Gewittervorschau 27.06.2015 und ein (Hoch-)Sommerloch?

Das Flachland wird wohl für längere Zeit auf künstliche Gewitter angewiesen sein.

Das Flachland wird wohl für längere Zeit auf künstliche Gewitter angewiesen sein.

Auf Gewitterprognosen spezialisierte Meteorologen und Blitzjäger haben es derzeit nicht leicht. Nach vielversprechendem Saisonbeginn mit durchaus spektakulären Ereignissen ist seit Mitte Juni Schmalkost angesagt. Waren zuletzt wenig energiereiche, kühle Luftmassen aus dem Nordatlantik dafür verantwortlich, übernimmt die Rolle des Spielverderbers nächste Woche ein aussergewöhnlich starker Höhenrücken über Mitteleuropa. Dazwischen schlüpft am Samstag noch rasch eine Kaltfront durch, und diese bereitet einiges Kopfzerbrechen, was ihre Aktivität in der Schweiz betrifft.

Am besten verschaffen wir uns einen Überblick über die Wetterlage anhand der Luftmassenkarte:

20150626-blog2Die Protagonisten sind ein Randtief mit Zentrum über Dänemark und ein Hochdruckgebiet über Westfrankreich. Dazwischen eine zügige West-Nordwestströmung mit einer markanten Kaltfront (blau) und einer vorlaufenden Konvergenzzone (schwarz). Die Luftmasse vor der Kaltfront ist mässig energiegeladen und wäre als Gewitterlieferant geeignet. In der Höhe streift Kaltluft mit -15 °C in 500 hPa knapp die Nordostschweiz und sorgt hier für ausreichende Labilität für Gewitterbildung. Nach Westen hin ist die Labilität grenzwertig und der von Westen zu den Alpen ragende Hochdruckkeil trocknet die Luft ab. Die Frage stellt sich nun, welche Einflüsse sind stärker, und wo verläuft die Grenze zwischen Gewitteraktivität, relativ harmlosen Schauern und der trockenen Zone?

Wie so oft sind sich die Wettermodelle in dieser Frage nicht einig. Während die auf dem amerikanischen GFS basierenden Modelle die Schweiz fast vollständig mit Niederschlägen und die Ostschweiz flächig mit Gewittern eindecken, will das britische UKMO am anderen Ende der Palette von Niederschlag innerhalb der Schweiz gar nichts wissen und lässt es nur (wenn auch knapp) östlich von uns krachen. Einen interessanten Mittelweg geht COSMO, deren Variante logisch erscheint: Die vorlaufende Konvergenz wird  am Nachmittag erst östlich der Schweiz aktiv. Angesichts der Unsicherheiten ist es nicht ausgeschlossen, dass die Nordostschweiz noch knapp gestreift wird (als geeignete Westgrenze bietet sich das Sittertobel bei St. Gallen an 😉 ). Die nachfolgende Kaltfront erreicht die Schweiz im Lauf des späteren Abends, was einerseits zeitlich ungünstig liegt. Kommt hinzu, dass die Kaltfront in den Hochdruckkeil hineinläuft und entsprechend abgeschwächt wird. Für einige kräftige Regengüsse wird es in der Nacht wahrscheinlich reichen, insbesondere am Alpennordhang. Das Mittelland, der Jura und die Nordwestschweiz dürften dabei weitgehend trocken bleiben. Nicht unerwähnt bleiben soll in einem solchen Fall der Wind, welcher am Jurasüdfuss (Kaltfront-Joran) wohl die kräftigsten Böen bringen wird.

Am Sonntag ist die Front bereits Geschichte, am Morgen hängen noch Restwolken herum und bringen am östlichen Alpennordhang ein paar letzte Tropfen. Was danach folgt, hat in einer Gewittervorschau eigentlich nichts verloren: Ein langes Sommerloch in Form eines ausserordentlich starken Höhenrückens (einige Modell-Läufe zeigen das 500-hPa-Geopotenzial teils in über 5900 m Höhe) unterdrückt jegliche konvektive Aktivität bis weit in die nächste Woche hinein. Ein wenig Spannung verspricht die Entwicklung ab Donnerstag, denn die exakte Position des Hochs wird entscheidend sein, ob in der zweiten Wochenhälfte die Gewitteraktivität langsam zunimmt:

20150626-blog3Falls sich das Hochzentrum weit genug nach Norden verlagert, können die Füsse des Omegas für uns wetterbestimmend werden, indem sie für zunehmende Labilität sorgen. Angesichts der zu erwartenden Temperaturen von über 30 Grad wäre ordentlich Zunder in der Atmosphäre, sofern sich von irgendwoher (Südwesten oder Südosten, je nachdem ob das Hoch Rechts- oder Linksfüsser ist) auch noch etwas Feuchtigkeit dazumogelt. Andernfalls wäre bei einem stabilen Hoch über Mitteleuropa einzig der Alpenhauptkamm dazu geeignet, den starken Deckel hier und da zu durchbrechen und ein einzelnes Hitzegewitter hervorzubringen. Bis zur nächsten Ausgabe dieses Blogs wissen wir bestimmt etwas mehr darüber…

Gewittervorschau 12.-18.06.2015

Hagelzelle südlich von Bern am 06.06.2015

Hagelzelle südlich von Bern am 06.06.2015

„Wetter wiederholt sich nie“ lautet ein weiser Spruch in der Meteorologie, da selbst sich ähnelnde Wetterlagen im Detail immer gewisse Unterschiede aufweisen. Im gröberen Ablauf hingegen ist ein wiederkehrendes Muster in ungefährem 7-Tage-Rhythmus ein altbekanntes Phänomen, und in genau so einem scheinen wir im Verlauf der nächsten Tage zu stecken. Wie schon vor Wochenfrist ist erneut der Freitag der heisseste Tag der Woche, und während des Wochenendes wird die Luftmasse durch tägliche Gewitter allmählich abgekühlt, ohne jedoch viel an Energie zu verlieren. Diese manifestiert sich anstelle von Wärme in mehr Feuchtigkeit – Waschküchenwetter ist bis Montag angesagt. Die erste Wochenhälfte ist erneut durch recht kühle Witterung charakterisiert, wobei sich die ursprünglich gerechnete Schafskälte im Alpenraum nach neueren Berechnungen allmählich zu einem Lämmchen zu wandeln scheint. Ein spekulativer Blick in die zweite Hälfte der nächsten Woche lässt vermuten, dass das bekannte Spiel dann erneut von vorne losgeht.

Die Grosswetterlage präsentiert sich am Wochenende wie folgt: Ein nahezu stationäres Tief mit Zentrum vor der galizischen Küste schaufelt aus Südwest bis Süd sehr warme und zunehmend feuchte Luft nach Mitteleuropa. Gegenspieler ist ein schwacher Höhenrücken über dem Balkan, der allerdings weit weniger Einfluss auf unser Wetter ausübt als das fette Hoch vor einer Woche. Er blockiert aber die Lage dergestalt, dass es in den Alpen für einen für die Jahreszeit kräftigen Föhnschub reicht.

Dieser Föhn macht die Prognose für Freitag etwas kompliziert, insbesondere was seinen Einfluss auf die Osthälfte der Schweiz angeht. Im Normalfall kann man davon ausgehen, dass die Gewittertätigkeit hier vorerst stark gedämpft wird. Bemerkenswert sind jedoch stürmische Föhnböen, die am Nachmittag durch die dafür bekannten Täler fegen dürften. Auch in den übrigen Gebieten der Alpennordseite sorgt der Föhn vorerst für eine starke Deckelung der Atmosphäre. In Alpennähe ist somit bis zum späteren Nachmittag kaum mit Überentwicklungen zu rechnen. Anders sieht es im Hochjura aus: Hier können ab den Mittagsstunden heftige Gewitter entstehen, die mitunter grossen Hagel bringen. Die Zugbahn dürfte meist in Richtung Norden weisen, heftige Kaliber können aber als Rightmover durchaus bis in die Nordwestschweiz gelangen. Gegen Abend melden sich dann Gewitter auch aus den westlichen Voralpen bis etwa Höhe Hohgant-Napfgebiet, vereinzelt kann eine Zelle auch mal weit ins Mittelland laufen, bevor sie eingeht. Auch hier sind lokal grössere Hagelsteine zu erwarten.

Spannend wird es in der Nacht auf Samstag. Verschiedene Modelle deuten auf die Entwicklung mindestens eines MCS über Südfrankreich hin, der in der Nacht mit gewittrigem Starkregen über den Jura nach Nordosten zieht. Seine stürmische Druckwelle kann dabei durchaus durch das ganze Mittelland fegen. Ein weiterer Cluster wird in den Südalpen modelliert. Wie immer sind zeitliche Abläufe, Intensität und genaue Zugbahn solcher Systeme erst kurzfristig vorhersagbar und bedürfen der genauen Beobachtung am Niederschlagsradar.

Die Windrotation im Gegenuhrzeigersinn in rund 1500 m zeigt westlich der Schweiz einen grösseren Gewitterkomplex an

Die Windrotation im Gegenuhrzeigersinn in rund 1500 m zeigt westlich der Schweiz einen grösseren Gewitterkomplex an

Am Samstag sollte sich das Wetter im Lauf des Vormittags beruhigen. Sobald sich die Sonne durchsetzt, kocht die feuchte Suppe jedoch rasch wieder auf. Ein schwächerer Föhn als noch am Vortag sorgt in den Alpen der Ostschweiz für Stabilität, sein Einfluss dürfte aber nicht mehr so weit reichen, womit Gewitter auf der gesamten Alpennordseite entstehen können. Die Hauptgefahr geht diesmal von Starkregen aus, am stärksten betroffen bleiben vorerst die westlichen Landesteile inklusive Wallis.

Am Sonntag bricht der Föhn im Lauf des Vormittags zusammen. Doch beendet keine klassische Kaltfront die Lage. Die Luftmasse bleibt dieselbe wie am Samstag, jedoch mit noch mehr Feuchtigkeit angereichert. Nur wenig Sonnenschein reicht aus, um die labile Luft erneut in Wallung zu bringen. Zu erwarten ist verbreitete Auslöse von zunächst einzelnen Zellen, die sich jedoch im Verlauf des Nachmittags zu einem nahezu flächendeckenden, gewittrig durchsetzten Starkregengebiet zusammenschliessen.

Diese Karte zeigt das in dern Atmosphäre enthaltene ausfällbare Wasser (weisse Linien) sowie die Hebung (dunkelrot bis lila). Wo sich die beiden Gebiete wie in der Nordschweiz überlagern, ist mit den stärksten Niederschlägen zu rechnen

Diese Karte zeigt das in der Atmosphäre enthaltene ausfällbare Wasser (weisse Linien) sowie die Hebung (dunkelrot bis lila) am Sonntagabend. Wo sich die hohen Werte beider Parameter überlagern, ist mit den stärksten Niederschlägen zu rechnen.

Eine längs den Alpen verlaufende Tiefdruckrinne und nur schwacher Höhenwind sorgen dafür, dass sich diese extrem feuchte Luftmasse bis weit in den Montag hinein ausregnet. Dabei drückt ein britisches Hoch in den tiefen Luftschichten allmählich kühlere Luft von Norden her ins Mittelland. Eine ähnliche Konstellation mit Hochnebel und Bise im Mittelland und nach wie vor gewitteranfälliger Luft inneralpin und im Süden wie schon in der vergangenen Woche dürfte sich bis Mittwoch halten, bevor der Wind wieder auf Südwest dreht und uns den warmen und nassen Waschlappen zurückbringt. Jedenfalls ist die Lage bestens dafür geeignet, in den Alpen nicht nur regional, sondern grossräumiger für prekäre Abflussverhältnisse zu sorgen.

Gewittervorschau 05.-11.06.2015

Die Lage am Freitag begünstigt vor allem die Entwicklung von Einzelzellen, welche durch langsame Verlagerung an immer derselben Stelle regeneriert werden.

Die Lage am Freitag begünstigt vor allem die Entwicklung von Einzelzellen, welche durch langsame Verlagerung an immer derselben Stelle regeneriert werden.

Ein kräftiger Höhenrücken genau über den Alpen hat in den vergangenen Tagen die allmähliche Entwicklung der ersten hausgemachten Hitzewelle der Saison eingeleitet. Durch grossräumiges Absinken der Luft und die starke Sonneneinstrahlung werden die bodennahen Luftschichten Tag für Tag erwärmt und gipfeln in verbreitet 29 bis 33 Grad in den Niederungen am Freitag. Ein sich über Westeuropa aufbauendes Bodenhoch sorgt dafür, dass ab Sonntag aus Norden wieder kühlere Luft einsickert. Die dabei entstehende Gegenstromlage (in der Höhe bleibt die Strömung auf Südwest) sorgt bei der Prognose für die weitere Entwicklung für erhebliche Schwierigkeiten, was sich in einer extremen Sprunghaftigkeit einiger Modelle betreffend der Temperaturen zu Beginn der neuen Woche äussert.

Der Freitag verspricht in Sachen Gewitter in der Schweiz und der unmittelbaren Umgebung für einige Spannung. Zwar wirkt das Höhenhoch mit Zentrum über Tirol tagsüber immer noch hemmend auf die Entwicklungen, die Hitze sorgt jedoch für genügend Antrieb, um den Deckel mit orografischer Unterstützung zu sprengen. Mit langsamer Verlagerung des Höhenhochs nach Osten in den Abendstunden gerät die Schweiz an dessen Westrand:

20150604-blog2Zu erwarten sind im Verlauf des Nachmittags zunächst Einzelzellen in den Alpen und Voralpen sowie im Hochjura, ähnlich wie dies bereits am Donnerstag der Fall war. Durch die höheren Temperaturen können die einzelnen Zellen aber heftigere Entwicklungen durchlaufen, nebst lokal begrenztem Starkregen ist somit auch mit Hagel zu rechnen. Fraglich ist, ob auch der östliche Jura und der Schwarzwald Gewitter auslösen werden. In diesem Bereich soll sich mehreren Modellen zufolge bodennah eine Konvergenz zwischen Südwest- und Ostwind einstellen. Allerdings ist die Luft in diesem Bereich recht trocken, somit wird es wohl davon abhängen, ob der Boden noch genügend Feuchte liefert.

Am Freitagabend werden die Bedingungen für stärkere Entwicklungen durch die langsame Entfernung des Höhenhochs von Westen her günstiger. Denkbar sind Verclusterungen im Bereich zwischen den Savoyer Alpen und den Berner Voralpen, die mit aufkommendem Höhenwind langsam nach Norden ins Mittelland ziehen können. In der Regel sollten diese Multizellen mit dem Abwandern ins Flachland absterben, doch sind eigendynamische Entwicklungen und somit eine längere Lebensdauer nicht völlig auszuschliessen. Dasselbe könnte für Gewitter gelten, die über dem Hochjura entstehen und mit schwacher Höhenströmung nach Nordosten verfrachtet werden. Die in der Zentral- und Ostschweiz entstehenden Zellen bleiben hingegen mangels Höhenwind nahezu stationär und dürften mehrheitlich eine kurze Lebensdauer aufweisen. Die Hauptgefahr besteht hier durch extreme Regenmengen in kurzer Zeit auf eng begrenztem Raum.

Am Samstag wird das Höhenhoch von Nordwesten her abgebaut, es behält sein Zentrum jedoch über den Alpen. Eine schwach aktive Kaltfront bleibt nordwestlich der Schweiz stehen. Bodennah kommt durch die Verstärkung eines Hochs über Frankreich Nordwind auf, womit in den tiefen Schichten zunehmend kühlere und trockenere Luft einsickert:

20150604-blog3In der Nordwest- und Nordschweiz wird allfälligen Gewittern durch das Vordringen der bodennahen Kaltluft durch den Oberrheingraben rasch die Energie entzogen. Die schwüle Luftmasse des Vortags hält sich jedoch noch in Alpennähe und wird durch den aufkommenden Nordwind weiter in die inneralpinen Täler gedrückt, wo verbreitet mit kräftigen Entwicklungen zu rechnen ist. Ein Schwerpunkt bei solchen Strömungsverhältnissen ist erfahrungsgemäss das westliche Berner Oberland.

Für den Sonntag (und auch die folgenden Tage) wird eine genaue Prognose zum jetzigen Zeitpunkt ein Ding der Unmöglichkeit. Noch ist nicht klar, wie sich die Kaltfront nördlich der Schweiz verhalten wird. Auszugehen ist von einem bodennahen Einsickern der Kaltluft von Norden her bzw. mit aufkommender Bise im Mittelland. In den Alpen können sich Nester der feucht-warmen Luft wahrscheinlich noch länger halten, hier ist weiterhin mit der Entwicklung von Gewittern zu rechnen. In der Höhe (ab ca. 3000 m aufwärts) herrscht nach wie vor eine warme Südwestströmung. Deren Aufgleiten auf das Kaltluftpolster im Mittelland dürfte zu ausgedehnter Bewölkung führen, aus der gelegentlich ein paar Tropfen fallen. Wann diese Lage im Verlauf der neuen Woche beendet wird, darüber sind sich die Wettermodelle noch nicht einig.