Sturmvorschau 29.03.-03.04.2015

Windfeld in rund 1400 m Höhe am Sonntagabend

Windfeld in rund 1400 m Höhe am Sonntagabend

Wie lautet doch eine alte Binsenwahrheit? Nach dem Frühling kommt in der Regel…? Richtig: noch mal der Winter! Ob dabei wie nicht selten um die Ostertage herum vorübergehend auch etwas Schnee in den Niederungen liegen bleibt, darüber kann man auch zum heutigen Zeitpunkt nur spekulieren. Sicher aber ist: Die bevorstehende Sturmserie ist eher für den Spätherbst oder Winter als für den Frühling typisch. Diese Lage zeichnete sich in ähnlicher Weise bereits Anfang März ab, die Ursachen wurden im Blogbeitrag vom 27. Februar näher erläutert. Die lange hochdruckbestimmte Phase im März hat daher überrascht, nun ist der Westwind aber umso mächtiger zurück.

Verursacht wird die Sturmserie durch extreme Temperaturunterschiede auf geringem Raum über dem Nordatlantik, was den Jetstream in rund 9000 m Höhe verstärkt. Dieser ist zu Beginn der Woche genau auf die Alpen gerichtet, über der Schweiz werden bis zu 150 Knoten (= 270 km/h) erreicht. Ein Blick in den Himmel während sonnigen Phasen zwischen den Fronten dürfte daher lohnend sein: Die hohen Wolken ziehen nicht nur extrem schnell, sondern sind bei solchen Windgeschwindigkeiten über den Alpen auch immer wieder für besondere Formationen und Lichtbrechungen zu haben.

Windfeld in rund 9000 m Höhe am Montag. Sehr ausgeprägter Jetstream über dem Nordatlantik, der über Europa von Nordwesten her genau auf die Alpen gerichtet ist.

Windfeld in rund 9000 m Höhe am Montag. Sehr ausgeprägter Jetstream über dem Nordatlantik, der über Europa von Nordwesten her genau auf die Alpen gerichtet ist.

Das erste Sturmfeld erreicht uns am Sonntagabend (Karte im Titel). Dabei handelt es sich um einen Warmsektor-Sturm mit relativ stabiler Schichtung, was starken Mittelwind, aber eine moderate Böigkeit zur Folge hat. Die Windspitzen liegen im Flachland verbreitet bei 60 bis 70 km/h, Sturmspitzen um 90 bis 100 km/h werden nur in sehr exponierten und erhöhten Lagen erreicht. Auf den Berggipfeln von Jura und Voralpen sind 120 km/h zu erwarten, vereinzelt auch etwas darüber. Am Montag bleibt es windig, auf den Bergen stürmisch. Eine Kaltfront schleift wahrscheinlich ganztags knapp nördlich der Schweiz, was niederschlagstechnisch interessant sein dürfte (mehr dazu am Schluss dieses Beitrags).

Bleiben wir vorerst beim Sturm: Ein zweites Sturmfeld wird von den Modellen einhellig für den Dienstag berechnet, allerdings mit unterschiedlichen Auswirkungen für die Schweiz. Der Grund liegt in der noch unsicheren Zugbahn und Ausprägung eines Randtiefs, das je nach Modell näher oder weiter nördlich von uns durchziehen soll. Je nach Variante erreicht der neuerliche Warmsektor-Sturm ähnliche Werte wie jener am Sonntag. Die extremsten Berechnungen gehen hingegen von konvektiven Entwicklungen vor der Kaltfront aus, je nach tageszeitlichem Timing und vorausgehenden sonnigen Abschnitten sind bei besserer Durchmischung daher auch Böen von 100 km/h bis ins Flachland und 150 km/h auf den Berggipfeln möglich. Interessant sind auch die Auswirkungen des Nordföhns auf der Alpensüdseite: Gut möglich, dass erstmals in diesem Jahr im Mittel- und Südtessin an der Marke zum Sommertag (25 Grad) gekratzt wird.

Windfeld am Dienstagmorgen nach GFS, eine eher progressive Variante im Modellpool.

Windfeld am Dienstagmorgen nach GFS, eine eher progressive Variante im Modellpool.

Am Mittwoch und Donnerstag wird mit nordwestlicher Höhenströmung hochreichende Kaltluft zu den Alpen geführt, die kälteste Luft geht allerdings östlich an uns vorbei. Dennoch kommt es vor allem am Donnerstag immer wieder zu Schauern, die mitunter Schnee und Graupel bis in tiefe Lagen bringen und von stürmischen Böen begleitet werden können. Auf den Bergen bleibt es ohnehin die ganze Zeit über stürmisch.

Noch sehr unsicher ist eine mögliche Randtiefentwicklung am Freitag, welche ein drittes Sturmfeld zu uns führen könnte. Die Modelle liegen diesbezüglich noch sehr weit auseinander.

Im Auge behalten muss man während der ersten und zweiten Phase, also bis inklusive Mittwoch, eine mögliche Hochwassersituation. In dieser Zeit liegt die Schneefallgrenze meist in einem Bereich zwischen 1500 und 2000 m. Zu den bis Mittwochabend fallenden Regenmengen im Nordstau der Alpen muss also auch noch eine nicht unerhebliche Menge Schmelzwasser hinzugerechnet werden. Im Flachland hingegen dürfte der Regen nach der fast dreiwöchigen Trockenperiode der Natur sehr willkommen sein.

Akkumulierter Niederschlag von Samstag bis Mittwochabend. Danach ist mit weiteren Niederschlägen zu rechnen, sie werden jedoch bis in tiefere Lagen als Schnee gebunden.

Akkumulierter Niederschlag von Samstag bis Mittwochabend. Danach ist mit weiteren Niederschlägen zu rechnen, sie werden jedoch bis in tiefere Lagen als Schnee gebunden.

Ganz zum Schluss noch etwas aus dem Kaffeesatz betreffend die Ostertage und die Woche danach:

GFS-Ensemble für die nächsten zwei Wochen. Interpretationshilfe: Kurven in der Mitte: Temperatur in rund 1500 m, für die Niederungen können 7 bis 10 Grad hinzu gerechnet werden. Linien am unteren Rand: Niederschlagsmengen. Bis Ostersonntag nass, danach wahrscheinlich zunehmend trocken, aber mit unsicherer Temperaturentwicklung.

GFS-Ensemble für die nächsten zwei Wochen. Interpretationshilfe: Kurven in der Mitte: Temperatur in rund 1500 m, für die Niederungen können für die Tageshöchstwerte 7 bis 10 Grad hinzu gerechnet werden. Linien am unteren Rand: Niederschlagsmengen. Bis Ostersonntag nass, danach wahrscheinlich zunehmend trocken, aber mit unsicherer Temperaturentwicklung.

Das Osterwochenende dürfte mit zunehmender Wahrscheinlichkeit das Prädikat „winterlich“ erhalten, was jedoch viele Wetterdienste wohl mit Blick auf eine Restunsicherheit und dem drohenden Gepolter der Tourismusbranche derzeit noch nicht laut zu sagen getrauen. Nach den derzeitigen Unterlagen darf man davon ausgehen, dass der Frühling genau dann zurückkehrt, wenn auch die meisten Arbeitnehmer aus dem Osterurlaub zurück sind. Für die Woche nach Ostern geht die Mehrheit der Members auf Hochdruckeinfluss. Einzig das Temperaturniveau ist noch völlig offen, wobei eine Tendenz zu einem warmen Westen und einem kühlen Osten (gesamteuropäisch gesehen) zu erkennen ist.

 

Eröffnung der potenziellen Gewittersaison

Die Schauerzelle zwischen Grenchen und Lyss um 18:23 Uhr, gesehen von der Mündung des Broyekanals in den Neuenburgersee

Noch überwiegt der Jööh-Faktor: Die Schauerzelle zwischen Grenchen und Lyss am 18.03.2015 um 18:23 Uhr, gesehen von der Mündung des Broyekanals in den Neuenburgersee

Am Freitag beginnt gerade mal der kalendarische Frühling, und wir wollen bereits die Gewittersaison eröffnen? So seltsam es klingen mag, aber mit dem Erreichen des Gleichstands zwischen Tag und Nacht nähern wir uns mit grossen Schritten den Voraussetzungen an, bei denen Gewitter nicht nur an Kaltfronten oder unter Höhenkaltluft entstehen. Bei optimalen Bedingungen können sich breits jetzt sogenannte Wärmegewitter, also kurzlebige Einzelzellen entwickeln. Am 18.03. hat jedenfalls nicht allzu viel gefehlt.

Wie das nachfolgende Radarbild von 18:20 Uhr MEZ zeigt, entstanden über den Vogesen, am Jurasüdfuss zwischen Grenchen und Lyss sowie an den Voralpen südlich von Thun kleine Schauerzellen mit Zugrichtung Süd-Südwest:

Die Aufnahme aus dem Donnerradar-Archiv (kostenpflichtig) zeigt um 18:20 Uhr mehrere kleine Schauerzellen

Die Aufnahme aus dem Donnerradar-Archiv (kostenpflichtig) zeigt um 18:20 Uhr mehrere kleine Schauerzellen

Diese kleinen, nur wenig mehr als eine halbe Stunde existierenden Zellen sind die Vorboten dessen, was uns bei noch höherem Sonnenstand schon bald wieder erwartet. Die Meteoradar-Prognose am Vorabend war vorsichtig formuliert und am Morgen bekräftigt worden, denn die Zutaten stimmten:

  • Allgemein flache Druckverteilung über Mitteleuropa mit einer fragilen Hochdruckbrücke im Norden und je einem Höhentief über Spanien und Osteuropa.
  • Knapp ausreichende Labilität mit einem Spread von 27 Grad zwischen 850 und 500 hPa
  • Feuchte Grundschicht mit tagsüber kräftiger Erwärmung (verbreitet 16 bis 19 Grad)
  • Gegen Abend auffrischender Nordwind setzt an orografischen Hindernissen (Vogesen, Jura, Voralpen) lokale Hebung in Gang

Die Voraussetzungen reichten für Schauerzellen mit einem Wolkentop von 5000 bis 6000 m aus. Ein tageszeitlich etwas günstigeres Timing am Nachmittag hätte vermutlich noch höhere Türme hervorgebracht, dank der untergehenden Sonne fielen die Schauer aber rasch in sich zusammen. Bereits bei der nächsten passenden Gelegenheit (ev. in ein bis zwei Wochen?) könnten Tageslänge und Bodenerwärmung ausreichen, damit solche Einzelzellen auch blitzaktiv werden. Im Frühling 2014 war dies erstmals am 11. April im Berner Oberland der Fall.

Eine  kleine Zugabe bescherte der aufkommende Nordwind nach Sonnenuntergang dem Jurasüdfuss mit einem schwachen Joran (Böen um 40 km/h). Während es an anderen Mittellandstationen bei nahezu Windstille rasch auf unter 10 Grad abkühlte, verzeichneten sämtliche Stationen direkt am Jurasüdfuss von Neuenburg bis in den Aargau um 20:20 Uhr noch 13 bis knapp 15 Grad. Nicht nur war die Luft nach dem Überströmen der Jurakette 3 bis 4 Grad wärmer als am Nordfuss, sie war auch trockener (Taupunkt in Grenchen 0.9 Grad gegenüber 4.2 Grad in Basel (Karte am Schluss des Beitrags). Ein schönes Beispiel dafür, wie auch kleine Gebirge föhnige Effekte hervorrufen können.

Allgemeine Lage Europa am Nachmittag des 18.03.2015

Allgemeine Lage Europa am Nachmittag des 18.03.2015

Die Windkarte in rund 1500 m Höhe zeigt den auffrischenden Nordwind in den Abendstunden

Die Windkarte in rund 1500 m Höhe zeigt den auffrischenden Nordwind in den Abendstunden

 

Temperatur und Taupunkt um 21:20 MEZ. Der Joran lässt am Jurasüdfuss die Temperatur nur zögerlich sinken

Temperatur und Taupunkt um 21:20 MEZ. Der Joran lässt am Jurasüdfuss die Temperatur nur zögerlich sinken