Wenn ein Nordstau das Gegenteil bewirkt

Satellitenbild vom 24.02.2012, 12:15 MEZ (Quelle: Eumetsat/UBIMET)

Satellitenbild vom 24.02.2012, 12:15 MEZ (Quelle: Eumetsat/UBIMET)

Der 24. Februar 2012 überraschte nach dem bisher kalten Monat entgegen vieler Prognosen mit frühlingshaften Temperaturen und ab Mittag mit einem völlig wolkenlosen Himmel über der gesamten Schweiz, dem Westen Österreichs und Teilen Süddeutschlands. Eine kurze Analyse, wie es dazu kam:

Eigentlich sollte es in der Nordschweiz an diesem Tag länger dicht hochnebelartig bewölkt bleiben. Dafür sprach die Anströmung aus Nordwest und der Eintrag von Grundfeuchte mit der Warmfront vom Vortag. Im Winterhalbjahr entsteht im Warmsektor zudem durch nächtliche Ausstrahlung und bodennahe Abkühlung eine Inversion. Stabile Schichtung (unten kalt, oben warm) kaum Wind und Grundfeuchte sind der optimale Mix für einen Hochnebeltag. Doch es kam anders…

Die Inversion war zwar am Freitagmorgen vorhanden, allerdings von geringer Mächtigkeit. Bereits in Lagen ab 700 Meter wurde in der vorangegangenen Nacht der Gefrierpunkt nicht unterschritten. Doch was war mit der Hochnebeldecke los, welche knapp nördlich der Schweiz und Frankreich weite Gebiete bedeckte? Mit der Nordwestströmung sollte diese eigentlich an die Alpen gedrückt werden und einen dicken Stau verursachen. An der folgenden Analyse-Karte kann man die Strömungsverhältnisse in ca. 1500 m erkennen: Strammer West- bis Nordwestwind von England direkt auf die Alpen gerichtet. Im Westen eine deutliche antizyklonale Krümmung (im Uhrzeigersinn) um das Hoch, im Nordosten die zyklonale Krümmung (im Gegenuhrzeigersinn) um das Tief:

Windströmung in 850 hPa am 24.02.2012 13:00 MEZ, Analyse nach GFS (Quelle: wetter3.de)

Windströmung in 850 hPa am 24.02.2012 13:00 MEZ, Analyse nach GFS (Quelle: wetter3.de)

Genau mittendrin befindet sich die Schweiz – und dies ist kein Zufall. Das Hoch könnte auch noch ein wenig weiter westlich und das Tief näher bei uns liegen, wenn die Anströmungsrichtung WNW stimmt, muss ein Teil der Luft aufgrund der Barrierewirkung östlich um die Alpen strömen, ein anderer Teil westlich davon. Die genaue Position des Hochs und des Tiefs entscheidet dann lediglich darübe, welche Seite wie viel des Anteils erhält und wo somit die Teilung stattfindet. Diese Teilung, das Auseinanderströmen der Luft, nennt man Divergenz. Wo am Boden Luft auseinanderströmt, entsteht ein Sog, der nur von oben aufgefüllt werden kann. Und diese Luft war an diesem Tag in der Höhe sehr trocken. Zudem wissen wir: Wenn Luft absinkt, erwärmt sie sich und wird dadurch relativ noch trockener. Eine Dunst- und Nebelschicht in den tiefsten Lagen hat damit keine Überlebenschance.

Man erkennt zudem auf dem Satellitenbild sehr gut die Stauwirkung am Nordwestrand des Juras, sowie auf der anderen Seite am Alpennordrand in Österreich. Im Westen handelt es sich unter dem Hoch um eine tiefe Nebelschicht, im Osten unter mehr Tiefdruckeinfluss sind die Wolken hochreichender und produzieren auch etwas Niederschlag. Ein weiter Unterschied zwischen dem hochdruckbeeinflussten Westen und dem tiefdruckbeeinflussten Osten: Trotz ähnlicher Düseneffekte am Alpenrand erreichten die Maximalböen in Genf gerade mal 25 km/h, in Wien waren es 75 km/h.

Diese Anströmungsrichtung bleibt auch in den kommenden Tagen mehr oder weniger bestehen. Was sich ändert, ist der Feuchtegehalt der Luft in der Höhe. So bringen am Samstag eine Kaltfront und am Montag und Dienstag Warmfronten mehr Wolken, am Alpennordrand in Österreich sogar ordentlich Regen und Schnee. Doch die Divergenz über der Schweiz bleibt und so darf es nicht verwundern, wenn es hier nicht nur alleine wegen des nahen Hochs weitgehend trocken bleibt. Ebenfalls sollte man nicht erstaunt sein, wenn die Wolken weiterhin grosszügiger auflockern als die Wettermodelle es gerne hätten. Hier ist die unverzichbare Erfahrung der Meteorologen gefragt.

Frühlingsgefühle

Wetterkarte der Nordhemisphäre, mit Anzeige der polaren Kaltluft (violette Farben). Quelle: wetter3.de

Die extrem kalte erste Februarhälfte ist Geschichte. Auch die letzten noch begehbaren gefrorenen Seeflächen dürften bald gesperrt sein. Die Wetterzeichen deuten aktuell auf Vorfrühling. Nach einem letzten Schneeflocken-Geplänkel heute Sonntag stösst ein warmes Atlantikhoch mächtig in den Kontinent vor. Ab dem Montag liegt der Kerndruck über Zentraleuropa über 1030 hPa, die Temperaturen steigen kontinuierlich an und erreichen bis am Freitag etwa +5 Grad in 1’500m Höhe. Mit dem immer schneller steigenden Sonnenstand wird die zunehmende Sonnenstrahlung dazu beitragen, dass die Temperaturen im Flachland an der 10-Grad Grenze kratzen werden.

Mit der aktuellen Wetterumstellung könnte eine neue Phase beständiger Witterung eingeleitet werden. Wenn man einen Blick auf die Wetterkarte der Nordhemisphäre wirft (siehe Grafik), dann fällt auf, dass die polare/kontinentale Kaltluft sich wieder weit von Zentraleuropa entfernt hat. Die Achse der kältesten Luft erstreckt sich etwa von Nordamerika über Grönland, den Nordpol bis nach Nordasien, während die atlantische Frontalzone ziemlich weit nach Norden verschoben ist. Falls diese Konstellation Bestand hat, dann wäre bei uns eher trockene und vor allem in der Höhe milde Witterung zu erwarten. Soweit ideales Skiwetter in den kommenden Wochen. Allerdings liegt die Schweiz eher östlich des atlantischen Wärmepools, so dass immer wieder Randstörungen aus NW zu uns vordringen können. Selbstverständlich kann auch wieder eine schöne Kaltfront dabei sein, aber nochmals eine Kältewelle wie gehabt? Nein, diesen Winter bestimmt nicht mehr.

Mildwinter = kalter Spätwinter – ein Widerspruch?

Grosswetterlage über Europa am 4. Februar 2012

Grosswetterlage über Europa am 4. Februar 2012

In der Nacht auf den 4. Februar sind im Schweizer Mittelland vielerorts die tiefsten Temperaturen seit 1987 gemessen worden. Manche Stationen tauchten unter -20 Grad, selbst in den grösseren Städten wurden zwischen -15 und -19 Grad gemessen. Das mag nach dem bisherigen Mildwinter erstaunen, jedoch nur auf den ersten Blick.

Was genau ist geschehen? Bis Mitte Januar hatte das Westwindregime mit milden atlantischen Luftmassen ganz Europa fest im Griff und nichts deutete darauf hin, dass dies in diesem Winter noch ändern könnte. Denn sämtliche Parameter für eine Fortsetzung des Mildwinters waren gegeben, und eigentlich sind sie auch heute noch vorhanden. Einerseits ist dies die positive Temperaturanomalie über weiten Teilen des Nordatlantiks, wie sie die aktuelle Karte zeigt:

Abweichung der Wassertemperatur gegenüber dem Klimamittel (Quelle: NOAA)

Abweichung der Wassertemperatur gegenüber dem Klimamittel (Quelle: NOAA)

Weiter fällt der extreme Temperaturgegensatz der Wasseroberfläche vor der Ostküste Nordamerikas auf. Diese ist sozusagen der Antrieb für die Produktion immer neuer Tiefdruckgebiete über dem Atlantik, was wiederum ein Garant für milde Westwinde bis nach Europa sein sollte. So zeigt denn auch der Index der Nordatlantischen Oszillation (NAO) weiterhin positive Werte an (Erklärungen dazu siehe Blogbeitrag vom 10. Dezember 2011):

NOA-Index, Messwerte und Prognose für Februar (Quelle: NOAA)

NOA-Index, Messwerte und Prognose für Februar (Quelle: NOAA)

Bei solchen Grosswetterlagen könnte man mit grosser Wahrscheinlichkeit auf die Fortsetzung des Mildwinters wetten, doch gibt es einen unberechenbaren Spielverderber: den sibirischen Kaltluftkörper. Dieser bildet sich in jedem Winter über der Nordhälfte der Eurasischen Kontinentalmasse aus, bedingt durch die langen Nächte und den geringen maritimen Einfluss. Er wächst im Lauf des Winters immer mehr an, bis im März die tägliche Sonneneinstrahlung die nächtliche Auskühlung wieder übersteigt und die Luftmasse über dem Kontinent allmählich durch die Sonne erwärmt wird. Die grösste Mächtigkeit erreicht dieser Kaltluftkörper somit erst in der zweiten Winterhälfte.

Da kalte Luft schwerer ist und eine grössere Dichte aufweist als Warmluft, kann man sich diesen Kaltluftkörper in etwa vorstellen wie zähflüssigen Honig: Von oben tropft immer mehr nach und am Boden breitet sich die klebrige Masse langsam in alle Richtungen aus. Dies erklärt die Bildung eines kräftigen Hochdruckgebietes am Boden, während in der Höhe eigentlich tiefer Luftdruck herrscht (gut zu sehen auf der Titelbildkarte). Das Höhentief saugt laufend neue Luft an, die sich über dem Kontinent in der Polarnacht extrem abkühlt, zu Boden sinkt und so den immerwährenden Nachschub an neuer Kaltluft gewährleistet. Erleidet nun die nach Europa gerichtete Westwinddrift über dem Atlantik einen Schwächeanfall wie dies Ende Januar (siehe NAO-Verlauf) der Fall war, hat der kalte „Honig“ leichtes Spiel und überflutet Europa von Nordosten her. Die leichtere Warmluft aus Westen prallt auf dieser zähen Masse auf und kann nur nach Norden oder nach Süden ausweichen. Derzeit tut sie dies eher Richtung Norden, so weisen z.B. Island und Spitzbergen aktuell für die Jahreszeit deutlich zu milde Werte auf.

Ein Kälteeinbruch nach einem milden Winterbeginn ist somit nie auszuschliessen, die Voraussetzungen dafür liefern ganz einfach die klimatischen Voraussetzungen Europas zwischen einem sehr milden Ozean (Golfstrom) und einem extrem kalten Kontinent. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Mildwinter in einen kalten Spätwinter kippt, liegt bei etwa 50 %. Die Auswertung der Winterverläufe der letzten 30 Jahre zeigt, dass im Schnitt jeder 4. Winter ein ähnliches Muster aufweist:
– 2004/05: mild bis Mitte Januar, extrem kalt Ende Februar bis Anfang März
– 2002/03: extrem mild bis Anfang Januar, zwei Kälteperioden Mitte Januar und Mitte Februar
– 1992/93: der erste Schnee des Winters fällt erst Ende Februar mit einem Kaltlufteinbruch aus Osten
– 1990/91: mild bis Mitte Januar, extrem kalt Ende Januar bis Mitte Februar
– 1987/88: extrem mild bis Mitte Februar, Kälte Ende Februar bis Anfang März
– 1985/86: mild bis Ende Januar, extrem kalt im ganzen Februar bis Anfang März
– 1982/83: eigentliche Winterkälte trat fast ausschliesslich im Februar auf

Wie geht es nun weiter? So wie man auch den Honig nur schwer vom Brot blasen kann, genau so wird die durchaus vorhandene Westwinddrift Mühe haben, die bodennahe Kaltluft auszuräumen. Zumal aus Osten der Kältenachschub noch mindestens eine Woche anhält. Wahrscheinlich ist danach eine rasche Erwärmung in der Höhe, während es in den Niederungen nur zaghaft in Richtung durchschnittliche Wintertemperaturen knapp unter dem Gefrierpunkt geht.

Es schneit, aber das Radarbild ist leer. Warum?

Aktuelles Radar-Zoombild mit lokalen Schneefall-Echos. Quelle: meteoradar/MeteoSchweiz

Bei tiefen Temperaturen zeigt das Wetterradarbild bei Schneefall oft zu wenig oder gar nichts an. Dies hat verschiedene Gründe. Ich möchte in diesem Blog die möglichen Gründe zusammenfassen. Im Einzelfall dürfte es schwierig sein, herauszufinden, welcher Grund oder welche Gründe nun genau zutreffen.

1. Aus physikalischen Gründen erkennt der Radar „nasse“ Partikel (Regentropfen, angefeuchtete Schneeflocken oder Graupel) besser als „trockene“ Partikel (z.B. Schneeflocken bei Minustemperaturen.

2. Schneeflocken bei mehreren Minusgraden sind klein und werden aus diesem Grund ebenfalls schlecht erfasst. Erst nahe Null Grad oder knapp darüber werden die Schneeflocken in der Regel grösser (durch Kollision und Zusammenhaften von mehreren kleinen Schneeflocken) und geben dann ein stärkeres Radarsignal.

3. Schneewolken bei tiefen Temperaturen sind oft sehr niedrig über dem Boden (Hochnebel). Der Radar kann in der Regel erst einige 100 m über Boden oder auch erst 1-2 km über Boden den Niederschlag von den Bodenechos trennen.

4. Der Albis-Radar ist ein altes Gerät und wird erst im Frühjahr erneuert. Es wird sich weisen, ob das neue Gerät dann im nächsten Winter den Schneefall bei tiefen Temperaturen besser erfassen kann.