.

Am Freitag dreht die bodennahe Strömung von Süd-Südost auf Südwest, sodass sich der Föhn deutlich abschwächt und sich in die obersten Täler zurückzieht. Der abtrocknende Effekt, der heute Donnerstag noch gut gewirkt hat, entfällt somit. Die aus Südwesten herangeführte Luftmasse ist vom Energiegehalt nur als mässig einzustufen, wobei die Energie mehr auf die Feuchte als auf die Wärme zurückzuführen ist. Denn es handelt sich nicht etwa um subtropische Luft, was die Windrichtung vermuten lassen würde, sondern um gealterte, über dem Atlantik und der Iberischen Halbinsel erwärmte Polarluft, die von Norden her westlich des Tiefkomplexes nach Süden geführt wurde. Um das Gewitterpotenzial auszuschöpfen, ist die Luftmasse also auf die tägliche Erwärmung durch die Sonne angewiesen. Und da darf am Freitag aufgrund der recht dichten hohen und mittelhohen Bewölkung zumindest mal ein Fragezeichen in den Raum gestellt werden. Kommt hinzu, dass aufgrund der wiederholten Kaltlufteinbrüche der vergangenen drei Wochen in den Voralpen bis auf etwa 1500 Meter herab noch flächig eine Schneedecke vorhanden ist, welche hier die Erwärmung des Bodens und somit die Thermik hemmt. Die Hebung wird somit nicht in erster Linie orographisch unterstützt sein, sondern aus den schwer zu prognostizierenden synoptischen Hebungsfeldern angetrieben werden. Die diesbezüglichen Divergenzen in der Höhe sind vorhanden, nur wann und wo sie für die Gewitterauslöse ausreichend sein werden, ist kaum vorhersehbar. Jedenfalls ist in der zweiten Tageshälfte mit Schauern und Gewittern zu rechnen, die nicht in erster Linie über dem Relief entstehen, sondern spontan ohne ersichtlichen Grund auch über dem Mittelland. Aufgrund des Windprofils und der mässigen Labilität ist kaum mit organisierten Strukturen und heftigen Entwicklungen zu rechnen. Am ehesten sind lokale Überflutungen zu erwarten.

Am Samstag erreicht der Energiegehalt den höchsten Wert der bevorstehenden Witterungsphase, was vor allem auf die Erwärmung der unteren Luftschichten zurückzuführen ist. Gleichzeitig zieht sich aber die Höhenkaltluft auch ein wenig nach Westen zurück, sodass sich in der Bilanz bei der Labilität gegenüber dem Vortag nicht allzu viel ändert. Mit etwas mehr Sonnenschein dürften mehr Zellen entstehen, auch etwas mehr orographisch unterstützt vor allem am Jura und entlang der höheren Mittelland-Hügelzone. Die Höhenströmung bleibt auf Südwest, büsst aber etwas an Geschwindigkeit ein, was eine langsamere Verlagerung der Gewitter und somit ein höheres Überflutungspotenzial zur Folge hat.

Am Sonntag nähert sich aus Westen kühlere Luft, auf der nachfolgenden Karte grün, während die energiereichere Luft (gelb) durch Winddrehung auf West bis Nordwest an die Alpen gedrückt wird:

Damit verlagert sich die Schauer- und Gewitteraktivität an den Alpennordhang, während das Mittelland und der Jura wahrscheinlich bereits etwas entlastet werden. Am Abend bzw. in der Nacht auf Montag erreicht uns eine Kaltfront (in obiger Karte über Frankreich als Übergang zu den Blautönen zu erkennen). Hier ist noch fraglich, wie aktiv diese Front sein wird, gerät sie doch bereits unter bodennahen Hochdruckeinfluss. Etwas mehr Zunder dürfte von ihr zu erwarten sein, wenn sie dem Trend der Modellläufe folgt und noch etwas früher, also im tageszeitlich günstigeren Fenster bei uns eintrifft.

Der Montag stellt den Übergangstag zur erwähnten Hochdruckphase dar. Die Restfeuchte der Kaltfront wird durch nordwestliche Winde an die Alpen gedrückt, was am östlichen Alpennordhang noch mal ein paar Schauer auslösen kann. Weiter westlich verläuft der Tag mit einsetzender Bise bereits recht sonnig und trocken.

Am Dienstag und Mittwoch erwartet uns stabiles, sonniges und windschwaches Hochdruckwetter, wobei am Mittwoch erstmals verbreitet die Voraussetzungen für einen Sommertag mit Höchstwerten von 25 Grad und mehr geschaffen sind.

Am Donnerstag zieht das Hoch nach Osten und die Luft wird wieder etwas angefeuchtet, insbesondere wird sie durch kräftige Erwärmung auf 26 bis 28 Grad labil genug für lokale Wärmegewitter – die ersten frühsommerlichen Einzelzellen, diesmal aufgrund der kräftigen Schneeschmelze stärker ans Relief gebunden, dürften entstehen.