Wochenvorschau Gewitter 27.7. – 2.8.2012

Vorhersagekarte GFS-Modell der positiven Vorticityadvektion 300 hPa, gültig für Samstag, 02 Uhr Lokalzeit (00 UTC). Quelle: wetter3.de

Das prägende Ereignis der vergangenen Woche war ohne Zweifel die Wasserhose über dem Zürichsee vom letzten Samstag. Für detaillierte Analysen dieser Wasserhose verweisen wir auf den letzten Blogeintrag, vor allem aber auch auf die ausführliche Diskussion zur Ursachenforschung im Schweizer Sturmforum. Wie so oft, entstand die Wasserhose in kühler instabiler Meeresluft im Bereich eines Kaltlufttroges, welcher unser Wetter am vergangenen Wochenende prägte. Seither ist der Hochsommer zurückgekehrt und bescherte uns gestern einen wunderschönen, beinahe auch wolkenlosen Hitzetag.

Die Prognosekarten der letzten Tage wiesen lange Zeit auf einen neuen nachhaltigen Einbruch von Polarluft zu Beginn der kommenden Woche hin. Soweit scheint es nun aber nicht zu kommen. Wie schon mehrmals diesen Sommer, ist ein ortsfester Höhentrog über Grossbritannien auch in den kommenden Tagen das prägende Element der Wetterlage. Das Trogzentrum liegt eher nördlich, über Schottland, und scheint sich dann im Laufe der Woche westwarts zu verlagern. Unser Land verbleibt so erneut in einer südwestlichen Höhenströmung, in welcher immer wieder Wellenstörungen und Zwischenhochs für wechselhaftes Wetter besorgt sind. Infolge der diesmal eher grossen Distanz zum Trogzentrum ist der Witterungscharakter freundlicher als auch schon. Das heisst, dass nach Gewitter- und Schlechtwetterzonen sich immer wieder rasch Aufhellungen durchsetzen können.

Ein erster schwacher Kurzwellentrog überquert unser Land in der zweiten Nachthälfte auf Samstag. Dies wird mindestens im GFS Modell so angezeigt. Die Karte der sog. Vorticityadvektion 300 hPa (siehe Beispielkarte) lässt solche Wellen (auch Minitröglis genannt) besonders gut als Farbpaare orange/blau-violett hervortreten. Der Vorderseite der Welle, also im orangen Bereich, werden Hebungseffekte, also Schlechtwetter zugeordnet, während auf der Rückseite, im blau-violetten Bereich, absinkende Luft (sog. Subsidenz) wieder zu einer Wetterbesserung führt. Die Welle der kommenden Nacht könnte im Zusammenhang stehen mit einem mesoskaligen Gewittersystem, welches sich heute im Bereich der Pyrenäen bilden könnte und in der kommenden Nacht unser Land überquert. Im Vorfeld werden heute gegen Abend in den Bergen erste isolierte Gewitter erwartet. Wie üblich, lässt sich Ort und Zeit dieser Gewitter nicht wirklich vorhersagen. Mit Unterstützung der Welle könnten dann in der Nacht auf Samstag oder Samstag früh auch im Flachland Gewitter auftreten.

Am Samstag geraten wir kurzzeitig auf die Rückseite des Kurzwellentroges, so dass sich rasch nochmals schöne Aufhellungen durchsetzen können. Dann aber nimmt der zyklonale Einfluss des Höhentroges über Grossbritannien auch bei uns zu. Die Sonne wird hinter Wolken verschwinden, und vor allem in der 2. Tageshälfte des Samstags werden von den aktuell verfügbaren Mesomodellen vielerorts kräftige Gewitter angedeutet. Auch am Sonntag/Montag sind Schauer, z.T. auch noch einzelne Gewitter, zu erwarten. Die Temperaturen gehen stufenweise zurück und verharren tagüber im Bereich von 20 Grad oder knapp darüber.

Ab Dienstag gelangen wir wieder unter Zwischenhocheinfluss. Der Witterungscharakter ist freundlich, bei erneut steigenden Temperaturen. Aber im Tagesgang sind auch rasch wieder wieder da und dort Gewitter möglich, gemäss den aktuellen Karten vor allem am 1. oder 2. August, wenn ein weiterer Kurzwellentrog wieder eine vorübergehende leichte Abkühlung bringen dürfte.

Gut möglich also, dass Blitz und Donner das Feuerwerk-Spektakel am Nationalfeiertag verstärken. Das genaue Timing der erwarteten Wellenstörung ist selbstverständlich aus heutiger Sicht noch sehr unsicher. Hoffen wir, dass die Feiern trocken über die Bühne gehen. Ob das so bleibt, kann erst in der Kurzfrist besser abgeschätzt werden.

Weitere Diskussion zur kommenden Gewitterlage im Schweizer Sturmforum, www.sturmforum.ch.

Wie entstand die Wasserhose über dem Zürichsee vom 21.7.2012?

Zoomloop Donnerradar, Region Zürichsee, von 1640-1710 Uhr. Quelle: meteoradar

In diesem Blog möchten wir mehrere Datenquellen ausquetschen, um Hinweise zu erhalten, wie sich die Wasserhose über dem Zürichsee bilden konnte. Die verfügbaren Daten sind sehr dürftig, wenn man die Maschenweite der Meteodaten der Grösse der Wasserhose gegenüberstellt. Somit bleiben die folgenden Aussagen spekulativ, eine gesicherte Antwort muss unterbleiben. Immerhin bestätigt sich, dass die Bildung der Wasserhose durchaus in das Bild passt, welches in unzähligen Studien in der Vergangenheit gewonnen wurde.

Zunächst einmal zur Frage, ob eine Superzelle als „Träger“ der Wasserhose in Frage kommt. Die Antwort ist nein, auch wenn im Radarloop vorübergehend eine Abweichung der Gewitterzugbahn nach rechts, d.h. Richtung Süden beobachtet werden konnte. Eine klare Antwort liefern die Winddaten der Radiosondierung von Payerne, 21.7.2012, 14h Lokalzeit. In den niedersten 3 km ist die max. Windstärke durchwegs geringer als 4 m/s. Massgebend ist die Differenz der Windstärke, sagen wir, zwischen dem Boden und 3 km Höhe über Boden. Die Differenz sollte typischerweise mind. ca. 15 m/s betragen, Zm Beispiel also eine Zunahme der Windstärke von 0 auf 15 m/s, oder ein Wechsel der Windrichtung z.B. von Ostwind, 7 m/s auf Westwind, 8 m/s. Dies ist eine vereinfachte Plausibilitätsannahme, welche in der Wissenschaft, komplizierter, der Bedingung „storm-relative Helicity 0-3km Höhe > 100 m2/s2“ entspricht. Lassen wir die Erklärungen dazu. Wichtig ist: die Windstärken waren in diesem Fall viel zu schwach, um Superzellen überhaupt erst entstehen zu lassen.

Also bleibt als Erklärung nur der sog. „non-supercell“ Mechanismus. Entscheidend bei diesem Mechanismus ist das „vortex-stretching“: das Strecken und damit gekoppelte Verengen einer rotierenden Luftsäule in die Höhe. Durch das Verengen wird die Rotation schneller – bis eine Wasserhose sichtbar wird. Eine gesunde, schnell wachsende Cumulus Wolke kann das „vorticity stretching“ auslösen, aber nur falls in der Luftmasse unterhalb der Cumulus Wolke bereits Ansätze zur Rotation vorhanden sind. Eine plausible Annahme ist, dass die Bedingungen für „vortex stretching“ entlang einer Grenze von zwei gegenläufigen Luftströmungen besonders günstig sind. Man stelle sich beispielsweise eine Süd-Nord verlaufende Linie vor. Östlich der Linie herrscht Südwind, westlich der Linie herrscht Nordwind. Bildet sich eine Cumulus Wolke genau über dieser Linie, dann kann die gegenläufige Luftströmung durch den Sog der Cumulus Wolke in eine immer rascher rotierende Luftsäule deformiert werden.

Damit kommen wir zur nächsten Frage: kann eine gegenläufige Luftströmung in Bodennähe im Fall der Zürichsee-Wasserhose nachgewiesen werden? Die vorläufige Antwort lautet nein – mind. nicht mit den uns zur Verfügung stehenden Daten. Eine vertiefte Analyse mit einem dichten Bodennetz könnte eine besser fundierte Antwort liefern. Aber wir können mindestens versuchen, aus den Daten herauszulesen, wie es allenfalls hätte sein können.

Zunächst zum Radarloop. Der Zoomloop Donnerradar (gif-Animation zu Beginn des Artikels) zeigt um 1645 Uhr erstmals eine südlich anbauende Zelle genau über Thalwil, also dem Standort der später sichtbaren Wasserhose. In den folgenden Radarbildern verschmilzt die Zelle zu einer Echolinie, welche langsam südwärts wandert. In den Vertikalprojektionen des Donnerradars 3D (am Schluss des Artikels) ist die Trägerzelle der Wasserhose besser identifizierbar (siehe rote horizontale Linie für die Zuordnung des Standortes der Wasserhose zur Vertikalprojektion). Von 1640 bis 1655 Uhr erkennt man eine deutliche Zunahme der Radarintensität – über die Farben grün, orange bis rot. Man kann davon ausgehen, dass in dieser 15-minütigen Zeitspanne tatsächlich eine mehr oder weniger ortsfeste Cumulus-Wolke mehr oder weniger ungestört anwachsen konnte. Offenbar hat es seine Zeit gebraucht, bis die Wasserhose für die Augenzeugen sichtbar wurde (ca. um 17 Uhr).

Die Bodenwindmessungen der umliegenden ANETZ-Stationen der MeteoSchweiz (Wädenswil, Zürich MeteoSchweiz, Reckenholz, Lägern) bestätigen mehr oder weniger die herrschende Schwachwindlage. Vor dem jeweiligen Durchzug der Gewitterzellen scheint eine schwache SE-Strömung vorzuherrschen, welche danach auf Nord-NE dreht. Das deutet auf Konvergenz hin, welche mit den sich regenerierenden Gewitterzellen gut zusammenpasst. Aber eine Erklärung für eine allfällig vorhandene bodennahe Scherzone können diese Daten nicht geben. Auch höhergelegene Stationen (Lägern, Hörnli, Napf) geben nur vage Hinweise. Diese sind schon in einiger Distanz zum Geschehen. Interessant wären die Windmessaten des Uetlibergs. Diese Daten sind uns leider nicht zugänlich.

Zusätzliche Hinweise lassen sich aus den Zeitrafferaufnahmen der Webcam Sellenbüren herauslesen, siehe den Video bei Youtube. Diese Webcam ist gegen Süden gerichtet. Der Standort der Wasserhose dürfte knapp ausserhalb des linken Bildrandes liegen. Immerhin kann man erkennen, wie die Trägerwolke der Wasserhose ab ca. 1650 Uhr von links ins Bild hineinläuft. Aus der gegenläufigen Wolkenbewegung kann man klare Rotation erkennen, und gegen 1710 Uhr sind markante Verwirbelungen sichtbar. Wir vermuten, dass diese Verwirbelungen der zerfallenden Wasserhose zugeordnet werden können.

Interessant ist auch die Vorgeschichte im Video. So ist generell auf Wolkenhöhe (vermutlich 1-1.5 km Höhe über Meer) eine Bewegung von West nach Ost festzustellen. Damit scheint auf dieser Höhe eine Westströmung vorzuherrschen, welche die SE-Strömung in Bodennähe überlagert. So wäre es durchaus möglich, dass auch sogenanntes „Vortex tilting“, also ein Kippen einer horizontal rotierenden Luftwalze in die Vertikale, bei der Bildung der Wasserhose eine Rolle spielte. Das ist genau der Prozess, welcher bei der Bildung von Superzellen-Tornados als vorherrschend angesehen wird. Und damit kann auch mit Fug und Recht der klassische Bildungsmechanismus eines „non-supercell“ Tornados in diesem Fall hinterfragt werden.

Damit wird es kompliziert. Als weiterer Faktor ist selbstverständlich die lokale Orographie in Betracht zu ziehen. Durchaus möglich, dass die in S-N Richtung gestreckte Albis-Kette einen entscheidenden Einfluss ausgeübt hat. Zum Beispiel, indem sie die bodennahe SE-Strömung im Osten und die etwas höher liegende Westströmung im Westen so deformierte, dass die Scherbedingungen entlang der Albis-Kette günstig wurden, um den wachsenden Cumulus Wolken Rotation beizumischen. Eine leichte Ostverlagerung einer wachsenden Cumulus-Wolke von der Albis-Kette in Richtung See hätte dann die Vorbedingungen für die Bildung der Wasserhose vollendet.

Wie gesagt: es bleiben viele Fragen offen, die geradezu nach einer gründlichen Auswertung von weiteren Messdaten in der Region rufen. Dabei bleibt fraglich, ob die individuelle Entstehungsgeschichte dieser Wasserhose jemals befriedigend geklärt werden kann.

Weiterführende Links:
Diskussion im Sturmforum
Tageswetterbericht MeteoSchweiz

Ausschnitte aus denRadarbildern Donnerradar 3D, 1640-1655 Uhr. Quelle: meteoradar

Wochenvorschau Gewitter 20. – 26.7.2012

Vorhersagekarte GFS für Montag, 00 UTC. Der Abtropfvorgang im Mittelmeer ist fast abgeschlossen. In Bodennähe bestimmt noch eine Bisenströmung unser Wetter. Quelle: wetter3.de

Zur Zeit bahnt sich eine grossräumige Wetterumstellung an, an deren Ende der bislang wetterbestimmende ortsfeste Tiefdrucktrog über den britischen Inseln durch ein ebenso ortsfestes Hochdruckgebiet abgelöst werden könnte. Bis es gegen Monatsende soweit ist, wird das europäische Wetter in den kommenden Tagen durch zwei Vorstösse von polarer Kaltluft bestimmt. Der erste Vorstoss, in Form eines langezogenen Troges, wird zu Wochenbeginn im Mittelmeer zum Abspalten eines Kaltlufttropfens führen. Das Zentrum des Tropfens verbleibt über Süditalien mehr oder weniger ortsfest und füllt sich langsam auf. Der zweite Kaltluftvorstoss wird gegen Ende der kommenden Woche erwartet, wobei aber die Details noch sehr im Graubereich der statistischen Unsicherheiten liegen.

Die mit dem ersten erwähnten Trog verknüpfte Bodenkaltluft setzt sich heute langsam von West nach Ost durch. Dabei wird es zwar Niederschläge aber kaum Gewitter geben. Dazu ist die Luftschichtung zu stabil, und die Sonne hat heute keine Chancen, so richtig aufzuheizen. Allenfalls kann es im Graubünden gegen Abend nochmals zu wenigen Entladungen kommen.

Das Wochenende wird kühl, trüb und zeitweise nass. Gewitter sind keine zu erwarten, ausser vielleicht ganz im Süden des Tessins und Graubündens. Die aufkommende Bise verstärkt den herbstlichen Eindruck der Wochenend-Witterung. Ganz anders im Mittelmeer, im Bereich des Kaltlufttropfens. Die Kaltluft trifft dort auf eine aufgeheizte Meeresoberfläche, so dass lokal kräftige Gewitter und Regengüsse erwartet werden.

Ab Montag verflacht sich die Druckverteilung über Mitteleuropa. Bei nur langsam abklingender Bise zeigt sich zeitweise die Sonne, und es setzt zögerliche Wiedererwärmung ein. Ab Wochenmitte sind im Tagesgang dann auch wieder sommerlich anmutende Gewitterregen möglich. Die weiteren Details der Witterung in der zweiten Wochenhälfte sind, wie schon zu Beginn erwähnt, zur Zeit nicht abschätzbar. Das Spektrum reicht aus heutiger Sicht von einem neuerlichen nachhaltigen Kälterückfall (ohne grosse Gewittertätigkeit) über eine gewitterreiche SW-Lage bis zu einem Andauern des mässig stabilen sommerlichen Tagesgangwetters.

Zum Abtropfprozess im Mittelmeer ist im Sturmforum ein vertiefender Beitrag erschienen.

Wochenvorschau Gewitter 13.-19.07.2012

Tiefblauer Himmel und klare Sicht mit harmlosen Quellwolken im Sommer charakterisieren frische Atlantikluft unter zunehmendem Hochdruckeinfluss

Tiefblauer Himmel und klare Sicht mit harmlosen Quellwolken im Sommer charakterisieren frische Atlantikluft unter zunehmendem Hochdruckeinfluss

Eigentlich ist es ganz kurz gesagt: In der kommenden Woche wird es sehr ruhig – zumindest was die Gewitter betrifft. Die seit längerer Zeit anhaltende Süd- bis Südwestlage, verursacht durch ein nahezu stationäres Tief bei den Britischen Inseln, hat sich seit dem vergangenen Sonntag in eine reine Westlage gewandelt. Damit kommen deutlich kühlere Luftmassen nordatlantischen Ursprungs ins Spiel, was die Gewitterbereitschaft dämpft.

Allerdings verbleibt der Alpenraum noch ein paar Tage im Bereich der Frontalzone. Von Freitag bis Sonntag bedeutet dies ausgesprochen wechselhaftes und für die Jahreszeit zu kühles Wetter. Vor allem im Bereich der Kaltfronten in der Nacht auf Samstag und dann wieder am Sonntag treten regional kräftige Regenfälle auf, die nachfolgenden Rückseitenschauer können vereinzelt gewittrig sein. Mit heftigen Entwicklungen ist allerdings nicht zu rechnen. Markant wird vor allem der Wind in der Nacht auf Samstag: Auf den Jurahöhen und den nördlichen Alpengipfeln ist mit Sturm zu rechnen, aber auch in den Niederungen sind bis Samstagmittag zeitweise stürmische Böen nicht ausgeschlossen.

Ab Montag dehnt sich ein Keil des Azorenhochs bis zu den Alpen aus und sorgt für eine von vielen schon sehnlichst erwartete, stabilere Wetterlage. Allerdings wird voraussichtlich die stramme West- bis Nordwestströmung nur knapp nördlich der Schweiz verbleiben, sodass vorbeistreifende Fronten gelegentlich den Sonnenschein im Norden und Osten des Landes etwas einschränken können. Aus heutiger Sicht ist aber durch die zögerliche Erwärmung und den Hochdruckeinfluss frühestens am Donnerstag wieder mit Gewittern zu rechnen. Ausgelöst durch eine sich nähernde Kaltfront eines – wie könnte es in diesem Sommer auch anders sein – neuen Tiefs bei den Britischen Inseln.

Ein nahezu herbstlich anmutendes Sturmfeld streift in der Nacht auf Samstag die Schweiz  (Mittelwind in etwa 1500 m Höhe)

Ein nahezu herbstlich anmutendes Sturmfeld streift in der Nacht auf Samstag die Schweiz (Mittelwind in etwa 1500 m Höhe)

Wochenvorschau Gewitter 6. – 12. Juli 2012

Hagelgewitter über dem Säuliamt am 5.7.2012, Foto: Willi Schmid

Die vergangenen Tage waren geprägt von wiederholten Unwettern in verschiedenen Regionen des Landes. Sehr ungewöhnlich waren die beiden Hagelzüge am frühen Sonntagmorgen in der Ostschweiz. Weiter ging es vorgestern abend mit Starkgewittern im Emmental und Hochwasseralarm für das Aareufer in der Stadt Bern. Und gestern Abend gab es gleich nochmals einen Hagelzug, welcher aus dem Napfgebiet bis zum Bodensee durchstartete (siehe Foto), und weitere starke Gewitter in der Westschweiz mit z.T. beträchtlichen Regenmengen.

In den kommenden Tagen ändert sich die Grosswetterlage zunächst nur unwesentlich. Das schon seit Tagen stationäre Höhentief über Grossbritannien bleibt bis Dienstag erhalten, zieht dann aber unter Auffüllung nach Skandinavien ab. Wer nun glaubt, dass damit Platz für einen Vorstoss des Azorenhochs geschaffen wird, muss gründlich enttäuscht werden. Im Gegenteil: ein neuer polarer Kaltluftvorstoss setzt sich gleich wieder über Grossbritannien fest und dürfte ab der Wochenmitte auf unser Wetter Einfluss nehmen. Es bleibt offen, wie stark dieser Einfluss sein wird. In der Tendenz scheint die Höhenströmung mindestens vorübergehend auf West, evtl. auch Nordwest zu drehen. Damit könnten die Temperaturen unter den Jahresdurchschnitt fallen, und die Gewittertendenz wäre gering, resp. würde sich allenfalls auf Kaltluftschauer im Tagesgang beschränken.

In der Kurzfrist ist bis Mittwoch immer wieder mit dem Durchzug von z.T. gewittrigen Wellenstörungen aus Südwesten zu rechnen. Eine stärkere Wellenstörung dürfte am Sonntag nicht nur für Schlechtwetter, sondern auch für erhöhte Gewitteraktivität sorgen. Ob es wieder zu unwetterartigen Gewittern reicht, ist zur Zeit offen. Das tageszeitliche Timing passt hierfür schlecht. Ideal wäre eine gute Aufheizung durch hohen Sonnenstand vor dem Ausbrechen der Gewitter. Da die Wellenstörung am Sonntag früh erwartet wird, bleibt für die Aufheizung keine Zeit. Allerdings haben die letzten Tage gezeigt, dass Überraschungen zu jeder Tageszeit möglich sind. Wie genau der Störungsdurchgang am Sonntag ablaufen wird, kann erst in der Kurzfrist beurteilt werden.

Eher entspannte Witterung mit schönen Aufhellungen und leicht geringerer Schauerneigung ist nach den aktuellen Karten am Samstag, und dann auch Montag/Dienstag zu erwarten. Auf Mittwoch könnte nochmals eine Wellenstörung die Gewittertendenz verstärken, bevor dann gleich das nächste Tief das Regime übernimmt.

Zeigt der neue Albis-Radar zu wenig Niederschlag an?

Tagessummenwerte Niederschlag für 8 Stationen im Bereich des Albis-Radars und die Periode 20.6.-3.7.2012

Seit der Aufschaltung des neuen Albis-Radars am 19.6.2012 durch die MeteoSchweiz wurde mehrfach gerügt, dass die Radaranzeige den gefallenen Niederschlag unterschätzt. Nach zwei Wochen Radarbetrieb bei häufigen, zum Teil auch gewittrigen Niederschlägen mit Hagel sind wir in der Lage, eine erste Bilanz zu ziehen. Wir haben hierzu einen Vergleich der Radarwerte mit den Werten an Bodenstationen der MeteoSchweiz durchgeführt. Die Resultate bestätigen den Trend zur Unterschätzung des Niederschlages durch die Anzeige des Albis-Radars, und zwar im Mittel um etwa 50 Prozent. Um diese Aussage zu untermauern, fällt dieser Blogartikel etwas länger aus als sonst üblich. Wir möchten zusätzlich zu den Resultaten unserer Analyse auch einige Probleme aufzeigen, mit welchen wir uns als Kunde eines Monopol-Anbieters von Radarprodukten herumschlagen müssen.

Die MeteoSchweiz liefert uns Radarbilder im sog. gif-Format. Das heisst, dass die Radar-Intensitäten als Binärwerte auf einer Skala von 0-255 verfügbar sind, dies mit einer Pixelauflösung 1×1 km. Zusätzlich hat uns die MeteoSchweiz eine Tabelle geliefert, mit welcher jeder Binärwert in einen Wert der Niederschlagsintensität (mm/Stunde) konvertiert werden kann.

Bei der Auswahl der Bodenstationen für unsere Vergleiche haben wir uns mit Absicht eingeschränkt. Wir haben nur Bodenstationen in der Nähe eines Radarstandortes ausgewählt, welche vom Radar gut sichtbar sind (ohne Berge dazwischen), und welche in grosser Distanz zu den anderen beiden Radars liegen. So können wir sicher sein, dass jeweils nur ein Radar den Niederschlag über einer Bodenstation erfasst. Auf diese Weise können wir auch für jede der drei Radarstationen (Albis, La Dôle und Monte Lema) eine getrennte Analyse durchführen. Dadurch fallen alle Stationen im Bereich um Bern (Mitte zwischen Albis und La Dôle) und im Hochgebirge weg. Für den Radar Albis bleiben 8 Regenstationen übrig, bei La Dole sind es 5 und beim Monte Lema 4 Bodenstationen.

Wir haben für die Periode 20.6. – 3.7.2012 die Tagessummen des Niederschlages (Boden und Radar) berechnet, für alle Tage zusammengezählt und am Schluss durch einfache Division berechnet, wieviel Prozent des Bodenniederschlages durch die 3 Radars angezeigt wurde. Genau ein extremer Tagessummenwert einer Station wurde eliminiert, da der Wert durch Hagel massiv verfälscht wurde. Anbei die Resultate:

– Der Albis-Radar sieht 51% des Bodenniederschlages
– Der Radar La Dôle sieht 85% des Bodenniederschlages
– Der Radar Monte Lema sieht 134% des Bodenniederschlages

Zusätzlich haben wir die Korrelationen der Tagessummenwerte zwischen Boden und Radar für die drei Radarstationen getrennt berechnet. Diese liegen zwischen 0.8 und 0.94. Das sind für Radar-Boden Vergleiche des Niederschlages sehr gute Werte. Die hohen Korrelationen weisen darauf hin, dass die Faktor-Unterschiede zwischen den 3 Radars systematisch sind und nicht mehr nur durch Zufallseffekte erklärt werden können. Zur wissenschaftlich korrekten Untermauerung dieser Aussage wäre allerdings ein „harter“ statistischer Test nötig.

Die beigefügte Grafik zeigt die Tagessummenwerte des Niederschlages im Bereich des Albis-Radars. Perfekte Vergleichswerte wären im Bereich der roten 1:1 Linie zu erwarten. Die meisten Messpunkte liegen unterhalb der roten Linie. Das belegt zusätzlich, dass die gefundene Unterschätzung des Niederschlages durch den Albis-Radar nicht einfach durch 1 oder 2 Ausreisserwerte erklärt werden kann.

Zum Schluss ein Kommentar zu den von der der MeteoSchweiz gelieferten Radarbildern. Diese Bilder sind das Resultat einer hochkomplexen Verarbeitung der Radarmessdaten, welche für den Anwender als riesengrosse „Black Box“ daherkommt. Die MeteoSchweiz hütet diese Black Box wie einen Goldschatz. Kein Mensch ausser den Spezialisten der MeteoSchweiz hat eine Chance, die vielen Schrauben nachzudrehen, die an der Herstellung des Produktes beteiligt sind. Der Kunde ist dem Anspruch der MeteoSchweiz ausgeliefert, den Niederschlag in der Schweiz mit Radar bestmöglich zu erfassen, Sommer und Winter, im Flachland und im Gebirge, bei Regen, Schneefall und Hagel. Dieser Anspruch in Ehren, aber was macht der Kunde, wenn er einen Faktorfehler von 100% feststellt, oder wenn die Hagelschläge vom 1. Juli frühmorgens einfach nicht zur mickrigen Radarfarbe passen, die ein mässig bis starkes Gewitterregeli vorgauckelt?

Als Kunde hätte ich einen kitzekleinen Wunsch, wenn (vielleicht) in 1-2 Jahren die MeteoSchweiz-Daten gratis bezogen werden können: die Rohdaten der Radarreflektivität, Dopplergeschwindigkeit und Polarisation (nicht die modifizierte Regenintensität), Volumendaten, 1 km Auflösung gratis zu beziehen. Dann kann ich nämlich die Korrekturen selbst machen und zwar so, dass sie für meine Kunden passen. Jetzt sind die Rohaten für Privatkunden unbezahlbar. Wieweit sind eigentlich Schweizer Universitäten an der Radarforschung beteiligt? Im Ernst: mehr Offenheit und Konkurrenz im Bereich der Radarforschung und der „Black Box“ würde auch der MeteoSchweiz guttun.