Gewittervorschau 24.-30.06.2016

Einzelzelle, Deckelbrecher, Pioniergewitter, Hungerturm - ein paar Bezeichnungen für dieses optisch interessante Phänomen

Einzelzelle, Deckelbrecher, Pioniergewitter, Hungerturm – ein paar Bezeichnungen für dieses optisch interessante Phänomen

In den Beiträgen der letzten Wochen war mehrmals von der Umstellung von der Frühlings- zur Sommerzirkulation (meridional zu zonal) die Rede,  die sich im Juniverlauf mal einstellen sollte. Der erste Anlauf ging schief und bescherte uns noch mal sehr viel Regen und jetzt einen abrupten Wechsel von kühler zu heisser und sehr schwüler Witterung. Doch es gibt eine ungeschriebene Regel: So schnell die Hitze kommt, so schnell geht sie auch wieder. Es soll auch diesmal nicht anders sein und die oben erwähnte Umstellung der Zirkulationsform können wir in den nächsten Tagen lehrbuchhaft nachvollziehen. Doch zunächst dürfen wir uns mit den Begleiterscheinungen der Brechstangen-Hitzewelle auseinandersetzen: Abgesehen vom einen oder anderen Kreislauf-Purzelbaum sind vor allem die Gewitter am Freitag und Samstag interessant, deren Ergüsse auf immer noch völlig durchtränkte Böden und randvolle Seen treffen. Immerhin geht diesmal der Kelch eines weiteren Abtropftiefs an uns vorbei: Noch so eine nasse Geschichte ohne absehbares Ende hätte nach der ganzen Vorgeschichte leicht in eine grossräumigere Katastrophe münden können. So wie es sich jetzt anbahnt, bleiben ernsthafte Probleme wohl eher lokal begrenzt.

Die Grosswetterlage präsentiert uns aktuell ein Tief über den Britischen Inseln, das sich am Freitag zum Übertritt auf das europäische Festland anschickt (Ähnlichkeiten zum aktuellen politischen Geschehen sind rein zufällig):

20160623-blog2Eingezeichnet ist die meridional (nach dem Längengrad) ausgerichtete Trogachse, sie wird später noch mal ein Thema. Man erkennt die Schweiz unter einer südwestlichen Höhenströmung, die sich langsam von Westen her annähert. Der Gradient der Windstärke in rund 5000 m Höhe zwischen Ost und West wird für das Verhalten der Gewitter in der Nacht auf Samstag eine wichtige Rolle einnehmen. Über dem südlichen zentralen Mittelmeer ist übrigens das Abtropftief zu sehen, das uns vor Wochenfrist noch Sorgenfalten auf die Stirn geezeichnet hat. Gut, hat es sich dort unten still gehalten..

Über den Alpen hält sich seit Mittwoch ein Höhenrücken, der für Absinken und damit Abtrocknen der oberen und mittleren Luftschichten gesorgt hat. Bis zum Boden konnte sich dieser Effekt allerdings nicht durchsetzen, kein Wunder bei all der Feuchtigkeit die in den vergangenen Wochen bei uns abgelagert wurde. Die unterste, stark durchheizte Luftschicht nimmt diese Bodenfeuchte dankbar auf und wird durch beinahe Windstille nicht abtransportiert (bei niedrigerem Sonnenstand wäre das die perfekte Nebellage):

20160623-blog3Taupunkte ab etwa 16 Grad werden als schwül empfunden, ab 20 Grad wird es schon tropisch. Im Hochgebirge ist die Luft hingegen wie schon erwähnt sehr trocken, daher war gestern und heute die Alpensicht aus dem Mittelland trotz feuchter Grundschicht recht gut. An dieser Konstellation ändert sich am Freitag tagsüber vorerst nur wenig, denn noch immer wirkt der nur langsam nach Osten wegziehende Höhenrücken als Barriere. Der Druck der extrem energiereichen Luftmasse von unten ist allerdings enorm. So werden im Lauf des Nachmittags ähnliche Türme wie im Titelbild gezeigt entstehen: Verbreitet bleibt die Konvektion unter dem Deckel und breitet sich an diesem aus bzw. vertrocknet, doch an neuralgischen Stellen mit orographischer und Lokalwind-Unterstützung ist der Aufwind stark genug, um den Deckel zu durchbrechen. Resultat sind diese einzelnen Pioniergewitter, von mir gerne auch Hungertürme genannt, da sie einen sehr dünnen Aufwindschlauch aufweisen, an dessen Rändern das Nagen der trockenen Luft gut zu erkennen ist. Je mehr der Boden aufgeheizt wird, umso mehr von diesen Einzelzellen entstehen und feuchten die mittleren Luftschichten an, sodass die Hemmung allmählich abgebaut wird. Gegen Abend ist somit vor allem entlang des Juras und den Voralpen mit verbreiteter Auslöse zu rechnen. Aufgrund der schwachen Höhenströmung werden sich die Zellen aus den Voralpen heraus nur sehr langsam verlagern und bieten somit Gefahr von extremen Niederschlägen mit eher kleinkörnigem Hagel innert kurzer Zeit, was auf den völlig durchtränkten Böden in steilem Gelände rasch zu Erdrutschen und Sturzfluten führen kann. Am Jura hingegen verlagern sich die Zellen etwas rascher nach Nordosten, hier kann die Scherung möglicherweise für die Bildung von Superzellen ausreichen. Somit ist auch mit gefährlichen Sturmböen jeweils vor dem Eintreffen der eigentlichen Gewitter zu rechnen. Während also die Jurazellen bezüglich ihres Verhaltens relativ durchschaubar sein werden, dürfte die Entwicklung aus den Voralpen heraus recht chaotisch durch Kettenreaktionen ablaufen. Die Möglichkeit von Clusterbildungen, die im Lauf der Nacht Fahrt in Richtung Mittelland aufnehmen, ist durchaus gegeben. Nicht unerwähnt bleiben soll, dass aufgrund der energiereichen Luftmassen (Hitze plus extreme Luftfeuchtigkeit) aussergewöhnlich blitzintensive Gewitter entstehen.

Am Samstagmorgen präsentiert sich die Lage dann so:

20160623-blog4Schwarz eingezeichnet sind Konvergenzlinien, wobei vor allem jene in der warmen Luftmasse (rot) sehr aktiv sein wird. Sie könnte womöglich noch längere Zeit über der Schweiz verharren. An der (blau eingezeichneten) Kaltfront erkennt man Verwellungstendenzen, da der Höhenwind frontenparallel verläuft und sich das ganze System nur sehr langsam nach Osten verlagert. Nach dem oben gezeigten Modell soll uns die Kaltfront am Samstagabend erreichen. Allerdings ist noch völlig unklar, wo und wie sich die Front verwellt und wie sich die Konvergenzlinien vorderseitig verhalten werden. Am besten rechnet man den ganzen Samstag über mit heftigen Gewittern, die jedoch wenig organisiert sein dürften. Die grösste Gefahr besteht immer noch in der Clusterbildung, wobei die Verlagerungsgeschwindigkeit nach Nordosten im Tagesverlauf allmählich zunimmt. Zwischen den Clustern können durch das Absinken der in den Clustern aufgestiegenen Luft durchaus grössere  niederschlagsfreie und sogar sonnige Gebiete entstehen, lokal und zeitlich leider nur sehr zeitnah prognostizierbar.

In der Nacht auf Sonntag sickert die Bodenkaltluft aus West-Nordwest seicht ein und unterbindet Konvektion aus der Grundschicht, allerdings können immer noch Gewitter in der darüber lagernden labilen und energiereichen Luft entstehen. Die am Sonntag nachrückende Konvergenzlinie liegt bereits gänzlich in der kühleren Luftmasse und wird daher keine Unwetter mehr bringen. Der eine oder andere blitzende Schauer kann aber noch dabei sein, abhängig davon wie nah uns die nach Norden abdrehende Höhenkaltluft noch kommen wird. Am Alpennordhang stellt sich Stauregen ein, der in der Nacht auf Montag abklingen dürfte.

Anders als in den vergangenen Wochen tropft der Trog nicht ab, sondern schwenkt am Montag nach Norden weg:

20160623-blog5Man sieht jetzt die Trogachse zonal (dem Breitengrad entlang) ausgerichtet. Zu verdanken haben wir dies der (endlich!) erstarkenden Westwinddrift. Hoffen wir, dass es dieses Mal nachhaltig sein wird und somit den seit drei Monaten währenden Kapriolen ein Ende gesetzt wird. Die daraus entstehende Westlage ist bei uns in der ersten Wochenhälfte antizyklonal geprägt. Mithilfe eines Azorenhochkeils wird die relativ kühle Atlantikluft über dem Festland rasch erwärmt, sodass sich angenehme Sommerwerte um 25 Grad herum einstellen. Dazu gibt es viel Sonnenschein mit zunächst leichter Schauer- und Gewitterneigung über den Bergen, die im Wochenverlauf allmählich zunimmt. Ob und wann sich in die Westströmung eingelagerte Fronten bei uns melden, ist derzeit noch nicht ausreichend genau vorherzusagen, dürfte aber für die nächste Gewittervorschau ein Thema werden.

Gewittervorschau 16.-23.06.2016

Grosswetterlage um den 16.06.2016: Trog Westeuropa

Grosswetterlage um den 16.06.2016: Trog Westeuropa

Vor einer Woche wurde an dieser Stelle beschrieben, wie die Druckschaukel über dem Atlantik allmählich wieder eine Westlage in Gang bringt und eine Umstellung von der Frühlings- zur Sommerzirkulation einleiten könnte. Der Konjunktiv war durchaus berechtigt, wie sich heute herausstellt, denn die Westlage entpuppte sich als Strohfeuer. Das Azorenhoch zieht sich in den nächsten Tagen wieder nach Westen zurück und zeigt uns die kalte Schulter, für Tröge und abtropfende Tiefs ist das Fenster über Westeuropa sperrangelweit geöffnet. Es ist eine Konstellation, die fatal an die Sommer 2012 und 2014 erinnert. Allerdings ist es meines Erachtens noch zu früh, wie andere prominente Wetterblogger bereits jetzt die Grabesrede für den Sommer anzustimmen. Noch steht uns der Siebenschläferzeitraum bevor, während dem sich in den meisten Jahren die Zirkulation noch mal grundlegend umstellt. Tatsächlich zeigen die Mittelfristkarten zum Monatswechsel eine Verlagerung des Jetstreams nach Norden. Ob genügend Fleisch an diesem Knochen hängt oder es sich lediglich um einen nicht selten von den Modellen gezeigten jahreszeitlichen Soll-Zustand handelt (von einigen gerne Sommermöhre genannt), darüber zu spekulieren wäre heute müssig.

Wenden wir uns lieber der aktuellen Situation zu. Typisch für den Frühling sind meridionale Lagen, bei denen grossräumig die warmen und kalten Luftmassen in Nord-Süd-Richtung einen Ausgleich zwischen den kalten Polargebieten und den warmen Tropen anstreben. Ist der Jetstream schwach, wird er dabei gewaltig verbogen und kann sehr weit nach Süden ausgreifen, so wie dies momentan der Fall ist:

20160616-blog2Solche Langwellen sind bezüglich ihrer Verlagerung in östlicher Richtung sehr träge und können längere Zeit über derselben Region verharren, während kurzwellige Ausschläge zügiger vorankommen und für rasche Wechsel der Wetterlagen sorgen. Speziell an der jetzigen Situation ist der Verlauf des Maximums direkt über die Alpen hinweg. Dort, wo der Jetstream einen Richtungswechsel vollzieht, fächert die Strömung in rund 9000 m Höhe auf (zu sehen an verschiedenen weissen Plus-Zeichen auf der Karte), bildet also Divergenzen. Strömt die Masse in der Höhe auseinander, muss Luft aus tieferen Schichten nachströmen, es ensteht dynamische Hebung, und diesem Fall grossräumig in Alpennähe. Hinzu kommt die durch das Gebirge orographisch erzwungene Hebung, was einem ungemütlichen Giftcocktail entspricht, zumal durch das Mittelmeer angefeuchtete, sehr warme und somit energiereiche Luftmassen im Spiel sind. Höhendivergenz und Über- sowie Umströmung eines Gebirges sind für Tiefdruckbildung am Boden zuständig, was dort wiederum Konvergenzen bildet und die Hebung weiter unterstützt. Das Ergebnis ist eine für die Jahreszeit aussergewöhnlich rasche Tiefdruckentwicklung auf der Alpennordseite, die mit der Höhenströmung rasch nach Nordosten weiterzieht und auch den Ländern des nördlichen und östlichen Mitteleuropa Unwetter beschert. Doch zurück in die Schweiz:

20160616-blog3Die oben geschilderten Prozesse sorgen für enorme Regenmengen in kurzer Zeit, dargestellt sind auf dieser Karte die prognostizierten Summen von 30 Stunden von Donnerstag 02:00 bis Freitag 08:00 MESZ. Auf der Alpensüdseite stellen solche Mengen in der Regel kein grösseres Problem dar, dennoch kann hier und da ein Bach hochgehen, wenn eingelagerte Gewitter für erhöhte Stundensummen sorgen. Mehr Sorge muss das Übergreifen auf die seit einem Monat ununterbrochen nasse Alpennordseite bereiten, hier können die Böden kaum noch Wasser aufnehmen und der Niederschlag gelangt in kürzester Zeit in den Abfluss. Zusammen mit der laufenden Schneeschmelze sorgt dies auch an grösseren Flüssen für Gefahr, wobei sich in letzter Zeit gezeigt hat, dass die Abflussmodelle vermutlich den Sättigungsgrad der Böden unterschätzen und die Abflussspitzen mitunter deutlich zu niedrig ansetzen.

Glücklicherweise verlagert sich der Feuchtefluss am Freitagmorgen nach Osten und verlässt die Schweiz. Auf der Rückseite fliesst aus Westen etwas energieärmere Luft nach, die allerdings immer noch feucht und labil genug ist, um weitere Schauer und Gewitter auszulösen. Mit extremen Entwicklungen ist nicht zu rechnen, dennoch ist jeder Regenguss auf die durchnässten Böden der potenzielle Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringen kann. Das Risiko lokaler Überflutungen und Erdrutsche bleibt somit noch bis weit in die nächste Woche hinein bestehen. Am Samstag erreicht uns aus Nordwesten die nächste Kaltfront (Grenze grün zu gelb):

20160616-blog4Das Einfliessen kühlerer Luft in Bodennähe sorgt vorübergehend für eine leichte Stabilisierung der Atmosphäre. Es kommt meist nur noch zu Schauern mit vereinzelten Blitzentladungen, Typ Aprilwetter mit sonnigen Abschnitten zwischendurch.

Am Sonntag drehen Höhen- und Bodenströmung auf nördliche Richtung, über der Westschweiz oder etwas westlich davon vollzieht sich der Abtropfprozess eines Höhentiefs vom nördlichen Trog:

20160616-blog5In der Höhenkaltluft entstehen neue Schauer und Gewitter vom Typ „Schwachstrom“. Mit der Nordströmung ist allerdings mit länger anhaltenden Stauniederschlägen am Alpennordhang zu rechnen, die – wie könnte es anders sein – im ohnehin schon triefenden Osten des Landes ergiebiger ausfallen dürften als weiter westlich.

Ab Montag verkommt die Lage zum Roulette: Das abgetropfte Tief eiert irgendwo südlich der Alpen herum. Waren die Modelle in den letzten Tagen auf eine extreme Tiefdruckbildung mit Vb-Zugbahn aus, welche den Alpen weitere extreme Niederschläge besorgt hätte, so geht der Trend momentan eher in die Richtung, dass sich das Tief relativ stationär und für uns weit südlich genug allmählich auffüllt. Doch es gibt einen Grundsatz in der Meteorologie der da lautet: Traue keinem Kaltlufttropfen! Der weitere Verlauf dieses eigenwilligen Gewächses ist völlig unmöglich vorherzusagen. Es gibt durchaus plausible Modellrechnungen, die das Tief früher (Dienstag/Mittwoch) oder später (Donnerstag/Freitag) wieder nach Norden ziehen lassen.

20160616-blog6Hier dargestellt ist eine Variante, bei der ein neuer Trog im Lauf des Donnerstags nach Westeuropa ausbricht und den verbleibenden Kaltlufttropfen über dem Mittelmeer einfängt. Auch wenn es von Montag bis Mittwoch im besten Fall mal eine etwas ruhigere Phase geben sollte, ist in der Folge mit neuen, womöglich ergiebigen Niederschlägen zu rechnen. In einer Woche wissen wir mehr…

Gewittervorschau 11.-16.06.2016

Der Silberstreifen am Horizont ist eben nur ein Streifen...

Der Silberstreifen am Horizont ist eben nur ein Streifen…

Heute Freitag bekommen wir wieder mal vorgeführt, weshalb das Wort „zwischen“ im Begriff Zwischenhoch eine wichtige Bedeutung hat. Kaum hat uns mal ein anständiger Schub trockener Luft vom Waschküchenwetter der vergangenen bald zwei Wochen befreit, steht das nächste Tief vor der Tür. Dabei hatten die Langfristaussichten Ende Mai für den Juni noch viel Hoffnung gemacht, dass in der meridionalen Zirkulation, wo der Westwind überhaupt nichts zu melden hat, sich nach einer längeren Tiefdruckphase eine ebensolche Hochdruckphase einstellen könnte. Nichts wird damit, denn genau zum Schlüsselmoment besinnt sich das Azorenhoch seines angestammten Platzes und prompt produziert der Nordatlantik wieder seine obligaten Tiefs. Was im Juni durchaus üblich ist, wenn die Umstellung von der Frühlings- zur Sommerzirkulation erfolgt. Statt Hochdruckwetter gibt es jetzt also vorerst eine Mini-Schafskälte und danach dürfen wir gespannt sein, ob das mit der Westwindzirkulation nur eine Eintagsfliege war oder ob sich bereits so etwas wie der Beginn des Siebenschläferzeitraums andeutet.

Schauen wir uns doch zunächst an, was die grossräumige Druckverteilung derzeit für Absichten hegt:

20160610-2Die Prognosekarte für den Sonntag zeigt uns, wie sich zwischen Azorenhoch und Nordatlantiktief die seit über zwei Monaten völlig lahmgelegte Westwindströmung aufbaut. Über Mitteleuropa ist noch der Rest des Barosumpfs der letzten zwei Wochen zu sehen, und die Frontalzone kann sich nun entscheiden, ob sie den Weg nach Norden oder Süden einschlagen möchte. Ersteres war lange Zeit in den Mittelfristkarten favorisiert und hätte uns eine angenehme antizyklonale Westlage beschert, in der uns die Fronten nur streifen und dazwischen ruhiges, nicht zu heisses Wetter beschert hätte. Stattdessen scheint sich nun die südlichere Variante durchzusetzen, gemeinhin auch bekannt als südliche Westlage und im Sommer bei uns gar nicht gerne gesehen. Doch dazu etwas später.

In der Nacht auf Samstag erreicht uns die Störungszone eines Tiefs, dessen Antrieb vor allem in den höheren Luftschichten (5000-9000 m) zu sehen ist. Am Boden ist nur eine schwache Konvergenzzone vorhanden. In der Luftmassenanalyse kann man keine klassischen Fronten ausmachen, und dennoch zieht am frühen Samstagmorgen eine ausgeprägte Linie durchs Land, in der auch Gewitter eingelagert sein können. Einzig die tageszeitliche Unpässlichkeit sorgt dafür, dass es hauptsächlich bei Regen bleibt. Dieser deckt die Schweiz allerdings nahezu flächendeckend ein, was aufgrund der Vorgeschichte und dem, was danach noch folgt, von Bedeutung sein könnte. Diese Regenzone verlässt uns am Vormittag rasch ostwärts, doch wir verbleiben auf der Vorderseite eines schwachen Bodentiefs über Nordfrankreich:

20160610-3Die blockierende Ostströmung eines Hochs über der Nordsee verhindert, dass das Tief zügig weiter nach Osten vorankommt. Somit wird am Samstag weiterhin recht energiereiche Luft aus Südwesten zu den Alpen geführt, wobei sich die Energie mehr in Feuchtigkeit als in Wärme manifestiert. Sobald sich also die Sonne durchsetzt, kann die Suppe erneut aufkochen und es kommt im Tagesverlauf zu Regengüssen und Gewittern. Die Voraussetzungen für heftige Entwicklungen sind allerdings nicht sehr günstig, und die mässige Höhenströmung ist immerhin dafür besorgt, dass sich die Zellen nicht wie zuletzt gehabt während Stunden über demselben Gebiet ausregnen, sondern weiterziehen. Trotzdem ist natürlich jeder Tropfen auf die durchnässten Böden zu viel, sodass es lokal doch erneut brenzlig werden kann. Erst durch die langsame Verlagerung des Hochs von der Nord- zur Ostsee im Verlauf des Sonntags kann das Tief mitziehen und wir gelangen ab Sonntagnachmittag auf die kühlere Rückseite. Damit nimmt die Gewitterneigung allmählich ab und es erfolgt ein Übergang zu gewöhnlichen Schauern.

Wer nun hofft, dass sich auf der Rückseite des Tiefs ein neues (Zwischen-)Hoch durchsetzt, wird enttäuscht werden. Denn die bereits oben erwähnte Tatsache, dass sich der Jetstream die südliche Route aussucht, lässt uns genau in die Zugbahn der nachfolgenden Randtiefs gelangen:

20160610-4Hier erkennt man schön, wie der nördliche Verlauf des Höhenwindes abgeschnitten wird und sich der südliche Ast durchsetzt. Für uns hat dies wechselhaftes, leicht unterkühltes Westwindwetter zur Folge. Die hier gezeigten 850er-Temperaturen bewegen sich zwar im saisonalen Normbereich, doch durch die hohe Feuchtigkeit ist der Tagesgang stark reduziert, das „Normale“ manifestiert sich folglich durch milde Nächte und mangels Sonnenschein kühle Tage. Nicht wirklich das, was wir gemeinhin unter Sommerwetter verstehen. Eher aprilartig zeigt sich von Montag bis Mittwoch das Wetter: Viele Wolken, kurze sonnige Abschnitte und dazwischen immer wieder Schauer, die gelegentlich auch mal Blitz und Donner mit sich führen, aber kaum dem für Juni zu erwartenden Höhepunkt der Gewittersaison entsprechen. Diese Lage trägt einzig dazu bei, dass die Böden nach wie vor nicht abtrocknen können, dabei wäre dies doch bei dem, was die erweiterte Mittelfrist zeigt, so wichtig…

Wagen wir nämlich einen Blick auf die zweite Wochenhälfte, so zeigt sich eine markante Luftmassengrenze quer über die Alpen hinweg:

20160610-5Je nach Modell und Lauf wird der Trog über Westeuropa oder das Tief über den Britischen Inseln etwas mehr oder weniger ausgeprägt gerechnet. Sicher ist, das uns die massive Warmluftzufuhr aus Süden verpasst. In Italien und auf dem Balkan sind erstmals in diesem Sommer Werte gegen 40 Grad möglich, je nach Verlauf der Front kann auch der Osten Österreichs die 35-Grad-Marke ritzen. Die Schweiz hingegen kommt höchstwahrscheinlich in den Einflussbereich des Tiefs zu liegen: Permanente Zufuhr feuchter Luftmassen aus Südwest, vielleicht mit etwas Föhneinfluss in der Ostschweiz, aber recht sicher hohen Niederschlagsraten im Süden und Westen des Landes. Was daraus genau werden soll, können wir in der Gewittervorschau der nächsten Woche behandeln.

 

Gewittervorschau 04.-09.06.2016

Waschküchenwetter von seiner besten Seite

Waschküchenwetter von seiner besten Seite

Bereits seit sieben Tagen bewegt es sich kaum von der Stelle, das Tief über Mitteleuropa. War zu Beginn der Woche das zugehörige Bodentief noch sehr ausgeprägt und hat durch seine Konvergenzzonen die verheerenden Sturzfluten in einigen Regionen Deutschlands und Österreichs verursacht, so füllt es sich nun langsam auf. Zurück bleibt ein schwach ausgeprägtes Höhentief mit Zentrum im Dreiländereck D/F/CH, das sich durch sämtliche Höhen zwischen 2000 und 9000 m erstreckt und daher die Niederschlagsgebiete langsam im Gegenuhrzeigersinn um sich drehen lässt. Am Boden hingegen sind die Druckdifferenzen inzwischen extrem schwach, sodass sich kaum noch Wind einstellt. Dieses Überraschungsei wird jeden Tag neu ausgebrütet und man wartet stets gespannt darauf, ob daraus ein Rotkehlchen oder doch ein Kuckuck schlüpft.

Denn die langsamen Verlagerungen des Höhentiefs – mal ein paar Kilometer nach Osten, dann wieder nach Westen – sind von den Wettermodellen kaum zu erfassen. Je näher man aber beim Zentrum liegt, umso mehr fallen diese kleinen Verlagerungen ins Gewicht, da sich vor Ort die Strömungsrichtung markant verändern kann.

Lage des Höhentiefkerns am Samstagmittag

Lage des Höhentiefkerns am Samstagmittag

Liegt der Tiefkern genau nördlich, herrschen in der Höhe Westwinde. Verschiebt er sich leicht nach Osten, dreht der Höhenwind auf Nordwest bis Nord. Verschiebt er sich ein wenig westwärts, herrscht plötzlich Südwestwind vor. Man kann sich vorstellen, dass zum Beispiel am Juranordfuss diese geringen Veränderungen grosse Auswirkungen haben können. Dazu kommen schwache eingelagerte Randtröge, die um das Tief herum kreisen und an denen sich Schauer und Gewitter verstärkt bilden können. Dieses Zusammenspiel der Unsicherheiten verunmöglicht genaue Prognosen. Wann und wo sich Gewitter bilden, wie stark sie sich entwickeln und in welche Richtung sie sich verlagern – wenn überhaupt – wird zur Lotterie.

20160604-3Die Luftmassenanalyse für Samstagmittag zeigt, dass nach wie vor energiereiche Luft aus Südosten um das Tief herum gewickelt wird und uns schlussendlich von Norden her erreicht. Dazwischen gibt es einen kleinen Einschub etwas kühlerer Atlantikluft aus Westen. Auch diese Differenzen sind kleinräumig und vereinfachen die Prognosen keineswegs. Klar ist einzig, dass die Luft stellenweise viel ausfällbares Wasser enthält. Die Scherung ist hingegen sehr schwach ausgeprägt. Dies begünstigt die Entwicklung von zahlreichen, wenig organisierten Schauer- und Gewitterzellen, die sich jedoch im Lauf der zweiten Tageshälfte zusammenballen können. Dadurch dass der Höhenwind schwach ist und sich die Zellen nur sehr langsam verlagern, kann es über längere Zeit intensiv über dem selben Gebiet schütten. Je nach Beschaffenheit der Topografie und der Abflüsse kann es zu lokalen Überflutungen kommen, nicht zuletzt deshalb weil wir seit Wochen wiederkehrende feuchte Perioden hatten und die Böden vielerorts gesättigt sind.

Ab Sonntag soll sich der Höhentiefkern nach den aktuellen Unterlagen langsam nach Westen verschieben und sich weiter auffüllen, somit nimmt sein direkter Einfluss auf unser Wetter allmählich ab. Die feuchte Luft bleibt jedoch bei uns liegen und wird durch den hohen Sonnenstand aufgeheizt. Schlussendlich ist es ein Nullsummenspiel: Der Tiefdruckeinfluss nimmt ab, im Gegenzug wird die Luft energiereicher. Die Folge davon ist, dass es zwar weiterhin tagtäglich Schauer und Gewitter gibt, doch dass deren Schwerpunkt etwas einfacher zu prognostizieren ist: Statt  überall scheinbar unmotiviert aufzuploppen, entstehen sie bevorzugt über dem Relief. Womit zumindest weite Teile des Flachlands in den nächsten Tagen in den Genuss von mehr Sonnenstunden und dem einen oder anderen gänzlich trockenen Tag kommen.

Was schon im Verlauf der letzten Woche hätte geschehen sollen, nimmt nun doch konkretere Formen an:

20160604-4Durch ein Hoch über dem nördlichen Mitteleuropa wird trockenere Luft aus Osten herangeführt. Diese erreicht die Schweiz allerdings knapp nicht, so zumindest die Interpretation obiger Karte für den Dienstag. Die Lage des Tiefrestes über Frankreich sorgt dafür, dass die Zufuhr feucht-warmer Luftmassen aus Südwesten zu den Alpen anhält. Die Luftmassengrenze soll sich knapp nördlich der Schweiz einrichten. Bei uns bleibt das Tagesgangwetter mit Schauern und Gewittern über den Bergen wahrscheinlich während der ganzen Woche erhalten. Da es für einen Luftmassenwechsel bei uns aber nur geringfügige Änderungen bei der Lage der Druckgebiete benötigt, ist das letzte Wort hierzu möglicherweise noch nicht gesprochen.