Gewittervorschau 30.07.-04.08.2016

So nicht in den Modellen vorgesehen: Aktive Konvektionszone über Zentralfrankreich am Samstagmorgen

So nicht in den Modellen vorgesehen: Aktive Konvektionszone über Zentralfrankreich am Samstagmorgen

Manchmal kann man Sprüche auch umdrehen. Diesmal heisst es: Die Suppe wird nicht so kalt gegessen, wie sie gelagert wurde. Was vor wenigen Tagen noch nach einem markanten Kaltlufteinbruch für Anfang August aussah, entuppt sich im Verlauf der Modellentwicklungen zunehmend als Eintagsfliege. Zu verdanken haben wir die unsicheren Mittelfristaussichten mal wieder dem Jetstream, der eine Stippvisite nach Süden versucht. Im Groben entspricht die Grosswetterlage dem Typ West zyklonal, was aufgrund der starken Westwindströmung über Mitteleuropa sehr lebhaftes und wechselhaftes Wetter verspricht. Mit der manchmal überraschenden Entwicklung in den eingelagerten Trögen können die Modelle gelegentlich arge Nöte bekunden. Daher sei vorausgeschickt, dass alles was in den nächsten Zeilen geschrieben wird, bereits einen Tag später wieder Makulatur sein kann. Auf Details wird daher nach Montag sinnvollerweise gleich verzichtet – es soll beim Versuch bleiben, einen groben Ablauf zu skizzieren.

Die erste Überraschung steht bereits vor den Toren Genfs und zieht am frühen Nachmittag mit einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von etwa 60 km/h über die Schweiz hinweg. Das Gewittersystem kann sich auf dem Weg über die Alpen durchaus abschwächen, doch darauf verlassen sollte man sich nicht. Viele Berggänger dürften daher heute Nachmittag überrascht werden, heisst es doch den ganzen Vormittag noch in den einschlägigen Wetterberichten, dass erst „gegen Abend“ mit ersten vereinzelten Regengüssen gerechnet werden muss. Ich habe da meine Zweifel…

20160730-blog2In den Modellen sucht man meist vergeblich nach den Anzeichen für diese Störung. Fündig wird man in über 9000 m Höhe, wo in obiger Karte über Zentralfrankreich ein kleines unscheinbares Pluszeichen darauf hindeutet, dass in der Höhe die Winde auseinanderdriften. Das erzeugt in den unteren Luftschichten Hebung, und schon ist der Prozess der Clusterbildung in Gange. Dieses kleine Plus verstärkt sich übrigens in den nächsten Stunden markant und kommt von Mitternacht bis weit in den Sonntag hinein direkt über der Schweiz zu liegen.

Besonders tückisch am heutigen Fall ist die scheinbare Trockenheit in den unteren Luftschichten, was eine gute Fernsicht ermöglicht. Begünstigt wird dies durch zügigen Westwind, der am Vormittag jegliche Feuchtenester ausgeräumt hat. Der erfahrene Berggänger wird damit gehörig hinters Licht geführt. Dass in höheren Schichten bereits etwas im Gange ist, haben die mittelhohen Wolkenfelder heute Morgen verraten. Altocumulusfelder, zumal wenn sie Türmchen aufweisen, sind zuverlässige Gewittervorboten. Allerdings waren diese nur über dem Mittelland, im Wallis und im Tessin zu sehen, nicht aber über den Nordalpen und in Graubünden. Die für die Gewitterbildung notwendige Feuchte wird mit dem System von Frankreich her zugeführt, und das aussergewöhnlich rasch. Wie schon in der Einleitung erwähnt, weist der Wind in 3000 bis 5000 m Höhe rund 60 km/h auf. Nur wer freie Sicht nach Westen hat, wird die Wolken früh genug aufziehen sehen.

Da die Modelle diese Störung gar nicht oder weiter südlich in ihren Rechnungen drin haben, bewegen sich heute alle Meteorologen quasi im Blindflug. Wer auf die Modelle vertraut, wird genau so überrascht wie der ahnungslose Berggänger, wenn er nicht nach Westen schaut. Über die weitere Entwicklung kann daher einzig gemutmasst werden. Alternativ sind die 6z-Läufe abzuwarten in der Hoffnung, dass die Modelle zu diesem Zeitpunkt das System endlich richtig erfasst haben.

Bereits kurz nach Mittag erfassen die Gewitter aus Westen die westlichen Alpen und das Wallis. Wie weit Entwicklungen nach Norden hin aktiviert werden, ist fraglich. Ebenso, wie aktiv das System auf dem Weg nach Osten bleiben wird. Noch spannender wird die Frage, was dahinter passiert. Die Luft hinter der Störung sieht im aktuellen Satellitenbild relativ trocken aus, es hat jedoch erste Ansätze neuer konvektiver Entwicklungen drin. Was also am Samstagabend in der Schweiz passieren wird, ist nach derzeitigem Stand völlig offen. Stimmen die Karten für die höheren Schichten, muss mit einem heftigen, sehr kurzfristig verlaufenden Antrieb gerechnet werden. Unwetterartige Gewitter können sich extrem rasch bilden, die Vorwarnzeit ist nicht nur deshalb, sondern auch wegen der sehr hohen Zuggeschwindigkeit extrem kurz. Mit Hagel, schweren Sturmböen und möglicherweise sogar Tornados muss bei diesem Setting gerechnet werden. Die Feuchtigkeit nimmt am Abend ebenfalls rasch zu (auf dem Satellitenbild als Schichtbewölkung über Frankreich zu erkennen, die sich im Tagesverlauf in mittlere Luftschichten umlagern wird), sodass das niederschlagbare Wasser ebenfalls hohe Werte erreicht. Dank der hohen Zuggeschwindigkeit verbleiben extreme Wolkenbrüche aber nie lange über demselben Gebiet.

Am Sonntag erreicht die Kaltfront von Westen her die Schweiz und schiebt an seiner Stirn die im Mittelland lagernde Luftmasse gegen den Alpennordhang. Der Querschnitt von Nordwest nach Südost soll das verdeutlichen:

Energiegehalt der Luftmasse Sonntagmittag, Querschnitt von NW nach SE. Legende v.l.n.r.: A = Ardennen, V = Vogesen, J = Jura, A = Alpen, T = Tessin

Energiegehalt der Luftmasse Sonntagmittag, Querschnitt von NW nach SE. Legende v.l.n.r.: A = Ardennen, V = Vogesen, J = Jura, A = Alpen, T = Tessin

Zu sehen ist hier, dass die Luftmasse in zwei Schritten kühler wird. Die zweite Kaltfront über den Ardennen wird die Schweiz allerdings nicht erreichen, bzw. wird durch Zwischenhocheinfluss weitgehend aufgelöst. Für uns bedeutet dies, dass die Gewitteraktivität im Lauf des Sonntags zu den Alpen verlagert wird. Rückseitig kann sich gegen Abend in der Nordwestschweiz und am Jurasüdfuss sogar wieder die Sonne zeigen. Der Luftdruck ist der Schweiz gut gesinnt und steigt rasch, sodass der 1. August mittlerweile viel besser aussieht als ursprünglich befürchtet. Unter Zwischenhocheinfluss dürfte es weitgehend trocken bleiben.

20160730-blog4 Eventuell halten sich inneralpin und im Süden noch ein paar schwül-warme Feuchtenester, die mal ein lokales Gewitter auslösen können. Viele Indizien sprechen allerdings eher dagegen.

Am Dienstag lässt der Zwischenhocheinfluss nach und die noch weiter nördlich lagernde kühle Luft kann mit einer Trogverschärfung bis zu den Alpen ausbrechen:

20160730-blog5Am Dienstag ist also noch mal mit konvektiven Umlagerungen zu rechnen. Je nach tagszeitlichem Timing kann es dabei durchaus noch mal zu kräftigen Entwicklungen kommen, nach Osten hin eher als im Westen, wo der Hochdruckkeil besser wirkt. Zu sehen ist auch der breite Warmsektor des nächsten Tiefs, der am Mittwoch und Donnerstag über uns zu liegen kommt. Hier wird es ganz fest vom Verhalten des Hochdruckkeils abhängen, wie stabil diese beiden Tage bei uns verlaufen. Nach derzeitigem Stand ist mit neuen Gewittern ab Donnerstagnachmittag zu rechnen.

Gewittervorschau 21.-28.07.2016

Altocumulus-Felder sind im Hochsommer meist verlässliche Zeichen, dass das nächste Gewitter oft nur wenige Stunden entfernt liegt

Altocumulus-Felder sind im Hochsommer meist verlässliche Zeichen, dass das nächste Gewitter oft nur wenige Stunden entfernt liegt

Eines fällt in diesem Sommer auf: Immer, wenn wir von potenziell gefährlichen Gewitterlagen schreiben, dann hat der Jetstream seine Finger im Spiel. In diesem Jahr ist er ein besonders launischer Geselle: Er kann sich nicht entscheiden, ob er schwach oder stark sein und ob er sich in nördlicheren oder südlicheren Gefilden wohl fühlen möchte. Was zur Folge hat, dass sämtliche Versuche, den Trend über mehr als eine Woche vorhersagen zu wollen, kläglich scheitern lässt. Also lassen wir diesmal das Spekulieren über die Mittelfrist und konzentrieren uns auf die nächsten Tage, die bringen nämlich durchaus genug Spannung in die Wetterküche. Oder sollten wir besser Waschküche sagen? Sauna wäre auch kein unpassender Begriff für das, was uns erwartet. Einzig ob und wann der Sprung ins kalte Wasser folgt, ist diesmal noch völlig offen. Jedenfalls sollte man jene Prognosen, die eine stabile Hochsommerphase für die nächsten Wochen herbeireden, mit einer gesunden Portion Skepsis betrachten.

Schauen wir auf die grossräumigen Strömungen in den höheren Luftschichten, so fällt uns einmal mehr ein scharfer Trog auf. Diesmal bildet er sich über Westeuropa aus, sodass wir am Freitag auf seiner Vorderseite in eine sehr warme und zunehmend feuchte Süd- bis Südwestströmung geraten:

20160721-blog2Zuvor erholt sich jedoch am Donnerstagabend hinter der Okklusion vom Morgen noch mal der Hochdruckrücken. Auf der folgenden Karte ist die Trog-Keil-Trog-Abfolge gut zu erkennen (schwarze Linien):

20160721-blog3Über dem Dreiländereck DE/AT/CZ ist der Knick im Hochdruckrücken zu sehen, der in der Nacht auf Donnerstag über uns hinweg gezogen ist, begleitet von einer Okklusion, die einen Luftmassenwechsel brachte. Zwar haben sich die bodennahen Luftschichten etwas abgekühlt, ausgeglichen wird der Energiegehalt aber durch die höhere Feuchtigkeit gegenüber Mittwoch. Warm-feucht statt trocken-heiss sieht auf den Theta-e-Karten nahezu gleich aus, das Verhalten dieser unterschiedlichen Charaktere ist aber derart verschieden, dass sie bei der Prognose der zu erwartenden Gewittertypen eine Rolle spielen. Waren am Mittwochabend vereinzelt sehr explosive, überraschend auftretende, aber kurzlebige Hitzegewitter ein Thema, rücken nun mesoskalige Systeme mit gemächlicherem Aufbau und höherem Potenzial für Überflutungen in den Vordergrund.

Die Erholung des Hochdruckrückens sorgt nun aber im Lauf des Donnerstags dazu, dass die Gewitterneigung gegen Abend allmählich abnimmt. Dazu trägt auch die von -12 auf -10 Grad steigende Temperatur im 500 hPa-Niveau bei. Die etwas stabilere Schichtung bewirkt, dass sich Gewitter am Abend nur noch mit orographischer Unterstützung über den Bergen bilden. Die WSW-Strömung sorgt zudem dafür, dass über den Voralpen entstehende Zellen nicht ins Mittelland hinaus laufen können.

Wie schon eingangs erwähnt, dreht die Höhenströmung im Lauf des Freitags auf Südwest bis Süd, ist aber eher schwach ausgeprägt, da der Trog im Westen sich bereits anschickt, abzutropfen. Damit kommt er auch nicht richtig nach Osten voran, sondern zieht sich zunehmend in südlicher Richtung in die Länge. Eine aus Westen aufziehende Kaltfront verliert somit an Schwung und kommt am Abend direkt über der Schweiz zum Stillstand:

20160721-blog4Rückseitig kann bodennah etwas kühlere Luft über den Jura ins Mittelland einfliessen, doch in der Höhe bleibt uns die sehr warme und feuchte Südwestströmung erhalten. Darin eingebettet ziehen immer wieder Gewittercluster aus den Alpen und aus Südfrankreich nach Nordosten. Zeitliche Abfolge und genaue Zugbahnen sind mehr als sechs Stunden im Voraus so gut wie unprognostizierbar. Die Hauptgefahr liegt in relativ grossen und intensiven Niederschlagsgebieten, die sich über ein paar Stunden hinweg über derselben Region austoben können, da die Höhenströmung als folge des sich abzeichnenden CutOff-Prozesses relativ schwach ist und die Systeme nur langsam ziehen.

Auf den Samstag ändert sich die Situation kaum:

20160721-blog5Die schwach ausgeprägten Bodendruckfelder mit einem schwachen Tief über Deutschland bringen kaum Bewegung in den Sumpf. Inneralpin halten sich die energiereichen Luftmassen besonders hartnäckig, sodass sich hier nach wie vor kräftige Gewitter bilden können. Die Trogachse kommt in der zweiten Tageshälfte genau über der Schweiz zu liegen, sodass Gewitter in der Ostschweiz nach Norden, in der Westschweiz hingegen nach Süden ziehen können. Dazwischen herrscht so gut wie Stillstand, was stationäre Zellen mit ortsfestem Starkregen hervorbringen kann. Kaum nötig zu erwähnen, dass eine nur geringfügige Verschiebung der Trogachse die lokalen Strömungsverhältnisse völlig auf den Kopf stellen kann. Die perfekte Fettnäpfchen-Wetterlage für Meteorologen, und das ausgerechnet am Wochenende in der Ferienzeit mit zahlreichen Freilichtanlässen!

Die in den letzten Tagen versprochene Wetterberuhigung ab Sonntag steht auf wackligen Füssen, da der Trog über der Schweiz liegenbleibt und sich das Abtropftief nur langsam nach Süden verlagert:

20160721-blog6Man sieht zwar von Westen ein sich zögerlich nähernder Hochdruckkeil und wieder eine langsame Stabilisierung der Atmosphäre, doch die feucht-warme Luftmasse im Alpenraum bleibt liegen und erwärmt sich bei zunehmendem Sonnenschein. Sollte sich also nicht noch etwas Unvorhergesehenes entwickeln, so bleibt es in der ersten Wochenhälfte gewitteranfällig. Wobei das Mittelland wohl unter etwas Hochdruckeinfluss eher verschont bliebe, doch in den Bergen ist der tägliche Regenguss mit „Musik“ wohl ein Muss. Extreme Hitze entwickelt sich daraus zwar nicht, doch aufgrund der hohen Luftfeuchtigkeit ist das Schwüle-Empfinden trotzdem eher unangenehm.

Ein Ende könnte diesem Zustand ein Luftmassenwechsel zum Donnerstag mit kühlerer Atlantikluft aus Nordwesten bereiten. Doch eingangs wurde dargelegt, weshalb Spekulationen über eine Woche hinweg derzeit wenig sinnvoll sind.

Gewittervorschau 10.-15.07.2016

Auf die Drohkulisse in den Wetterkarten folgt jene am Himmel

Auf die Drohkulisse in den Wetterkarten folgt jene am Himmel

Eigentlich könnte der Sommer so schön sein. Eine antizyklonale Westlage, in der Nordhälfte Deutschlands verschmäht, aber im Alpenraum Garant für angenehm temperiertes Sommerwetter mit nur kurzen Störungseinflüssen, sodass auch ganz bestimmt keine Dürre aufkommen kann… Eine Woche lang durften wir dies nach dem verregneten Frühsommer nun geniessen und nach der Siebenschläfer-Regel wäre das ja auch der geeignete Zeitpunkt, um diese Konstellation noch ein paar Wochen zu behalten. Wäre in diesem Jahr nicht alles etwas speziell: Das Azorenhoch schwächelt und der Jetstream beginnt bereits wieder zu zappeln. Der Startschuss für die Achterbahnfahrt ist gefallen und wir tun uns gut daran, den Kreislauf schon mal vorsorglich zu stärken. Interessant ist allemal, dass die Mittel- und Langfristkarten bereits Ende Juni das vorhergesehen haben, was in der kommenden Woche auf uns zukommt. So richtig glauben wollte es niemand – tja, der Siebenschläfer kann eben nicht in jedem Jahr richtig liegen…

Betrachten wir die aktuelle Grosswetterlage, so fällt uns die Verabschiedung des vor wenigen Tagen noch hochgelobten Azorenhochs auf. Stattdessen können wir die beginnende Austrogung vor den Küsten Westeuropas beobachten. Sie geht langsam vonstatten, sodass wir auf der Vorderseite in eine zwar nicht klassische (da zu kurze) Südwestlage geraten. Das ganze System bewegt sich derart langsam ostwärts, dass wir zur Wochenmitte in den „Genuss“ des Höhepunktes der Trogbildung genau über unseren Köpfen kommen.

20160710-blog2Zunächst dürfen wir uns jedoch der Zufuhr sehr warmer und zunehmend feuchter Luftmassen aus Südwest erfreuen. Der Hochdruckrücken ist am Sonntag noch zu stark, sodass Gewitter noch weitgehend unterdrückt werden. Einzig in den Alpen kann der Deckel durch lokale konvergente Windsysteme durchbrochen werden. Auf der Alpensüdseite und in Graubünden ist die Luft durch die Reste des Kaltfront-Streifschusses in der Nacht auf Samstag noch am feuchtesten, entsprechend liegt dort auch der Schwerpunkt der Gewitteraktivität am Sonntagabend.

Mit der Annäherung des Troges und des zunehmenden Höhenwinds im Lauf des Montags verstärkt sich die Südwestströmung und die Taupunkte steigen auf unangenehm schwüle 20 Grad oder lokal sogar leicht darüber. Da auch die mittleren Luftschichten zunehmend angefeuchtet werden, sind bereits in den Morgenstunden die typischen Anzeichen eines bevorstehenden Gewittertags auszumachen: Mittelhohe Wolkenfelder mit Türmchen, und es sollte nicht überraschen wenn hier und da eine nicht in den Karten vorhandene Morgenkonvektion in Gang käme. Das verspricht einmal mehr Spannung in der Frage, wann der Hauptakt am Nachmittag/Abend aufziehen wird. Am Feuchteangebot soll es schon mal nicht liegen, denn das ist enorm:

20160710-blog3Teilweise über 40 kg/m² niederschlagbares Wasser entlang der Juraschiene ist ein ungemütlicher Wert. Die Gefahr von Sturzfluten wird durch den Umstand gemindert, dass die Zuggeschwindigkeit der Zellen mit etwa 50-60 km/h derart hoch ist, dass so ein gewaltiger Wokenbruch nicht lange über einem Gebiet verharrt. Die starke Geschwindigkeitsscherung mit zunehmender Höhe birgt dafür anderes Potenzial: nämlich jenes für Hagel und Tornados. Vermutlich haben wir es diesbezüglich mit der gefährlichsten Lage der bisherigen Saison zu tun. Etwas langsamer ziehen die Zellen entlang der Voralpenschiene, doch auch hier ist mit heftigen Entwicklungen zu rechnen. Nach den aktuellen Unterlagen dürfte im Lauf des Abends aus Nordwesten bodennah etwas kühlere Luft einfliessen, sodass die Atmosphäre im Jura und im Mittelland auf die Nacht bereits stabilisiert wird. Dieser Nordwestwind ist aber in der Regel ein verstärkendes Element für die Gewitter an den Voralpen. Hier und in den Alpen ist somit noch während der Nacht auf Dienstag mit länger anhaltender Gewitteraktivität zu rechnen.

Am Dienstag hängt die Kaltfront an den Alpen fest:

20160710-blog4Die energiereichen Luftmassen südlich und östlich der Schweiz sorgen weiterhin für hohe Unwettergefahr, zumal auch der Jetstream wieder mal kräftig mitmischt:

20160710-blog5Diese Schlange direkt über unseren Köpfen möchten wir im Hochsommer eigentlich nicht sehen, das ist kein gutes Zeichen für den weiteren Verlauf. Aber bleiben wir doch bei der Aktualität: Man erkennt sehr gut die starke Divergenz (weisse Linien mit Pluszeichen im Zentrum) über Österreich und Tschechien, und gleich darunter liegen die energiereichsten Luftmassen, die durch das Auseinanderströmen des Höhenwinds regelrecht hochgesogen werden. Aus dieser Region werden Nachrichten über heftige Unwetter nicht ausbleiben. Am Alpennordhang der Schweiz hingegen stellt sich Dauerregen ein, der bis Mittwochmorgen anhält. Dabei sinken die Temperaturen markant. Ob man dies nach der schwülen Hitze als Erleichterung empfindet oder doch schon wieder einen Schock auslöst, ist stark vom persönlichen Empfinden abhängig.

Die Trogachse nähert sich nun allmählich von Westen an und erreicht uns wahrscheinlich im Lauf des Donnerstags:

20160710-blog6Minus 23 Grad in 500 hPa über plus 5 Grad in 850 hPa erinnern eher an April als an den Hochsommer. Entsprechend erwarten wir hier nicht mehr die heftigen Sommergewitter, sondern klassische Kaltluftgewitter, die durchaus mal kräftig ausfallen und kleinkörnigen Hagel mit sich führen können. Auch die Böen sind in der Nähe solcher Zellen nicht zu unterschätzen. Und ja, wir müssen uns auch mit der Schneefallgrenze befassen, denn wir haben ja Ferienzeit und die Alpen werden entsprechend besucht: Bis auf rund 1800 m kann die weisse Pracht zwischen Donnerstagmorgen und Freitagmorgen fallen. Gut möglich, dass der eine oder andere höher gelegene Alpenpass nicht mehr normal befahrbar sein wird und etliche „überraschte“ Berggänger gerettet werden müssen.

Ab Freitag befinden wir uns auf der Rückseite des Troges zwar noch unter Höhenkaltluft, der am Boden ansteigende Luftdruck sorgt allerdings für eine allmähliche Wetterberuhigung. Dies trifft nicht unbedingt auf den Wind zu: Starker Nordföhn südlich der Alpen und eine kräftige Bise im Mittelland vor allem nach Westen hin verhindern die rasche Rückkehr zum Sommerfeeling. Und wenn der Wind in der klaren Nacht zum Samstag dann endlich abstellt, wird es für Juli am Morgen empfindlich frisch sein. Bodenfrost in höheren Muldenlagen kann man nicht völlig ausschliessen.

Die Schlange auf der Jetstream-Karte lässt es erahnen: Mit der Temperaturkurve geht es bald danach wieder sehr steil nach oben. Nachhaltig ist das alles nicht, daran sollten wir uns in diesem Sommer gewöhnen…